Sechs Tage nach dem Angriff auf den LGBT-Club "Pulse" in Orlando fand vor dem Brandenburger Tor eine Mahnwache statt, an der tausende Menschen teilnahmen. Sie alle gedachten an diesem 18. Juni der 49 Ermordeten, der vielen Verletzten und all ihren Familien und FreundInnen. Fest steht: Der Attentäter des Massakers wusste, dass er im „Pulse“ lesbische, schwule, bisexuelle und transgender Menschen trifft.
Berlin für Orlando
Bis zu ihrer Ermordung hatten die getöteten homo- und bisexuellen und transgender Menschen ein Leben. Mit Gesicht und Namen wurden Schilder pro Mensch hochgehalten, ihre Namen wurden einzeln zusammen mit den traurigerweise zumeist sehr kurzen Lebensgeschichten vorgestellt - die 49 Mitglieder der LGBT-Community waren somit unter uns. Ich danke Margot Schlönzke und Ryan Stecken für die Organisation der ausdrucksstarken Veranstaltung auf dem Pariser Platz - vor der amerikanischen Botschaft und vor dem in Regenbogenfarben beleuchteten Brandenburger Tor. Sie ermöglichten es der Community und allen BerlinerInnen gemeinsam zu trauern, gemeinsam ein Zeichen der Solidarität und damit auch der Stärke zu setzen - weltweit.
Seine Freude über die tausende Anwesenden brachte auch der amerikanische Botschafter John B. Emerson zum Ausdruck. Er erinnerte daran, dass erst vor einem Jahr hier auf dem Pariser Platz die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Amerika gefeiert worden wäre. Nun seien wir angesichts des größten Massakers in den USA hier, um einem sinnlosen Akt der Gewalt und des Hasses zu gedenken. Emerson erinnerte auch an die Ermordung der britischen Parlamentarierin Jo Cox vor drei Tagen. Emerson: Es ist eine herzbrechende Woche für "alle von uns, die unsere Mitbürger lieben und sich um sie sorgen". Gedacht habe ich auch des ermordeten Polizisten und seiner Ehefrau in Frankreich. Auch die Pariser Botschaft liegt am Pariser Platz.
Das „Pulse“ ist nicht nur irgendein Nachtclub sondern bedeutete Hoffnung für viele Mitglieder der LGBTIQ-Community. Für einige der Gäste ersetzte die „Pulse-Family“ eigene Familie, wenn diese die Homosexualität ihrer Kinder, ihrer Geschwister nicht akzeptieren wollten und sich von ihnen abgewandten. Im „Pulse“ sei niemand verurteilt worden, sondern jede und jeder sei für den anderen da gewesen, berichtete Mr. Gay Florida.
Das gemeinsame Abschlusslied war John Lennons „Imagine“ (in deutscher Übersetzung)
Stell dir vor, es gibt den Himmel nicht,
Es ist ganz einfach, wenn du's nur versuchst.
Keine Hölle unter uns,
Über uns nur das Firmament.
Stell dir all die Menschen vor
Leben nur für den Tag.
Stell dir vor, es gäbe keine Länder,
Das ist nicht so schwer.
Nichts, wofür es sich zu töten oder sterben lohnte
Und auch keine Religion.
Stell dir vor, all die Leute
Lebten ihr Leben in Frieden.
Yoohoo-Ooh
Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
Aber, ich bin nicht der einzige!
Und ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
Und die ganze Welt wird eins sein.
Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr.
Ich frage mich, ob du das kannst.
Keinen Grund für Habgier oder Hunger,
Eine Menschheit in Brüderlichkeit.
Stell dir vor, all die Menschen,
Sie teilten sich die Welt, einfach so!
Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
Aber, ich bin nicht der einzige!
Und ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
Und die ganze Welt wird eins sein.
Solidarität in brutalen Zeiten
Bereits am Montag hatten zahlreiche Menschen Blumen vor der US-Botschaft niedergelegt, so auch ich. Der Berliner Senat hat als sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Opfern von Orlando das Brandenburger Tor in Regenbogenfarben beleuchten lassen. Damit sende die deutsche Hauptstadt "ein Signal des Mitgefühls", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. In Regenbogenfarben erstrahlte am Samstagabend auch der Funkturm. De Messe Berlin, eine Unterzeichnerin der „Charta der Vielfalt“, wollte, dass der Funkturm auf dem Messegelände zum symbolischen Mahnmal des Attentats von Orlando wird.
Bundeskanzlerin Merkel verurteilte die Homophobie in der Gesellschaft. "Deshalb will ich noch einmal deutlich machen, dass mein Denken und Handeln davon geleitet ist, dass unser Leben in offenen und freien Gesellschaften vom Respekt gegenüber dem jeweils anderen geprägt sein muss, egal was er glaubt, egal wie er aussieht und egal wen er liebt." Gegen die Intoleranz, gegen den vielfachen Hass gegen Homosexuelle fanden weltweit Mahnwachen statt.
Meine Hoffnung
Bei Massakern dieser Art müssen wir mahnen. Für unsere Gesellschaft ist es wichtig, dass wir alle lernen, Menschen in ihrer jeweiligen sexuellen Identität zu akzeptieren. Ich fordere die CDU/CSU auf, ihren Widerstand gegen die Gleichstellung von homosexuellen, intersexuellen und transgender Menschen mit heterosexuellen Menschen aufzugeben. In unserem Rechtsstaat sind Gesetze wichtig. Um Gleichstellung im Alltag zu erwirken, brauchen wir aber auch ein mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Ich kämpfe dafür, dass die Liebe und Hoffnung die Angst und die Furcht überwinden wird. Ich kämpfe für eine menschliche Gesellschaft unter Gleichen.
Foto: Brigitte Dummer