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#Mechthildwillswissen: Pflege im Friedenauer Kiez

Eine inklusive Öffnung von Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz? Das hört sich erstmal gut an, ist aber gar nicht so einfach, wie uns Ulrike Friedel-Franzen, Sozialarbeiterin, Steffi Windisch, Pflegedienstleitung und Franziska Lichtenstein, Geschäftsführerin des Nachbarschaftsheims Schöneberg berichteten. Zusammen mit Dilek Kolat, Friedenauer Abgeordnete und Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, besuchte ich im Rahmen meiner Sommertour „Mechthild will´s wissen“ am 3. August 2017 erneut die Sozialstation Friedenau. Seit meinem letzten Besuch 2011 hat sich die Sozialstation Friedenau) verändert, spezielle Pflegeangebote sind hinzugekommen. Träger der Station ist nach wie vor das Nachbarschaftsheim Schöneberg. Der Vorteil: Die Sozialstation Friedenau hat über die Kontakte zur Häuslichkeit der Pflegebedürftigen hinaus auch gute zu Wohngemeinschaften, zur Tagespflege sowie zu Angeboten der stationären und ambulanten Hospizarbeit. Zugenommen hat der Anteil der notwendigen Beratung.

Die Sozialstation Friedenau

Seit 1983 ist die Sozialstation in Friedenau aktiv, von der Hilfe im Haushalt, über die Verhinderungspflege, bis hin zur Beratung rund um die Pflege. In mehreren Wohngemeinschaften versorgt die Station demenziell erkrankte pflegebedürftige Menschen je nach Bedarf auch rund um die Uhr. Im Mittelpunkt stehen dabei die Selbstbestimmung und der möglichst lange Erhalt der Selbstständigkeit der Bewohner*innen. In der Tagespflege auf der Schöneberger Insel werden ältere Menschen mit Demenzerkrankungen, Ängsten, Depressionen und körperlichen Einschränkungen betreut und damit die pflegenden Angehörigen entlastet. Dieses Angebot kann einen oder mehrere Tage in der Woche genutzt werden. Das Angebot der Tagespflege ist in den letzten Jahren mit einer erhöhten Nachfrage einer immer älter werdenden Gesellschaft auch gestiegen, wird aber, so Frau Lichtenstein, aber nur unzureichend genutzt. Zum einen läge das an der noch schlechten Informationslage der Angehörigen und der Pflegebedürftigen selbst, zum anderen aber auch daran, dass der Besuch einer Tagespflegeeinrichtung für die Pflegebedürftigen anstrengend ist. Außerdem gäbe der Bezirk oft keine Bewilligung zu einem Besuch in einer Tagespflege und eine Tagespflege sei auch aus der Sicht eines Trägers häufig wirtschaftlich nicht lukrativ.

IWA – Inklusives Wohnen im Alter

Auch Menschen mit kognitiven Behinderungen können im Alter noch an Demenz erkranken. Für Menschen mit Demenz hat sich das Leben in Wohngemeinschaften als Alternative zu Pflegeheimen bereits bewährt, doch Menschen mit geistiger Behinderung und einer zusätzlichen demenziellen Erkrankung werden noch immer hauptsächlich in Heimen betreut. Im Rahmen eines Modellprojektes wird nun die inklusive Öffnung von Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz erprobt. Drei Jahre lang werden die Möglichkeiten des Zusammenlebens demenziell Erkrankter und Menschen mit geistiger Behinderung und Demenz erprobt. Die Schnittstelle soll dabei die demenzielle Erkrankung darstellen. Da die beiden Personengruppen jedoch meist einen relativ hohen Altersunterschied und damit auch unterschiedliche Bedürfnisse aufweisen, gestaltet sich die Eingliederung in solche Wohngemeinschaften oft noch schwierig, erzählte Ulrike Friedel-Franzen. Das Projekt wird vom GKV-Spitzenverband im Rahmen des Modellprogramms zur Weiterentwicklung neuer Wohnformen gefördert.

Fachkräftemangel in der Pflege

Die Probleme der Pflege sind auch in der Sozialstation Friedenau deutlich zu spüren. Wie so viele Einrichtungen haben auch sie mit dem Fachkräftemangel in der Pflege zu kämpfen. Die Einrichtungen behelfen sich mit Leasing-Kräften, doch sogar dort fehle es laut Steffi Windisch teilweise an Fachkräften. Die Leasing-Kräfte verdienen oft deutlich mehr als die festangestellten Pflegefachkräfte und können viel einfacher kündigen, sollte ihnen eine Arbeitsbedingung nicht gefallen. Viele frisch Ausgebildete machen sich selbstständig oder gehen zu Leasing-Firmen. Dieser neue Trend in der Pflege in keineswegs unproblematisch.

„WANTED: Pflegehelden“

Auf den Fachkräftemangel macht unter anderem in humoristischer Weise das Theater der Erfahrungen aufmerksam. Das Theater der Erfahrungen ist ein Projekt, bei dem ältere Menschen gemeinsam Theaterstücke entwickeln, die hauptsächlich auf eigenen Erfahrungen beruhen. Unter dem Titel „WANTED: Pflegehelden“ führt die Theatergruppe beispielsweise an Schulen ein Stück auf, das den Jugendlichen das Berufsfeld der Pflege vor Augen führen soll.

Anregungen an die Politik

Die Pflegeversicherung ist eine Pflichtversicherung zur Absicherung des Risikos, einmal pflegebedürftig zu werden. In den vergangenen Jahren ist, so Friedel-Franzen, das Angebot der Leistungen der Pflegeversicherung enorm gestiegen – sie sind aber auch um einiges komplexer geworden. Für viele Menschen aber auch zu komplex. Gerade die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen seien mit der Vielfalt der Leistungen meist völlig überfordert. Das sei auch für die Berater*innen keine leichte Aufgabe. Es ist dringendst erforderlich, dass in die Pflegestützpunkte mehr Personal kommt, damit diese ihre kostenlose und unabhängige Beratungen noch vermehrt anbieten können.