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„Eine Wunde in der Stadt“ Trauern - Zusammenstehen - der Menschlichkeit Raum geben

Mit einem Ökumenischen Gedenkgottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gedachten über 800 Menschen der Opfer des Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz, der sich nur wenige Meter entfernt ereignete. Teilgenommen haben der Bundespräsident, sämtliche Mitglieder des Bundeskabinetts und des Berliner Senats, viele Parlamentarier*innen von Bund und Land, aber auch viele Schausteller*innen, Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Akteure und religiöser Gemeinschaften, viele Berliner*innen. Zweiundzwanzigeinhalb Stunden nach dem Attentat fassten sich Bürger*innen, Christ*innen, Jüd*innen, Muslime in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche an den Händen und gedachten der Toten und Verletzten mit einer Schweigeminute.

"Wofür leben wir, wofür sterben wir?"

"Wir haben Angst um diese Welt", sagte Archimandrit Emmanuel Stiatka für die griechisch-orthodoxe Kirche. Die Gewalt breche sich hemmungslos Bahn. Der katholische Erzbischof Heiner Koch griff "die Nacht des Terrors, der Angst, des Sterbens, der Verzweiflung" auf, verband diese mit der "Nacht in Aleppo", mit der "Nacht des Hungers". Er erinnerte daran, dass es auch Nacht war, als in Bethlehem ein Stern die "Weih-Nacht" angezeigt habe. Viele hatten Tränen in den Augen, als die Sängerin Jocelyn B. Smith singend fragte: "Wofür leben wir, wofür sterben wir?"

"Wir geben dem Terror nicht dadurch Recht, dass wir uns entzweien lassen, nur weil wir in verschiedenen Kulturen leben" betonte der evangelische Landesbischof Markus Dröge. Imam Ferid Heider rief dazu auf, ein "klares und deutliches Zeichen" auszusenden, "dass uns Hass, Terror und Gewalt nicht auseinanderbringen können".

Bischof Dröge erinnert daran, dass die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sowohl Mahnmal für den Frieden als auch Erinnerungsort ist. Als eines der Nagelkreuzzentren hat sie sich der Versöhnungsarbeit und des ökumenischen und interreligiösen Austausches verschrieben. "Wir werden unbeirrt bezeugen, dass die Kraft der Versöhnung stärker ist", sagt er. Dafür steht auch eines der zentralen Exponate der Kirche: das Nagelkreuz von Coventry - jene Stadt, die deutsches Militär im Zweiten Weltkrieg so barbarisch zerstörte. Das Kreuz ist ein Zeichen der Versöhnung, "die Kraft der Versöhnung ist stärker als der Hass", sagt Dröge. Und fuhr fort: "Mit dieser Botschaft werden wir die Gewalt überwinden".

Eine eindeutige Botschaft: "Hass darf und kann nicht unsere Antwort auf Hass sein"

Das interreligiöse Berlin, das politische Berlin, das Berlin der Berliner*innen, das Berlin der Geflüchteten, das Berlin der Tourist*innen - wir alle trauern gemeinsam. Wir alle gedenken der Opfer gemeinsam. Wir alle stehen hinter der Botschaft: "Hass darf und kann nicht unsere Antwort auf Hass sein". Wir werden unseren freiheitlichen, offenen und toleranten Lebensstil nicht aufgeben. Wir beugen uns nicht dem Terror – so auch der Tenor der Rede des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller. Das Ziel der Täter sei klar. Sie wollten Angst und Hass verbreiten. "Hass darf und kann nicht unsere Antwort auf Hass sein", sagte Müller. Er erinnerte daran, dass das Brandenburger Tor schon in so vielen Farben von Ländern erleuchtet worden sei, die Opfer von Terror wurden. "Heute in den Farben Berlins."

"Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr"

"Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr", lautete eine Zeile des Schlussliedes von Jochen Klepper, dem Berliner Dichter und NS-Widerstandskämpfer. Das Zusammensein gab Trost und Hoffnung.

Anschließend haben sich viele Menschen - so auch ich - in das vor dem Altar stehende Kondolenzbuch eingetragen.

Die im Kriege zerstörte  Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ist als Wunde und Mahnmal erhalten worden – und ist nun als Ort der Besinnung und Anteilnahme wichtig für alle, die „Trauer und Wut" spürten. Hier aber auch an vielen Stellen auf dem Weihnachtsmarkt werden Blumen niedergelegt. Es wird gemeinsam gesungen, so beispielsweise vom Chor der Gedächtniskirche Everybody Can Sing und der Berliner Begegnungschor, in dem Geflüchtete gemeinsam mit Berliner*innen singen. Ein wichtiges Zeichen der Gemeinschaft und Solidarität.