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„Darüber spricht man nicht“ - das Jugendforum denk!mal erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus

„Nichts ist verloren - wenn Du es erzählst“ ist das Motto des Jugendforums denk!mal. Anlässlich des Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 1945, an dem an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz gedacht wird, erinnert das Abgeordnetenhaus von Berlin bereits schon zum 14. Mal an die Menschen, die von den Nationalsozialisten ausgegrenzt, verfolgt, misshandelt oder ermordet wurden.

Am 18. Januar 2017 war ich eingeladen, gemeinsam mit dem Jugendforum denk!mal an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Dieses geschah durch ein wunderbar buntes Abendprogramm als auch durch die Eröffnung einer Ausstellung im Casino des Abgeordnetenhauses von Berlin. Dieses Jahr wurde der Fokus auf die Gruppe der homosexuellen Menschen gelegt. Begleitet wurde ich von meiner Praktikantin Julia Gal.

Lesben und Schwule als Opfer des Nationalsozialismus

Lange Zeit wurde gesellschaftlich ausgeblendet, dass Homosexuelle von den Nationalsozialist*innen genauso polizeilich erfasst, verfolgt und ermordet wurden wie beispielsweise Jüd*innen oder Menschen mit Behinderungen. Als offizielle Opfergruppe wurden Lesben und Schwule nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht erkannt, da sie „als zu Recht verurteilt“ wahrgenommen wurden. Dabei begann bereits 1934 ihre systematische Verfolgung. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslagern verschleppt. Dort mussten sie rosa Stoff-Winkel tragen, die sie zur Erkennung ihrer Homosexualität sichtbar an der KZ-Häftlingskleidung anbringen mussten. In der Hierarchie der Häftlinge befanden sie sich am unteren Ende.

Die Verfolgung der Homosexuellen in der Nazi-Zeit war lange ein gesellschaftliches Tabu-Thema. So beschloss der Deutsche Bundestag erst im Jahr 2002 mit rot-grüner Mehrheit die Aufhebung der Nazi-Unrechtsurteile. Und erst jetzt gibt es ein von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) initiiertes Gesetzgebungsverfahren zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen.

„Vergessen ist leicht - erinnern nicht immer“

Die Jugendlichen und junge Erwachsene zeigten mittels vieler, vielfältiger und vielschichtiger Projekte in imponierender Weise auf, in welch unterschiedliche Weise ein Erinnern stattfinden kann. Auf dem Abendprogramm und in der Ausstellung wurden klare Zeichen gesetzt: Zeichen gegen Homophobie, Antisemitismus, Rassismus und Gewalt. So wurde in einem Theaterstück dargestellt, wie der heute noch lebende jüdische Zeitzeuge Berl Kostinski sich im Laufe der NS-Zeit mehrere Identitäten zulegen musste, um den Nationalsozialismus zu überleben. Es wurde auch ein aktuelles, sehr gelungenes Filmprojekt einer neunten Klasse gezeigt, in dem sich eine Tochter gegen die Anti-Haltung ihrer Eltern zu Geflüchteten stellt. Der Film hat den Film-Ideenwettbewerb „Klappe gegen Rassismus“ gewonnen.

Darüber spricht man wohl

In der Diskussionsrunde mit (Berufs-)Schüler*innen verschiedener (Berufs-)Schulen berichteten die jungen Menschen von ihren Projekten. So hatte der Grundkurs Kunst des Carl-Friedrich-von-Siemens-Gymnasiums aus Berlin-Spandau eine Gedenktafel für die Spandauer Synagoge kreiert und erläuterte den Prozess der Material- und Designauswahl.

Aus dem Oberstufenzentrum I der Knobelsdorff-Schule, Berlin-Haselhorst, erzählten zwei Jugendliche, die dort ihre Tischler-Lehre absolvieren, dass die Schule über eine Kooperation mit dem KZ Mauthausen in Österreich verfüge, sodass dort jedes Jahr Restaurierungsarbeiten durch die Schule ausgeführt werden. „Die erste Woche ist schwer. Die Eindrücke erzeugen eine bedrückende Stimmung.“, schilderte einer der Berufsschüler, der dort die Fenster restaurierte. In der zweiten Woche habe er sich dann aber auf die Arbeit an sich konzentriert und versucht, das KZ als normalen Arbeitsplatz zu sehen.

Aus dem Verein Schreibende Schüler e.V. stellte ein Schüler ein Projekt vor, das die Sprache genauer unter die Lupe nimmt. „Oft merkt man gar nicht, wie diskriminierend die Worte, die man verwendet, eigentlich sind“, erzählte er. Ziel des Projektes ist, dieses zu reflektieren, diskriminierende Wörter auszuschließen und im Zweifel neue, wertfreie Wörter zu kreieren.

Die jungen Menschen berichteten, auf irgendeine Weise alle schon mit Diskriminierung in Berührung gekommen zu sein. Sei es auch nur auf sprachlicher Ebene, wenn ausschließlich in männlicher Form gesprochen werde, obwohl beide Geschlechter gemeint sind.

„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart“

Die Veranstaltung und der anschließende Rundgang in der Ausstellung zeigte, mit welcher Begeisterung diese engagierten Jugendlichen sich gegen das Vergessen und für eine tolerante und bunte Gesellschaft stark machen. Und einiges hat sich auch schon getan. Neben der Erinnerung an das Vergangene veranschaulichte der Zirkus Internationale e.V. mit seiner Zirkusdarbietung „Nevo Trajo - Neues Leben“ mit Roma- und Nicht-Roma-Kindern, dass Integration heute gemeinsam erfolgreich gestaltet werden kann.

Besuchen Sie die Ausstellung im Berliner Abgeordnetenhaus

Die sehenswerte Ausstellung ist noch bis zum 23. Januar 2017 im Casino des Abgeordnetenhauses von Berlin an Wochentagen von 9 Uhr bis 18 Uhr zu sehen. Hier sind Filme zu sehen, Skulpturen zu bewundern, Tonaufnahmen zu hören oder Fotos zu betrachten. Dank der kreativen Projekte der Jugendlichen können wir alle viel über die Geschichte des Nationalsozialismus lernen.