Ein 25-jähriges Bestehen ist für viele ein Anlass für eine Feier im edlen Ambiente mit erlesenen Gästen, Reden und viel Lobhudelei. Dem Engagement und der Arbeit von Gangway e. V., dem größten Träger für Straßensozialarbeit in Deutschland, würde es aber nicht gerecht. Seit der Gründung vor 25 Jahren sind sich die Aktiven dieses Vereins in ihren Grundwerten und auch ihrer Zielgruppe gegenüber treu geblieben.
Das spiegelt sich schon in der Wahl des Ortes für ihre Jubiläumsfeier am 6. November 2015 wieder. Ziel war dort zu feiern, „wo sich gerade auch die Jugendlichen heimisch fühlen.“ Die Adidas Football Base, eine große jugend- und sportgerechte Halle, in der Uferstr. 8 in Berlin-Wedding ist einer dieser Orte, an denen die Jugendlichen gerne sind, wo junge Menschen kostenfrei unter anderem Fußball spielen können. An den Wänden hängen überdimensional einige der berühmten sportlichen Vorbilder. Jene, die es geschafft haben in dieser Gesellschaft, jene mit Migrationsbiographie, so wie sie viele der Jugendlichen auch haben.
Philosophie von Gangway
„Dahin gehen, wo die Jugendlichen sind. Sich treffen auf öffentlichen Plätzen und Straßen. Sich an ihren Interessen und Bedürfnissen orientieren. Als PartnerIn und Sprachrohr fungieren. Jugendlichen Perspektiven aufzeigen und Zugänge schaffen. Sie dabei unterstützen, ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.“ Das ist die Philosophie von Gangway und gleichzeitig ist es ihr Erfolgskonzept.
Gangway e.V. ist seit 25 Jahren für viele Jugendlichen eine existenzielle Anlaufstelle für viele Bereiche des Lebens und Lernens. Gangway, das sind vor allem auch die Streetwork-Teams in den einzelnen Berliner Stadtbezirken. So vielfältig wie ihre SozialarbeiterInnen sind auch die Jugendlichen und ihre Anliegen selbst. Trotz so mancher Herausforderung sind die Streetwork-Teams mit unermüdlichem Engagement im Einsatz. „Schließlich machen Herausforderungen unsere Arbeit aus“, erklärt Hüseyin Yoldaş aus dem Gangway Team Schöneberg.
Das Jubiläum
Elvira Berndt, Geschäftsführerin von Gangway e. V. begrüßte alle Gäste sehr herzlich, sprach allen WegbegleiterInnen, Jugendlichen, MitarbeiterInnen, KollegInnen, UnterstützerInnen und Fördernden aus der Landes- und Bezirkspolitik ihren Dank aus. Aus meinem Bezirk Tempelhof-Schöneberg gratulierten Marijke Höppner, Vorsitzende des Ausschusses für Jugendhilfe in der Bezirksverordnetenversammlung und Oliver Schworck, Bezirksstadtrat für Jugend, Ordnung, Bürgerdienste.
Als Vorsitzende der Herzen wurde Hanna Biamino geehrt. Ihrer Idee, Initiative und Engagement ist die Gründung von Gangway e.V. vor allem zu verdanken. Mich freut diese Ehrung sehr, zumal Hanna und mich die gemeinsame Zeit in den 80/90ern in der ehemaligen Jugendfortbildungsstätte verbindet.
Eröffnung der Spiele
Nach einen wahrhaft kurzen „offiziellen Teil“ ging es auch schon los. Bei super Stimmung hieß es: Sport frei. Vollen Einsatz zeigen sollten auch die Gäste der Gangway Games in der Adidas Football Base. Auf der gesamten Base hatten sich die MitarbeiterInnen verschiedene sehr kreative Aktivitäten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden ausgedacht. Die Gäste konnten unterschiedlichste Stationen absolvieren und beim Fußball, Kickern, Rollstuhlrennen, Körbewerfen, Tischtennis, Quiz, Rauschparcour u.v.m. Punkte für ihren Stadtteil sammeln. Für Schöneberg zu punkten für mich Ansporn genug um mich an nach einem arbeitsreichen Tag im Bundestag noch körperlich zu betätigen, in direkter Konkurrenz mit meinem FSJ-Pler Frederic, der für den Wedding an den Start gegangen ist.
Parallel zu den Gangway Games haben wir die künstlerischen Darbietungen auf der Open-Stage genossen und einen Rundgang durch die Ausstellung über die Geschichte und Arbeit der Gangway-Teams gemacht. Wunderbar aber auch, dass mensch sich bei Speis und Trank einfach von der sportlichen Betätigung und dem Anfeuern der eigenen Bezirksteams erholen konnte. Ein rundum gelungener Abend mit Sport, Spiel und Spaß.
Historie: „Gangway ist eine Antwort auf unsere Wut“
Am 15. Oktober 1990 setzte der erste Streetworker seinen Fuß auf die Straßen von Berlin. Ein Jahr zuvor hatten sich viele junge MigrantInnen in Kreuzberg versammelt, um sich, notfalls mit Gewalt, gegen Neonazis zu wehren. Die hatten anlässlich von Hitlers 100. Geburtstag zur "Jagd auf Türken" geblasen. Dieser Protest habe die Entscheidungsfindung, einen Verein für Straßensozialarbeit zu gründen und dafür Geld auszugeben, sehr beschleunigt, wenn nicht gar erst ermöglicht, erinnert sich Hanna Biamino, langjährige ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des Vereins in den ersten Jahren. "Gangway ist als Antwort auf unsere Wut entstanden", sagen einige der Streetworker bei Gangway, die damals häufig selber SympathisantInnen der in Berlin-West entstandenen multikulturellen Jugendgangs waren. Erst lieferten sie sich mit Skinheads blutige Auseinandersetzungen, dann bekriegten sie sich auch untereinander.
"Die Politik wollte, dass wir uns um die Gangs kümmerten, weil sie die meisten Probleme machten und wir wollten uns kümmern, weil die Migrantenjugendlichen die meisten Probleme hatten", so Hanna Biamino. Der Verein begann seine Arbeit in Kreuzberg, Wedding und Neukölln, schickte MitarbeiterInnen in Teams von drei, vier Personen auf die Straße, zu den Plätzen, wo sie Jugendliche antrafen, die Hilfe benötigten, aber bisher von Hilfen nicht erreicht wurden.
Eine aufsuchende Straßensozialarbeit war damals in Deutschland noch kaum verbreitet. Deshalb stand Trudee Able-Peterson, die in New York am Times Square die Straßensozialarbeit aufgebaut hatte, mit Rat zur Seite. Die Hälfte der StreetworkerInnen sollte nichtdeutscher Herkunft sein, um leichter ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen und sich in ihre Lebenswelt einfühlen zu können. Nach der Wende, 1992, kümmerte sich Gangway mit neun Streetworkern auch um rechtsextreme Jugendliche in Friedrichshain, Lichtenberg, Köpenick und Pankow. Inzwischen gibt es berlinweit zahlreiche Projekte, darunter das Hip-Hop-Plattenlabel Gangway Beatz. Oder "Legal Leben", das haftentlassenen Jugendlichen hilft, den Einstieg in ein geregeltes Leben zu finden und eine Fußball-Liga. Über 50 StreetworkerInnen sind auf den Straßen Berlins unterwegs - und neuerdings auch in sozialen Netzwerken wie Facebook. Auch heute noch haben die Jugendlichen mit Migrationsbiographie die meisten Probleme. Gangs sind heute nicht mehr das Problem. Es sei aber immer noch sehr schwer, die Jugendlichen in Ausbildung und Arbeit zu bringen.