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#Mechthildwillswissen – Migration und Gesundheit: vom Flüchtlingskind zum Arzt

Als Gesundheitspolitikerin habe ich viel Kontakt mit Ärztinnen und Ärzten. Dabei geht es mir vor allem um eine gute Gesundheitsversorgung und Pflege für alle, um den Abbau von sozialer Ungleichheit im Gesundheitswesen, denn derzeit steht fest: ärmere Menschen sterben früher. Es geht mir um die Stärkung von Gesundheitsprävention, den Ausbau von Rehabilitation und eine bessere palliative Versorgung am Lebensende. Es geht mir aber auch darum, dass im Gesundheitswesen unsere Bevölkerung auch in den Berufen repräsentiert sein sollen – das Thema Migration und Gesundheit ist daher ein Herzensthema meinerseits.

Interkulturelle medizinische Kompetenz in Lichtenrade
Praxen besuche ich normalerweise aber auch nur als Patientin. Deshalb war der Besuch am 9. August 2017 in der Praxis von Dr. Asim Kadri in Lichtenrade im Rahmen meiner Sommertour eine Besonderheit. Aber ich war so herzlich eingeladen, dass ich gar nicht anders wollte.

Dr. Kadri ist schon jahrzehntelang in Lichtenrade als Allgemeinmediziner tätig. Bereits mein erster Eindruck war: Hier ist ein Mensch, der sich sehr für seine Patient*innen interessiert. Mich beeindruckt seine barrierefreie Praxis, immer noch etwas, was es viel zu wenig in Berlin gibt. Ein Umzug aus der alten Praxis war durch die Sanierung der Stadt und Land-Siedlung notwendig geworden – und für ihn kam nur eine barrierefreie neue Praxis in Frage. Für diese Haltung bedanke ich mich bei Dr. Kadri sehr.

Seine Lebensgeschichte zeigt auf: Migration ist eine Jahrhundertgeschichte mit vielen sehr individuellen Lebensbiographien: Asim Kadri wurde in Indien geboren. Seine Familie war in der Kolonialzeit Indiens für die britische Administration tätig. Zunehmend wurde die Legitimation der Briten durch breite Widerstandsbewegungen, angeführt vom charismatischen Führer Mahatma Gandhi, in Frage gestellt. Indiens Unabhängigkeit wurde am 15. August 1947 erklärt, zeitgleich erfolgte die Gründung des muslimischen Staates Pakistan. Die Familie floh zunächst nach Pakistan, von dort aus in die Türkei und erhielt dann die Genehmigung zur Immigration nach Großbritannien. Vater Kadri arbeitete als Lehrer und ernährte mit dem Gehalt die 14köpfige Familie. „Wir waren bettelarm“, sagt Dr. Kadri. Trotzdem durfte er, mit einem Stipendium ausgestattet, Abitur machen. „Bildung ist unser Reichtum“, sei das Credo der Familie gewesen.

Nach dem Abitur sollte er, nach dem Willen der Eltern, Fleischer lernen. Doch mit diesem Beruf konnte er sich nicht anfreunden. Er wollte Arzt werden – und dort studieren wo Emil von Behring, der erste Nobelpreisträger für Medizin, geforscht hatte. In einer Bibliothek im Londoner Stadtteil Soho fand er die gewünschte Adresse und bewarb sich an der Uni Marburg. Einige Wochen später erhielt er von dort Post, selbstverständlich in deutscher Sprache verfasst. Seine deutschstämmigen Nachbarn halfen ihm herauszufinden, dass der Brief eine Zulassung für das gewünschte Medizinstudium war. Denn die deutsche Sprache konnte er noch gar nicht. Von seinen Eltern erhielt er keine Hilfe, sie wollten ihn in London halten. Schließlich half ihm ein älterer Bruder und gab ihm ein Darlehen in Höhe von 280 Pfund. Damit kaufte er sich eine Fahrkarte und machte sich auf den Weg zur Uni Marburg.

Dort erwartete ihn das nächste Hindernis. Er musste binnen sieben Wochen die deutsche Sprache lernen und eine Prüfung bestehen, um endgültig für das Studium zugelassen zu werden. Die klassischen Sprachschulen konnte er sich nicht leisten, also ging er zur Volkshochschule und lernte Tag und Nacht. Mit Hilfe einer Studentin hatte er für die Zeit ein kleines, aber bezahlbares Zimmer zur Untermiete gefunden. Dadurch hatte er Kontakt zu Deutschen und konnte seinen Sprachschatz täglich ausbauen. Es ist kaum zu glauben, aber nach diesen sieben Wochen gelang es ihm, die Sprachprüfung an der Uni zu meistern.

Sein Professor an der Uni nahm ihn nicht nur studienmäßig unter die Fittiche, sondern sorgte auch für einen Studentenjob und die Unterkunft. Asim Kadri absolvierte sein Medizinstudium erfolgreich und promovierte zu den Interferonen. Nach mehreren Jahren in der Forschung eröffnete er als Allgemeinmediziner in Lichtenrade seine Praxis.

Dr. Asim Kadri lebt für seine Patient*innen, bei vielen macht er Hausbesuche. Als ich ihn am Ende unseres Gespräches nach seinen Wünschen fragte, war die Antwort: Eine optimale Betreuung für Patient*innen, die Patient*innen müssten im Gesundheitssystem im Mittelpunkt stehen und bei allem Agieren sowohl in der Politik als auch in der Selbstverwaltung Dreh- und Angelpunkt sein. Und an uns alle richtete er einen zweiten Wunsch: Nehmt die Krebsvorsorgeuntersuchungen wahr!