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Landesfrauenrat Berlin: Zukunft der Pflege in Berlin - Pflegearbeit neu bewerten!

Dem Landesfrauenrat Berlin e.V. (LFR) gehören derzeit 43 Mitgliedsorganisationen an - Frauenprojekte, Berufsverbände, Gewerkschaften und Frauengruppen politischer Parteien, konfessionell gebundene und kulturorientierte Vereinigungen, Unternehmerinnenverbände sowie Gruppen zur Freizeitgestaltung. Ich freue mich sehr, dass dieses wichtige Frauengremium sich dem Thema Pflege in Berlin zuwendet. Auch in Berlin ist Pflege eine Herausforderung für sehr viele Politikfelder, nicht nur an die Versorgungsstrukturen. Im alltäglichen Leben ist Pflege immer noch eine überwiegend an Frauen gerichtete Herausforderung für Jüngere und Ältere, als professionell Pflegende, als pflegende Angehörige, als Pflegeempfangende.

Dass die Pflegearbeit in Deutschland nach wie vor gesellschaftlich wenig anerkannt und gering bezahlt wird, ist weithin bekannt. Die LFR-Frauen sind überzeugt, dass sich das ändern muss. Aus diesem Grunde luden sie am 22. Mai Barbara König (SPD), Staatssekretärin für Pflege und Gleichstellung in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, zum Plenum im Unternehmerinnen-Centrum West ein. Wie kann die zumeist von Frauen geleistete Pflegearbeit zukünftig besser anerkannt, höher bewertet und angemessener entlohnt werden, lautete die Grundfrage. Grundlage des Gespräches war die sehr gute Stellungnahme „Zukunft der Pflege in Berlin – Frauenarbeit neu bewerten!“. Diese war im Vorfeld aus dem Kreis der Delegierten des Landesfrauenrats Berlin erarbeitet worden.

„Es gibt Synergien zwischen Pflege und Gleichstellung“

Augenblicklich erhalten 116.000 Menschen in Berlin Leistungen der Pflegeversicherung. 2030 wird ihre Zahl bereits auf 170.000 geschätzt. Wahrscheinlich ist die Zahl derjenigen, die Unterstützung und Betreuung erhalten in der Realität noch höher. Sowohl bei den zu Pflegenden als auch bei den Pflegenden liegt der Anteil der Frauen bei mindestens Zweidrittel. Dabei ist auch auf die Vielfalt der Anforderungen von Teilgruppen zu achten: den Bedürfnissen der über 80+-Jährigen, denen der Menschen mi verschiedenen sexuellen Identitäten, Herkünften und Religionen und vor allem den vielen Singles. Sichtbarer zu machen sind auch die Bedürfnisse der Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern pflegen. Grundsätzlich gilt: ambulant vor stationär. Wir haben einen hohen Anstieg der Tagespflege – hier müsse noch genauso mehr geschehen wie beim Ausbau der innovativen Pflegesettings in den Wohngemeinschaften, so die Staatssekretärin. Eine für alle solidarische, nachhaltige und weltoffene Pflege hat in der rot-rot-grünen Landespolitik einen hohen Stellenwert.

„Die Arbeit der Beschäftigten muss aufgewertet werden“

Der sehr heterogene Pflegemarkt funktioniert hinsichtlich guter Arbeitsbedingungen für Beschäftigte derzeit nicht sehr zufriedenstellend. Es gäbe Gehaltsunterschiede von bis 2.000 EURO brutto, die Tarifbindung sei sehr gering. In der Altenpflege werde durchschnittlich 20 Prozent weniger verdient als in der Krankenpflege. Der Organisationsgrad der Beschäftigten ist gering. Hier seien dringend Veränderungen erforderlich, so die Staatssektretärin. Das betriebliche Gesundheitsmanagement, die generalistische Ausbildung, eine höhere Wertschätzung und Entlohnung seien notwendig.

„Die pflegenden Angehörigen im Blick behalten“

In Berlin pflegen schon jetzt mindestens 170.000 Angehörige Familienmitglieder. Eines der wichtigsten Ziele sei es, den Spagat bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für die pflegenden Angehörigen zu reduzieren. Politischerseits wolle die rot-rot-grüne Landesregierung im Bundesrat noch weitere Initiativen starten. Familiäre Pflege müsse, wie auch die Kinderbetreuung, durch einen Ausbau der notwendigen Infrastruktur gestärkt werden. Berlin habe durchaus schon viele positive Maßnahmen zur Entlastung und Unterstützung pflegender Angehöriger: u.a. Pflegestützpunkte, Fachstellen für spezifische Bereiche der häuslichen Pflege, spezielle Beratungsangebote wie Pflege in Not, niedrigschwellige Betreuungsangebote, ambulante Pflegedienste, Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen und die Kontaktstellen Pflege-Engagement. Aber es gibt auch noch vieles zu tun, damit dem Bedarf entsprochen wird, so zum Beispiel bei der Tages- und Nachtpflege. Zwar ist mit der Familienpflegezeit schon einiges zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf im Hinblick auf zeitliche Flexibilität geleistet worden. Als Sozialdemokratin wolle sie aber einen Ausbau der Lohnfortzahlungen - eine Forderung der Staatssekretärin, die ich nur unterstützen kann. Vor allem müssten noch Lösungen gefunden werden für Frauen, die in kleineren bzw. in mittelgroßen Betrieben (KMU) arbeiten.

Was kann die Landespolitik von sich aus tun?

Sie könnte zum einen ihre Rolle in den Vertragsverhandlungen schärfen, sich mit den Kranken- und Pflegekassen ins Benehmen setzen und auf Bundesebene für Veränderungen sorgen. Als Träger von Landesunternehmen - Vivantes, Charité – gelte es mit gutem Beispiel voranzugehen. Außerdem kann die Landespolitik mit Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz und des Empowerments voranschreiten, so Barbara König.

Auf weitere sich an die Bundes- und Länderebene richtende Politikempfehlungen verweist auch die Friedrich-Ebert-Stiftung in ihrem jüngst erschienenen Gleichstellungs-Statement „Zukunftsbranche soziale Dienstleistungen – Höchste Zeit für die Aufwertung“.

Bei den laufenden und immer wieder in Nachverhandlung befindliche Vertragsverhandlungen treffen Leistungs- und Kostenträger aufeinander. Die Landesregierung nimmt an diesen als Sozialhilfeträger teil. Kontinuierlich ansteigend sind Personalkosten, Sachkosten aber auch Investitionskosten. Um die Einnahmeseite zu stärken stehen aus Sicht des Landes Berlin zwei Möglichkeiten zur Verfügung: entweder Beitragsanhebungen oder aber die Einführung der Bürger*innenversicherung.

In Berlin gibt es rund 600 ambulante Pflegedienste. Um Pflegebetrug zu verhindern, werden rund 10 Prozent von ihnen jeweils jährlich stichprobenhaft kontrolliert. Bei wiederum 10 Prozent von diesen habe es Beanstandungen gegeben. Diese seien der Polizei und der Staatsanwaltschaft gemeldet worden. Pflegebetrug werde nicht geduldet, das ist einhellige Meinung des Runden Tisches Leistungsmissbrauchs.

Zwar ist in Berlin das Schulgeld für die Altenpflege-Ausbildung schon abgeschafft worden, dieses soll aber flächendeckend in der Bundesrepublik so sein. Hinsichtlich einer Ausbildungsumlage wird an einer Landesinitiative gearbeitet.

Es müsse selbstbewusst mit Zahlen hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben umgegangen werden. Es müsse viel stärker aufgezeigt werden, dass es am Ende viel teuer wird, wenn wir jetzt nichts tun.

Das Thema Personalbemessung ist auch von hoher Dringlichkeit für die Landesregierung.

In der Diskussion wurden insbesondere folgende Fragen gestellt bzw. Aussagen getroffen:

  • Welche Initiative unternimmt die Landesregierung zur besseren Bezahlung von Beschäftigten in der Pflege – sei es ggf. auch Außen- oder Querfinanzierungen?
  • Wie soll die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der tariflichen Bezahlung von in der Pflege Tätigen finanziert werden?
  • Wo sieht die Landesregierung ihren Hauptschwerpunkt hinsichtlich einer Verbesserung der Gesundheitsberufe?
  • Wie steht die Landesregierung zur Pflegekammer?: Hier hat sich die Politik noch nicht entschieden.
  • Die unterschiedlichen Bildungs- und Berufsstrukturen führen auch zu Abwerbungen zwischen Brandenburg und Berlin. Wie positioniert sich die Berliner Landesregierung hierzu?
  • Wie will unser Land mit Älteren, mit Pflegebedürftigen umgehen?: Dahinter steht auch die Frage: Was ist uns soziale Arbeit wert? Das längere Gesundbleiben ist ein zentraler gesundheitlicher Fortschritt. In den Betrieben sind Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation zu stärken
  • Wer kontrolliert die zahlreichen Wohngemeinschaften?

Fast einhellig wird die Pflegekammer von den Anwesenden unterstützt. Wir bräuchten sie auch, es könne nicht länger sein, dass die Pflege, die größte Gruppe im Gesundheitswesen, nur ehrenamtlich und unentgeltlich vertreten wird. Die Heilberufe in Deutschland auf bei den fachinhaltlichen und wissenschaftlichen Aspekten eine stärkere Vertretungsmacht durch sich selbst verdient. Die Aufgaben der Gewerkschaften liegen bei anderen Punkten.

Ich selber habe auch noch das große Problem der unfreiwilligen Teilzeit und die dringende Notwendigkeit einer systematischen Fort- und Weiterbildungsstruktur thematisiert und bin damit auf viel Unterstützung gestoßen. Als noch zu klärende Herausforderungen werden die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sowie die Verbesserung der vertikalen und horizontalen Durchlässigkeit benannt.   

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2017 05 19 Stellungnahme Pflegearbeit.pdf112.96 KB