Das Lesbisch-schwule Stadtfest Berlin ist längst eine weit über Schöneberg hinausreichende Institution und steht für Akzeptanz, Offenheit und Vielfalt. Unter dem Motto „Gleiche Rechte für Ungleiche!“ veranstaltete der Regenbogenfonds der schwulen Wirte e.V. bereits zum 25. Mal das europaweit größte Fest der Liebe, welches mittlerweile von Jung und Alt besucht wird. Geworben wurde für ein friedvolles Zusammenleben, für keine Toleranz gegenüber Diskriminierung und Rassismus, Ausgrenzung, Bedrohungen oder Angriffe aufgrund von sexueller Identität, Hautfarbe, Religion oder Nationalität. Ich begrüße es sehr, dass die Veranstalter das Zurschaustellen oder Tragen von Symbolen mit Bezug zur rechtsextremen Szene absolut nicht dulden.
Hissen der Regenbogenflagge
Zum Lesbisch-schwulen Stadtfest Berlin am dritten Wochenende im Juli, also am 15./16. Juli rund um die Motz-, Eisenacher-, Fugger- und Kalckreuthstraße gehören auch die im Vorfeld das Hissen der Regenbogenflagge am Rathaus Schöneberg. Angelika Schöttler (SPD), Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, und Gerhard Hoffmann, Sprecher des Regenbogenfonds der schwulen Wirte e.V. eröffneten am 13. Juli damit die diesjährige Prideweek mit dem größten Pride-Straßenfest in Europa.
Eröffnungsgottesdienst im Zeichen des Regenbogens
Auftakt des 25. Lesbisch-schwulen Stadtfest Berlin war am 14. Juli der bereits zum 8.Mal stattfindende ökumenische Eröffnungsgottesdienst des Rogate-Klosters Sankt Michael zu Berlin in der Evangelischen Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg.
Ich begrüße es sehr, dass hier Vertreter*innen zahlreicher Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften mit diesem gemeinsamen Gottesdienst signalisieren, dass die Liebe der einen nicht als weniger wertvoll angesehen werden darf als die Liebe der anderen. Viele beteiligen sich auch an der Kampagne des Bündnisses gegen Homophobie unter dem Motto „Traut euch! Traut uns“.
An der Gestaltung des Gottesdienstes nahmen teil: Predigt zum Thema Gnade: Bischof Dr. Matthias Ring (Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland).
Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; Die Schwestern des Hospizdienstes Tauwerk; Dekan Ulf-Martin Schmidt von der Alt-Katholischen Gemeinde Berlin; Pastorin Dagmar Wegener, Baptistische Gemeinde Schöneberg; der Geschäftsführer Jörg Steinert vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, LSVD; die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert (SPD). Musikalisch wurden wir begleitet vom Kiezorchester Schöneberg unter Leitung von Johanna Arabella Hagemann und vom Organisten Malte Mevissen. Den Kirchdienst leisteten Chris Chandler von der Zwölf-Apostel-Gemeinde und Melanie Hochwald vom Rogate-Kloster. Es ministrierten Andrea Fleischer und Uta Urban vom Rogate-Kloster sowie John L. Grantham von der Alt-katholischen Gemeinde Berlin. Lektor war Herman Borel und die Liturgie gestaltete Bruder Franziskus Aaron.
Grußwort von Barbara Hendricks (SPD), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
In ihrem Grußwort zum Eröffnungsgottesdienst zum 25. Lesbisch-schwulen Stadtfest 2017 betont Bundesministerin Barbara Hendricks ihre Freude zum einen angesichts des Jubiläums des Lesbisch-schwulen Stadtfestes. Ein weiterer bedeutender Grund zum Feiern, sei es: „Wir haben die „Ehe für alle“ erreicht – ein Recht, das von vielen erstritten wurde und auf das wir alle lange gehofft haben. Und obwohl es die Forderung danach und die gesellschaftlichen Mehrheiten dafür schon lange gab, war es doch eine zum jetzigen Zeitpunkt unerwartete und überraschende Wendung, die die Entscheidung noch in dieser Wahlperiode möglich gemacht hat.“ Sie fährt fort: „In der Politik sprechen wir nicht gern von Wundern. Hier in einer Kirche fällt das wesentlich leichter. Vielleicht war das, was wir da gerade erlebt haben, und wofür so viele Menschen lange gekämpft haben, tatsächlich ein kleines Wunder – der Heilige Geist weht ja bekanntlich, wo und bei wem er will! Jedenfalls macht uns diese unerwartete Wendung sehr glücklich und bestärkt uns in der Hoffnung, dass Gleichberechtigung und Akzeptanz in unserer Gesellschaft weiter wachsen können.
Die Entwicklung macht natürlich vor allem diejenigen glücklich, die jetzt eine Ehe schließen können und die sich jetzt um eine Adoption bemühen können. Das war ein langer Weg. Wir denken deshalb auch an diejenigen, die für diese Gleichberechtigung gekämpft haben – ihre Durchsetzung aber nicht mehr miterleben konnten. Der mit der Ehe für alle verbundene gesellschaftspolitische Fortschritt reicht weit über die individuelle und partnerschaftliche Ebene hinaus: Eine Gesellschaft kann nur dann das Beste aus ihren Fähigkeiten und Talenten machen, wenn jede und jeder die Freiheit hat, sein Glück, ihr Glück, zu suchen. Auch in diesen Tagen des Glücks bleibt unser Motto: Erst, wenn wir alle die gleichen Rechte haben, sind wir alle frei.
Wir sind jetzt dieser Vision wieder ein Stück näher gekommen! Aber wir sind noch nicht am Ziel. Wir wissen und erleben es, dass es bei uns Diskriminierungen gibt – gegenüber Homosexuellen, Transsexuellen und Transgender, aber auch gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen. Das nehmen wir nicht hin! Aber dafür brauchen wir immer auch Mut und Zivilcourage. Wir leben in einer Zeit, in der in vielen Teilen Europas und der Welt Respekt und Akzeptanz eher auf dem Rückzug sind. Dieser Trend ist alarmierend, weil er zu neuer Diskriminierung führen kann. Deshalb ist die Ehe für alle ein so wichtiger Fortschritt – und ein Hoffnungszeichen.
Vor anderthalb Jahren hat die Weltgemeinschaft in Paris ein Klimaabkommen geschlossen, weil sie sich einig war, dass der Klimawandel große Ungerechtigkeiten und neue große Unsicherheiten mit sich bringen wird. Auch das ist eine große Ermutigung. Gerade jetzt, wo der amerikanische Präsident aus dem Abkommen aussteigen will, steht die Staatengemeinschaft zusammen, damit das Abkommen umgesetzt werden kann. Und wir können daraus die Hoffnung schöpfen, dass die Staatengemeinschaft auch bei den anderen großen globalen Themen zu einem gemeinsamen Handeln finden wird – bei Hunger, Armut, Gerechtigkeit, Bildung, Gesundheit.
Persönliche und nationale Egoismen, wie wir sie verstärkt beobachten, dürfen nicht der Maßstab für die Welt von morgen sein. Es muss wieder viel mehr um das Verbindende gehen, nicht das Trennende. Alle sind auf Frieden, Gerechtigkeit und eine intakte Schöpfung angewiesen. Im Großen kann nur gelingen, was auch im Kleinen versucht wird. Hier im Rogate-Kloster Sankt Michael sind heute die Angehörigen verschiedener Kirchen versammelt. Gemeinsam suchen sie auch hier nach dem Verbindenden und nicht nach dem, was sie möglicherweise trennt. Ich finde das beeindruckend und ermutigend und möchte allen Beteiligten für ihr Engagement danken. Engagement ist kein Wunder – aber etwas Wunderbares! Vielen Dank!“
Die Stadtfestwelten im Zeichen des Regenbogens: Wunderbare SPDqueer Berlin
Das seit 1993 durchgeführte jährliche Open Air Highlight mit über 350.000 Besucher*innen fand wieder mit einem umfangreichen Programm mit Musik, Diskussionen und kulinarischen Angeboten und vielen Informationsangeboten statt. Die Stände waren thematisch nach Stadtfestwelten strukturiert. Es gab die Filmwelt, die Politikwelt, die Positivenwelt, dieRadiowelt, die Sportwelt und die Wellness- und Gesundheitswelt.
Sehr gelungen war der Stand der SPDqueer Berlin in der Politikwelt, an dem ich am Sonntagnachmittag zwei Stunden verbracht habe. Danken möchte ich allen Genoss*innen, die den Standauf- und -abbau sowie die zweitägige Besetzung fast rund um die Uhr gewährleistet haben. Die Materialien waren bunt, informativ und aufklärend und trotz der großen Anzahl von Abnehmer*innen in großer Menge vorhanden.
Ich danke allen, die meine erstmals zum Einsatz gekommenen Luftballons so gut unter die Leute gebracht haben. Es war eine Freude, so viele auf dem Fest an den Ständen und auf dem Wege zu sehen. Ich danke: Martin Schöpe, Markus Pauzenberger, Petra Nowacki, Julia Lange, Andreas Klusch, Ralph Ehrlich, Judith Hülsenbeck, Jürgen Link, Constanze Meyer, Manuela Harling, Nina Wettern, Dennis Nocht, Rainer-Michael Lehmann, Ulli Ulbrichts, SvenSteinbach, Andreas Domann. Es hat mich berührt, dass so viele Menschen an den Stand gekommen sind, um sich dafür zu bedanken, dass wir Sozialdemokrat*innen wesentlich zum großen Erfolg der Verabschiedung der Gesetze zur Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des § 175 StGB alt (151 StGB Ost) und der Öffnung der Ehe beigetragen haben.
Weitere Aufgaben zur rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung
Am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag die Ehe für alle sowie ein volles Adoptionsrecht für alle beschlossen. Ich bin fest davon überzeugt, dass für gleiche Rechte auch die damit verbundenen Chancen und Rituale gleich sein sollten. Vieles wird ansonsten als Ausgrenzung erlebt, als ein Gefühl, dass mensch dem Staat und auch der Gesellschaft weniger wert bzw. weniger willkommen ist als andere. Die aus dem Gesetz resultierenden Handlungsaufgaben – zum Beispiel Änderung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe - wird meiner Meinung nach allerdings frühestens zum 1. Oktober, ggf. auch erst später, umgesetzt werden können.
Uns Sozialdemokratinnen ist aber sehr bewusst, dass wir für weitere Ziele kämpfen müssen. Dazu gehören u.a.:
- Ergänzung von Art. 3 Abs. 3 GG um das Merkmal "sexuelle Identität"!
- LSBT*I- Rechte als unveräußerliche Menschenrechte anerkennen und weltweit vertreten!
- Neufassung der Gesetzgebung für trans- und intergeschlechtliche Menschen!
- Arbeitsrecht: diskriminierungsfrei und keine kirchlichen Sonderrechte!
- Diskriminierung schwuler Männern bei Blut- und Knochenmarks- spenden beenden!
- Prävention, Forschung und Behandlung von HIV/AIDS, sexuell übertragbaren Krankheiten und Hepatitis C- Infektionen deutlich stärken, PEP und PrEP für alle ermöglichen!
- Würdige Lebensbedingungen für LSBT*I im Alter schaffen!
- Bundesweiter Aktionsplan gegen Trans* und Homophobie und zur Akzeptanz von LSBT*I!
- Ansprechparter*in für queere Menschen und queere Organisationen sein!
Wir wissen, dass das diesjährige Motto des Stadtfestes „Gleiche Rechte für Ungleiche!“ immer noch aktuell ist. Ungleichbehandlungen finden für queere Menschen in verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft noch immer statt, der Kampf für Aufklärung und mehr Akzeptanz ist noch nicht zu Ende. Wir wollen weiterhin vieles zur Förderung einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz bewegen und laden dich, euch herzlich zur Mitarbeit ein. Berlin soll die Regenbogen-Hauptstadt sein und daher das Engagement im Bündnis der Fast-Track-Cities ausbauen.
LGBTTIQ* - Initiativen und - Projekte
Bei einem Rundgang konnte ich wieder das breite Angebot von LGBTTIQ*Initiativen und Projekten wahrnehmen. Einige von ihnen – leider nicht alle - konnte ich auch besuchen und dort wertvolle Gespräche führen:
Schwulenberatung - Marcel de Groot
Maneo - Bastian Finke
Berliner Aids - Hilfe - Heiko Großer, Zhera Can , Ralph Ehrlich , GF Ute Hiller
RuT - Jutta Brambach
Lesbenberatung - Saideh Saadat-Lendle
E2B - Jan Feddersen
VelsPols - Marco Klingberg
LSVD - Jörg Steinert , Constanze Körner (Zentrum für Regenbogenfamilien), Vorstand Ulrich Keßler
CSD Berlin e.V. - David Steaglich , Christian Knuth , Dana Wetzel
Das älteste Homosexuellen-Viertel der Welt
Der Nollendorfkiez, insbesondere die Motzstraße ist schon im Kaiserreich als Amüsiermeile bekannt. Vor dem Krieg lebten hier viele schwule und lesbische Menschen, der Zeit des Nationalsozialismus mit seinen Deportationen und Ermordungen war die Zäsur. Eine hohe Zahl rechts motivierter, aus gruppenbezogenen menschenfeindlichen Angriffen auf homosexuelle, meist schwule Menschen geschah nach der Maueröffnung. Um die damit verbundenen Gewalttaten und Diskriminierungen sichtbar zu machen, wurde 1993 das erste Straßenfests unter Regie einer neuen Generation LGBTTIQ* bewegter Wirte unter der Federführung von Gerd Hoffmann unter dem Motto „Gemeinsam sicher leben“ statt.
Heute ist der Kiez ein von schwulen Männern bewohnter Kiez. Die Mieten sind gestiegen, u.a. auch, weil das Viertel ein Eldorado für wohlhabende Schwule aus ganz Europa geworden ist, die hier Wohnungen gekauft haben. Es gibt eine Infrastruktur für fast alle Belange, von der Gesundheitsversorgung bis hin zu Restaurants und Kneipen. Während die einen eine zunehmende Straßenkriminalität beklagen, sagen andere, dass sie sich hier nicht unsicherer als früher fühlen. Der Kiez wird aber auch von vielen heterosexuellen Berliner*innen und Tourist*innen aufgesucht.