Hauptmenü

„Es gibt keine Politiker, die Mathe unterrichten“ - Eine Willkommensklasse im Bundestag

 „Was ist ein Gesetz?“ - Interessiertes Gemurmel geht durch die Reihen.

Auf der Besuchertribüne: „Ein Gesetz ist wie eine Regel“

Wir befinden uns auf der BesucherInnentribüne im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes, einer Station während der Führung durch das Reichstagsgebäude.  Am 10. Februar 2016 besuchten mich SchülerInnen einer Willkommensklasse der Friedenauer Gemeinschaftsschule. Die zehn Jugendlichen im Alter zwischen 13-16 Jahren lauschen gebannt den Ausführungen der Mitarbeiterin des Besucherdienstes des Deutschen Bundestages. Alle Jugendlichen verbindet, dass sie erst fünf bis sieben Monate in Deutschland sind und die deutsche Sprache erst noch lernen müssen.

Die Mädchen und Jungen bekommen auf möglichst anschauliche Weise den parlamentarischen Prozess in der Demokratie erklärt. Da nicht immer sofort alles verstanden wird, unterstützen sich die Jugendlichen gegenseitig mit Übersetzen und Erklären. Ein Gesetz sei so etwas wie eine Regel, an die sich alle zu halten haben, führt die Mitarbeiterin aus und nimmt als alltägliches Beispiel, dass niemand bei Rot über die Ampel gehen darf.  Genauso gibt es auch in Deutschland Gesetze und Gebote für viele Lebenslagen, an die sich die BürgerInnen zu halten haben. Die gewählten Abgeordneten - diese Funktion musste mehrfach erklärt werden, da einige noch nie von „Abgeordneten“ gehört hatten) entscheiden über die Gesetze, die in Deutschland gelten.

Einige der hier im Plenarsaal debattierten Anträge und Gesetze sind den geflüchteten Jugendlichen sehr nah: „Wer kriegt Asyl? Wer nicht? Wie lange kriegt jemand Asyl? Wie viel Geld bekommt jeder?“ Die Jugendlichen merken, dass die Entscheidungen, die hier getroffen werden, direkte Auswirkungen auf ihr Leben haben. Ein Mädchen fragt: „Wie können die Abgeordneten denn das alles schaffen?“. Mit „alles“ meinte das Mädchen wohl die verschiedenen Politikbereiche von Verkehr, über Gesundheit bis hin zu Finanzen. Nach Aussagen der Mitarbeiterin sind Abgeordnete wie LehrerInnen. Jede/r LehrerIn hat ein oder zwei Unterrichtsfächer. Keine der PolitikerInnen unterrichtet Mathematik. Stattdessen gehören sie einem oder zwei Ausschüssen an, die jeweils unterschiedliche Themenfelder abdecken. Zum Beispiel gehöre ich dem Gesundheitsausschuss an. Da die Gesundheitspolitik selber auch ein sehr großer Bereich ist, haben wir die Aufgaben verteilt. Ich selbst bin zum Beispiel Berichterstatterin

  • für Pflege (Finanzierung, Pflegebedürftigkeitsbegriff, Pflegeversicherungsgesetz)
  • für Frauengesundheit
  • für reproduktive Gesundheit und sexuelle Vielfalt
  • für den Öffentlichen Gesundheitsdienst
  • für HIV/Aids.

Die ParlamentarierInnen des Deutschen Bundestages werden von Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft gewählt. Geflüchtete Menschen mit anderen Staatsbürgerschaften haben also leider kein Wahlrecht auch wenn sie in Deutschland leben.

Ein Mädchen stellte die nächste Frage: „Warum hängt dort eine blaue Fahne mit gelben Sternen?“ Die Mitarbeiterin des Besucherdienstes weiß auch darauf eine Antwort. Das ist die Flagge der Europäischen Union. Deutschland ist Teil der aus 28 Mitgliedsstaaten bestehenden Europäischen Union. Viele der im Europäischen Parlament verabschiedeten Gesetze sind in nationales Recht umzuwandeln. Die EU-Flagge ist ein Symbol der Zugehörigkeit. Da vielen der geflüchteten Jugendlichen der Name Angela Merkel bekannt ist, wurde natürlich gefragt, wo die Bundeskanzlerin denn sitzt. „Dort unten rechts, der Sitz mit der erhöhten Lehne, der Chefsessel.“

Das Kunstwerk „Der Bevölkerung“

Wir gingen nun von der Besuchertribüne ins Erdgeschoss und schauten uns von außen das Kunstwerk „Der Bevölkerung“ an. Die Mitarbeiterin erklärte den jungen Leuten, dass dieser formulierte Dativ ein Auftrag der Bürgerinnen und Bürger an die Abgeordneten sein soll, im Sinne der ganzen in Deutschland lebenden Bevölkerung zu entscheiden und zu handeln.

Russische Schriftzeichen

Als nächstes kommen wir an russischen Schriftzeichen vorbei, welche russische Alliierte nach der Eroberung Berlins 1945 im Reichstagsgebäude hinterlassen hatten. Warum sind die Schriftzeichen nicht schon längst weggemacht, fragte ein Mädchen. Diese sind ein Zeitzeugnis. „Sie erinnern uns an unsere Geschichte - und aus dieser sollen wir lernen“, so die Antwort.

Gemeinsames Gespräch im SPD-Fraktionssaal

Das nächste Ziel war die Fraktionsebene. Nach interessierten Blicken von oben in den Plenarsaal führte ich die Gruppe in den SPD-Fraktionssaal. Die Jugendlichen nahmen auf den Stühlen des Fraktions- und Parteivorsitzenden sowie der SPD-MinisterInnen Platz - und fühlen sich gleich wie die Großen in der Politik. Zum Mitnehmen erhielten die Mädchen und Jungen noch jeweils einen Bundestagsbeutel mit allerlei Wissenswertes über den Bundestag, mit dem Grundgesetz in deutscher und arabischer Sprache, mit einem Kugelschreiber.

Besonderes Interesse weckte der Fries „Der rot-weiße Karren“ von Hella De Santarossa. Erzählt wird darin die Geschichte der SPD ab dem Jahre 1863. Die Website http://www.hellasantarossa.de/hs2/f3/hs204f3.htm zum „rot-weißen Karren“ ist interaktiv. Werden die einzelnen Bilder angeklickt, wird der Zeitraum, für dass das Bild steht, angezeigt.

Strahlender Sonnenschein auf der Kuppel

Zu guter Letzt gingen wir noch auf die Reichstagskuppel und genossen bei schönsten Sonnenstrahlen die wunderbaren Aussichten. Das gemeinsame Gruppenfoto werden alle als Andenken erhalten.

Ich hoffe, dass die Jugendlichen einen Einblick in die Politik gewonnen haben und wünsche ihnen für die Zukunft alles Gute!