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Besuch der Notunterkunft Flughafen Tempelhof

In den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof entsteht derzeit eine große Notunterkunft für geflüchtete Menschen. Bis Weihnachten sollen hier bis zu 4000 Menschen unterkommen. Der Berliner Senat und der Betreiber Tamaja Soziale Dienstleistungen GmbH richten dafür derzeit die Hangars her. Bis Weihnachten soll alles fertig sein. Weiterhin ist ab Februar 2016 der Aufbau einer temporären „Blumenhalle“ geplant, die 700 Geflüchteten Platz bietet. Diese Leichtkonstruktion mit lichtdurchlässiger Membran besteht aus Holzträgern, die auf einem Fundament aus Betonfertigteilen verankert werden. Aktuell wird prognostiziert, dass bis März ca. 5.000 Flüchtlinge in den insgesamt sieben Hangars untergebracht werden. Wenn die Infrastruktur, wie Sanitäranlagen, Strom und Heizung, ausreichend bereitgestellt gestellt wird, ist das wohl auch vertretbar. Es hängt vom Gesamtkonzept ab.

Bei meinem Besuch am 6. Dezember 2015, Nikolaustag, hatten in der Flughafen Tempelhof Notunterkunft bereits mehr als 2200 Geflüchtete eine erste Bleibe gefunden. Niemand würde die Infrastruktur - insbesondere im sanitären Bereich - als zufriedenstellend beschreiben, dennoch möchte ich nach meinem Rundgang durch die Hangars und über das Vorgelände sagen: Vieles ist auch bereits geschafft worden.

Ich danke Maria Kipp, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation, dass sie mir diesen Besuch am Nikolaustag ermöglicht hat. Mein persönlicher Eindruck: Die Flüchtlinge werden freundlich empfangen und auch freundlich behandelt - von den MitarbeiterInnen und auch von der Security.

Hangarhalle 1 - ein weißes Meer aus Zelten

In der rund 18 Meter hohen Hangarhalle 1 stehen 55  weiße Zelte, in denen jeweils eine oder zwei Familien untergebracht sind, zusammen 630 Menschen. Alleinreisende Männer leben in einem anderen Hangar. Viel Platz, um sich im Zelt mit in der Regel sechs Doppelstockbetten aufzuhalten, gibt es wahrlich nicht. Aufgebaut wurde alles in Hangar 1, 3 und 4 in einer zügigen Wochenendaktion von SoldatInnen der Bundeswehr, MitarbeiterInnen der Feuerwehr und Freiwilligen des Technischen Hilfswerks (THW). Die Zelte sind eine Übergangslösung, parallel wird Hangar 2 hergerichtet. Dorthin müssen die BewohnerInnen von Hangar 1 umziehen, da das Dach in Hangar 1 nicht überall dicht ist, wie gespannte Planen unschwer erkennen lassen. Hangar 2 und Hangar 3 und 4 bieten durch Stellwände entstandene kleinere Privaträume. Diese sind zwar nicht größer, aber bei den Geflüchteten beliebter als die Zelte. Auch beim Umzug bzw. dem Aufbau hier helfen die Technischen HelferInnen wieder.

Situation der sanitären Einrichtungen

Es gibt nur sehr wenige Toiletten: 151 Dixieklos sind im Außenbereich der Hangars aufgebaut. Bis auf aus Krankheitsgründen zu isolierende Menschen müssen alle anderen zum Duschen Schwimmhallen aufsuchen. So gibt es unter anderem zum Freibad Rixdorfer Straße, zum Schwimmbad am Sachsendamm oder in das Stadion im Volkspark Mariendorf mehrmals täglich Shuttlebusse. Ziel ist es, dass die Geflüchteten jeweils von MitarbeiterInnen begleitet werden, unter anderem zum Dolmetschen, unter anderem aber auch um mit den Haupt- und Ehrenamtlichen in den Bädern zu kommunizieren. Aber noch könne dieses nicht immer gewährleistet werden. Manchmal entstehe dadurch auch Chaos, informierte Maria Kipp.

Augenblicklich gilt: alle vier Tage ist der/die Einzelne dran. Es soll natürlich Abhilfe geschaffen werden: Im Hangar 4 habe ich auch viele betriebsfertige Duschkabinen (Toilette / Dusche/ Waschbecken) gesehen - sie waren aber noch nicht angeschlossen. Das ist auch nicht so einfach: Das ganze Gebäude ist denkmalgeschützt, die Leitungen sind für einen solchen Ge- und Verbrauch nie vorgesehen gewesen. In Hangar 4 wird bereits gebaut, aus den Kabinen ragen aber noch die Wasserschläuche. Es gibt Probleme mit Frisch-, Zu- und Abwasser. Für die Duschkabinen sollen in den Hangars gesonderte Wasserbecken angelegt werden.

Medizinische Erstversorgung

Es findet eine medizinische Erstversorgung vor Ort statt. Diese wird auch stark frequentiert: In einem Seitentrakt des ehemaligen Flughafens direkt neben dem Hangar 1 ermöglicht das Medizinische Katastrophen-Hilfswerk (MHW) Deutschland  e.V. einen ersten medizinischen Kontrollcheck. Es kommt regelmäßig ärztliches Personal in der Notunterkunft zur medizinischen Versorgung. Die kleine „Arztpraxis“ ist jeden Tag von 8.30 bis 17 Uhr geöffnet. Täglich werden ca. 100 PatientInnen versorgt. Um auch eine weitergehende medizinische Behandlung sicherzustellen, wie beispielsweise eine Röntgenaufnahme, müssen die umliegenden Krankenhäuser in Anspruch genommen werden. Gearbeitet wird derzeit an Verträgen mit dem kommunalen Gesundheitsdienstleister Vivantes und dem St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof.

Waschen, Kochen, Putzen

Dreimal am Tag kommt ein Caterer. Die Essenszeiten sind die wirklich „wichtigen festen Zeiten“ im Tagesverlauf. Niemand hat eigenes Geschirr oder Besteck, dieses wird jeweils mitgeliefert. Waschmaschinen gibt es nicht. Genutzt werden die umliegenden Waschcenter oder aber die Waschbecken, getrocknet wird die Wäsche auf Leinen in den Hangars. Fegen machen viele selbst.

Viele Ehrenamtliche unterstützen beim Spielen und Lernen

Es sind bereits Ehrenamtliche von „Tempelhof hilft“ aber aus auf dem Areal ansässigen Einrichtungen tätig, wie beispielsweise die Studierenden der auf dem Campus Tempelhof untergebrachten Sigmund Freud PrivatUniversität. „Ohne diese könnten wir unsere Arbeit nicht leisten“, resümiert Kipp. Derzeit wird an einem elektronischen Einlasssystem gearbeitet für die Geflüchteten, aber auch für die Ehrenamtlichen. Es sei ja notwendig zu wissen, wer sich hier aufhalte.

Neben den Hangarhallen sind weitere Räume, die unter anderem für Deutschkurse oder als Spielecken für Kinder genutzt werden. Am Ausbau einer sehr großen Spielehalle wird zusammen mit einem Architekten gearbeitet. Die Ausstattung erfolgt dann durch ein großes schwedisches Möbelunternehmen, welches auch in Schöneberg ansässig ist. Hier kann dann nach Herzenslust getobt werden. An einem Tisch helfen Ehrenamtliche den Geflüchteten „bei der deutschen Bürokratie“. Demnächst soll es pro 500 Geflüchtete eine/n EhrenamtskoordinatorIn geben, nach aktuellem Stand als vier/fünf weitere MitarbeiterInnen bzw. KoordinatorInnen für die aktuelle Flüchtlingsarbeit. Besonders umlagert sind die „Basisstationen“ zum Aufladen der Handys. Verständlicherweise wollen die Geflüchteten den Kontakt zu überall verstreuten Verwandten und FreundInnen nicht abbrechen lassen.

Wünsche und Pläne

Noch wird auf allen Ebenen über ein „Gesamtkonzept“ zur Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Tempelhofer Flughafen debattiert. Darüber soll auf einer BürgerInnenversammlung informiert werden. Dass diese noch nicht stattfinden konnte, hat zu mangelnder Transparenz geführt, wird selbstkritisch geäußert. Wann diese allerdings stattfindet, konnte ich nicht erfahren. Nach Meinung von Maria Kipp solle die Unterbringungszeit der Geflüchteten unter den derzeitigen Umständen auf höchstens zwei Wochen begrenzt werden. Das wäre tragbar. Nach dieser Zeit sollten sie allerdings in „richtige Heime“ verlegt werden. Leider sieht die Realität im Augenblick noch anders aus: Der Großteil der Geflüchteten verweilt hier bereits seit sechs Wochen. Ein besonderer Bedarf besteht an Weiterleitungsnotwendigkeiten für die besonders vulnerablen Gruppen: für alleinstehende und alleinerziehende Frauen, für unbegleitete Minderjährige, für Menschen mit Behinderungen.

Ganz praktische Probleme vor Ort

Zum Schluss meines Besuches kommt ein Geflüchteter auf mich zu und fragt mich, ob ich vom LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) sei. Glücklicherweise wurde ich von einem ehemaligen Praktikanten aus meinem Bundestagsbüro, Bashar Hassoun, begleitet, so dass mir übersetzt werden konnte. Bashar flüchtete selbst vor zwei Jahren aus Syrien und spricht mittlerweile wirklich gut Deutsch. Er schilderte mir, dass der Mann bereits registriert sei, aber an die seiner Familie zugedachten finanziellen monatlichen Leistungen nicht herankäme. Deshalb verbringe er jeden Tag Stunden am LaGeSo. Bei der Durchsicht seiner Unterlagen fanden wir heraus, er hat einen Termin: den 17. Februar. Makaber ist: Er kommt an kein Geld. Sein Anstehen beim LAGeSo ist aber auch völlig unnütz.

Maria Kipp begrüßt die Pläne zur Abschaffung des Windhundprinzips am LaGeSo. Geplant sei, dass die am weitesten zurückliegenden Fälle demnächst als erstes chronologisch bearbeitet werden. Ein nächtliches Ausharren in der Kälte sei dann nicht mehr notwendig. Für diesen konkreten Mann ist diese Nachricht dennoch kein wirklicher Trost, da er dennoch erst mal wieder warten muss.