Hauptmenü

Das selbstbestimmte Leben in der eigenen Häuslichkeit stärken - auf veränderte Versorgungsanforderungen reagieren

Die demographische Entwicklung prägt und verändert unsere Gesellschaft. Wir leben länger und der Anteil älterer und hochbetagter Menschen, die in der eigenen Häuslichkeit leben und sich noch selbst versorgen können, nimmt ebenso zu wie der Anteil derjenigen, die pflegebedürftig sind und kontinuierlich Hilfe und Unterstützung brauchen. Die Versorgungsanforderungen ändern sich. Größtmögliche Selbstbestimmung ist dabei der Wunsch fast aller. Von hoher Bedeutung für die Pflegebedürftigen als auch für deren Angehörige ist es, in der eigenen Häuslichkeit sicher und gut versorgt zu sein und im Notfall Hilfe zu erfahren.  

Mittlerweile stehen immer mehr technische Möglichkeiten für eine einfach zu handhabende, barrierefreie und altersgerechte Versorgung in der eigenen Häuslichkeit zur Verfügung. Sensortechnik bietet ein höheres Maß an Sicherheit, was auch ein Mehr an Lebensqualität bedeutet - vielfach auch für die weit entfernt lebenden Angehörigen. Erleichternd auch, dass Notrufe existieren, die schnell Hilfe herbeirufen können.

„Selbsthilfe digital“ - Unterstützung bei Wohnen und Pflege, Hilfe bei Demenz

Die Chancen für mehr Selbstbestimmung, Lebensqualität, Sicherheit und Teilhabe durch Technik waren Gegenstand der Informationsveranstaltung und Ausstellung der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. in der Reihe „Selbsthilfe digital“ - Unterstützung bei Wohnen und Pflege, Hilfe bei Demenz", die Ende November 2016 stattfand. Vorgestellt wurde auch eine „Ermündigungswohnung“ als Beispiel selbstbestimmten Wohnens. Ermündigung wird dabei als ganzheitlicher Versorgungsansatz verstanden. Gemeint sind technische Unterstützungssysteme im häuslichen Umfeld und Dienstleistungen, die Senior*innen oder Menschen mit Behinderung das Leben in den eigenen vier Wänden komfortabler, sicherer und im Idealfall autark machen – so Dr. Oliver Hüfner, Associate Partner, IBM Global Business Services.

„Ermündigung zum selbstbestimmten Wohnen“ - Die OTB-Musterwohnung

Meine Neugierde war geweckt und ich danke Dr. Oliver Hüfner, dass er mir und meinen Mitarbeiterinnen, Sandra Strube-Lahmann und Petra Warda, die Musterwohnung am 5. Juli 2017 zeigte und erläuterte.

Diese Musterwohnung in Kooperation mit 44 Partnern aus Forschung, Industrie und Dienstleistung ist seit 2014 in Berlin-Marzahn zu besichtigen. In ihr sind auf einer Gesamtwohnfläche von 140 Quadratmetern 88 den Alltag erleichternde Assistenzsysteme installiert. Gezeigt wird eine klassische Wohnsituation - mit Wohn-, Schlaf- und Badezimmer sowie Flur, Küche und WC. Alle dort installierten technischen Komponenten und Funktionen sind bereits auf dem Markt erhältlich. Auf meine Frage, mit welchen Kosten zu rechnen sei, um eine Wohnung wie diese Musterwohnung auszustatten, wurde eine sechsstellige Zahl benannt - für die allermeisten Menschen also viel zu hoch.

Die Wohnung gibt einen Überblick über die zahlreichen zur Verfügung stehenden Hilfsmittel. Einzelne Produkte sowie viele intelligente und praktische Lösungen zeigen auf, wie Sicherheit, technische Effizienz, großer Komfort und hohe Benutzer*innenfreundlichkeit gewährleistet werden können. Zahlreiche Lösungen wurden verbaut. Zur Vermeidung von Stürzen stehen knapp über dem Fußboden angebrachte Lichtleisten zur Verfügung, die, sobald die Person das Bett verlässt, um ins Badezimmer zu gehen, anspringen. Darüber hinaus stehen Sensormatten und weitere verbaute Sensorsysteme zur Verfügung. Sobald diese eine Abweichung zur hinterlegten Einstellung erfassen, wird automatisch eine Nachricht an den entsprechenden Pflegedienst oder an Angehörige übermittelt. Dadurch ist es möglich, schnell, situativ und gezielt Hilfe auszulösen und anzufordern. Für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen stehen darüber hinaus eine Vielzahl von Möglichkeiten für das barrierefreie Wohnen in der eigenen Häuslichkeit zur Verfügung. Überzeugend fand ich die Sinnhaftigkeit und Funktionalität der höhenverstellbaren Betten, Schränke, Gardinenstangen sowie verschiedener Haltesysteme. 

Die zunehmende Bedeutung der Sensorsysteme

Eine sensorgestützte Versorgung wird schon heute in der Versorgung eingesetzt und es mit einem Bedeutungszuwachs zu rechnen. Herr Hüfner verwies auf Untersuchungen, die aufzeigen, dass Arbeitnehmer*innen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen, häufiger krank bzw. unkonzentriert am Arbeitsplatz sind. Hochrechnungen dazu hätten ergeben, dass dies Arbeitgeber*innen bis zu 16.000 Euro pro Arbeitnehmer*in/ pro Jahr kosten. Einige Unternehmen investieren und finanzieren den Einbau von Sensortechnik in den Wohnungen der pflegebedürftigen Angehörigen ihrer Arbeitnehmer*innen. Diese einmalige unternehmerische Investition führe langfristig zur deutlichen Reduktion des pflegebedingten Arbeitsausfalles ihrer Arbeitnehmer*innen und zur somit zur Reduktion der Ausfallkosten.

Zugang zu Hilfsmittel sichern

Wichtig ist, dass innovative Lösungen für alle Menschen zugänglich sein müssen. Dies bedeutet, dass Innovationen günstig, verlässlich, haltbar und in der Handhabung benutzerfreundlich sein müssen. Unternehmerische Investitionen wie die obigen sind meiner Meinung nach auch keine Lösung für alle Arbeitnehmer*innen. Des Weiteren sind auch nicht alle Menschen unserer Gesellschaft in der Lage diese finanziellen Hürden privat zu meistern.

Durch diesen Besuch wurde mir deutlich, dass technische Innovationen auch zu neuen Fragestellungen hinsichtlich des Leistungsausmaßes der Pflegeversicherung führen werden. Diese gesellschaftspolitische Debatte steht noch aus.