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„Europa ist ein Schatz“

Europa wird erst beweint, wenn es nicht mehr da ist. Diese Tränen möchten wir verhindern, deshalb haben Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des Europäischen Parlaments und ich am 16. Juni 2017 interessierte Bürger*innen zur Veranstaltung „Europa sind wir, Europa braucht Dich! Mach mit“ in das Europäische Haus geladen. Gemeinsam mit unseren Podiumsgästen Federico Quadrelli, Christiane Pecek und Dr. Alexander Freiherr Knigge diskutierten wir über die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation Europas.

Vorher haben viele Teilnehmende die Gelegenheit genutzt, sich die wirklich gelungene kostenfreie Dauerausstellung „ERLEBNIS EUROPA“ im Europäischen Haus, Unter den Linden 78, Nähe des Brandenburger Tores anzuschauen. Die Ausstellung vermittelt direkte Einblicke in die Arbeit und die Geschichte der Europäischen Union und in das Alltagsleben in anderen EU-Ländern. Sie können hier erleben, wie europäische Politik gestaltet wird und wie Sie selbst aktiv werden können. Und das in 24 europäischen Sprachen! Schauen Sie vorbei.

Die Europäische Idee verteidigen

In der Veranstaltung haben wir gemeinsam mit unseren Gästen die Perspektiven Europas aufgezeigt und Vorschläge für ein starkes, demokratischeres und sozialeres Europa diskutiert. Gemeinsam war uns die Haltung, dass die europäische Idee und ihre Werte mehr denn je entschieden verteidigt werden müssen. Die europäische Idee und ihre Werde sind durch das Erstarken rechter Kräfte und Parteien, auch bei uns in Deutschland, bedroht. Die neuen rechten und nationalistischen Parteien sind eine Gefahr für Deutschland und Europa. Gerade Deutschland und Frankreich haben eine spezifische Verantwortung in und für Europa. Wir brauchen ein sozialeres und demokratischeres Europa. Wir wollen massive Investitionen tätigen, um die Geißel Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. Europa war und ist auch Antriebskraft für eine aktive Frauen- und Gleichstellungs- und Genderpolitik. Dafür bin ich sehr dankbar.

Die europäische Idee pulsiert in Berlin: #PulseofEurope

Seit Mitte Februar sind die Leute wöchentlich für Europa auch in Berlin auf die Straße gegangen, erzählte Dr. Alexander Freiherr Knigge. Er ist einer der Organisator*innen der #PulseofEurope-Bewegung. Im Organisationsteam sind engagierte Menschen aus vielen Nationen vertreten. Inzwischen findet jeden 1. Sonntag im Monat eine Demonstration auf dem Gendarmenmarkt statt. Und der Funkte ist übergesprungen - die Puls of Europe-Demonstrationen gibt es mittlerweile in 120 Städten in 20 Staaten. Auch wenn jemand gerade nicht in Berlin ist, gibt es keine Ausrede mehr, nicht an den Puls of Europe-Veranstaltungen teilzunehmen. Puls of Europe ist überparteilich und versteht sich als eine europäische Bürger*innenbewegung, die einen Impuls für eine europäische Zivilgesellschaft setzen möchte. So soll über die Vorteile von Europa besser aufgeklärt und ein besseres Verständnis füreinander geschaffen werden. Wer Europa seine Stimme geben möchte und die europäische Idee unterstützen will, hat am Sonntag, dem 2. Juli, um 14:00 Uhr wieder die Möglichkeit auf dem Gendarmenmarkt Teil der europaweiten Puls of Europe-Bewegung zu werden und für die europäischen Werte einzustehen.

Europa ist ein Friedensprojekt

Der sozialistische Staatspräsident Frankreichs Francois Mitterand warnte 1995 in seiner Abschiedsrede vor dem Europäischen Parlament „Le nationalisme c’est la guerre“. Die lange Friedensperiode in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg ist alles andere als selbstverständlich. Nationalismus ist der erste Schritt zum Krieg, erklärte auch Christiane Pěček, Vorsitzende der französischen Parti Socialiste in Berlin. Warnend verwies sie auf das Beispiel Jugoslawien. Hier habe sich gezeigt, dass Krieg sehr schnell entstehen kann.

„Europa wird erst beweint, wenn es nicht mehr da ist“, sagte die pensionierte Grundschullehrerin nach den Erfahrungen mit dem Brexit. Der Brexit und die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten haben jetzt viele wachgerüttelt.

Europa ist ein Schatz

„Warum ist Europa für mich so wichtig? Was bedeutet Europa für mich?“, so die selbstgestellte Frage des begeisterten Europäers Federico Quadrelli zu Beginn seiner Ausführungen.

Federico Quadrelli ist hier in Berlin Vorsitzender der italienischen Partito Democratico. Er begann mit einer sehr persönlichen Geschichte und erzählte von den Kriegserlebnissen seiner Großmutter in der Toskana. Sie verband die Deutschen mit den Kriegsverbrechen, die die Nazis in ihrem Dorf verübt haben. Für seine Oma war die deutsche Sprache synonym mit Ausgrenzung und Angst.

Für Quadrelli bedeutet Europa Frieden und Inklusion, Europa steht für Hoffnungen, Chancen, die vielfältigen Möglichkeiten unsere Leben zu verbessern und in Sicherheit glücklich zu werden. Europa ist der größte Schatz.

Europa ist nicht perfekt. Doch die Rechtspopulist*innen geben keine Antworten, sie schüren nur Ängste und Hass.

„Europa sind wir, Europa braucht Dich! Mach mit“

Was kann jede/r für Europa tun? Diese Frage stellte die Europaabgeordnete Dr. Sylvia-Yonne Kaufmann (SPD) in den Raum. Damit Europa sich weiterentwickeln kann, braucht es jeden einzelnen von uns, erklärte Quadrelli. Jede und jeder solle sich so viel wie möglich engagieren.

Wir müssen zunächst an unserer persönlichen Haltung arbeiten und verstehen, dass wir Europäer*innen sind, betonte Knigge. Das, was in anderen Ländern, in den Niederlanden oder Rumänien passiert, geht uns hier auch etwas an. Solange auf dem Gendarmenmarkt noch Platz ist, können alle mit demonstrieren gehen, ermutigte Knigge.

Christiane Pěček hat sich in ihrer Zeit als ehemalige Grundschullehrerin erfolgreich für den Aufbau der "Staatlichen Europa-Schule Berlin" (SESB) als kulturübergreifende und sprachintensive Begegnungsschule stark gemacht.

engagiert. Hier lernen Schüler*innen mehr als Sprachkenntnisse. Sie lernen auch viel über die Kultur und das Leben im jeweiligen Partnerland, lernen schon früh, dass Verstehen die beste Voraussetzung für Verständnis und Toleranz ist.

Was ist der konkrete Nutzen von Europa?

Vielen fehlt das Gefühl Europäer*in zu sein. Die Privilegien und Vorteile, die ein Leben in der Europäischen Union mit sich bringt, werden als selbstverständlich wahrgenommen - obwohl sie das nicht sind. So wurde in der Diskussion die Frage aufgeworfen, wie der konkrete Nutzen von Europa für jede und jeden von uns verständlicher gemacht werden kann.

Auf der letzten Puls of Europe-Demonstration wurde die Idee eines Europäischen Feiertags geboren, berichtete Knigge. Diesen Vorschlag nahm Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann auf. Sie erzählte aus ihrer Erfahrung als Mitglied des Europäischen Verfassungskonvents, dass bereits im Jahr 2003 der 9. Mai als europäischer Feiertag für die Europäische Verfassung vorgesehen war. Leider konnte dieser Vorschlag nicht durchgesetzt werden. Schade, denn ein solcher europaweiter Feiertag könnte identitätsstiftend wirken.

Mittlerweile sind überall dort, wo Projekte durch die EU gefördert werden, die entsprechenden Hinweisschilder zu sehen – „gefördert durch die Europäische Union“. Auch diese Sichtbarkeit war anfangs nicht selbstverständlich, wurde aber notwendig, um darzulegen, dass wir vor Ort auch vieles von der Europäischen Union erhalten.

Am 15. Juni war ein besonderer Tag - das Erasmus-Programm wurde 30 Jahre alt. Ich kenne viele, die dadurch die Möglichkeit erhalten haben ein Semester im europäischen Ausland zu studieren und so die europäische Idee zu leben. Auch im Publikum haben viele diese Möglichkeit genutzt. Sowohl Frau Pecek als auch ich vertreten die Haltung, dass das Erasmus-Programm auch für Berufsschüler*innen gelten ermöglicht werden soll. Nicht nur Akademiker*innen sollen das grenzenlose Europa schätzen lernen. Wir brauchen auch ein Europa der Facharbeiter*innen, forderte Pecek. Und sie forderte mehr Austausch, vor allem der Jugendlichen und Kinder.

Die vielen Städtepartnerschaften sind hierfür ein gutes Instrument. Auch ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen den europäischen Gedanken stärken können.

Das soziale und demokratische Europa stärken

Wir brauchen ein sozialeres Europa, nicht ein Europa der Konzerne. Wir wollen eine europäische Sozialunion, die ihre Politik an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet, die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft, soziale Mindeststandards sichert, Lohn- und Sozialdumping wirksam unterbindet und Gleichstellung vorantreibt.

Wir brauchen ein demokratischeres Europa. Wir wollen ein starkes Europäisches Parlament und eine europäische Verfassung, die wirtschaftliche Integration mit sozialem Fortschritt und mehr Demokratie verbindet. Daher bin ich wirklich froh, dass mit Martin Schulz ein überzeugter Europäer an der Spitze der SPD steht.

Wir Podiumsteilnehmer*innen und Gäste waren uns einig: Es braucht eine europäische Öffentlichkeit, die das europäische Lebensgefühl und den europäischen Zusammenhalt stärkt.