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„Organisieren Sie sich!“ Besuch der Ausbildungseinrichtung für Pflegeberufe am St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof

Es ist mir enorm wichtig, mit Auszubildenden der Pflege und Lehrenden im Austausch zu stehen. Deshalb besuchte ich am 29. August 2017 die Schule für Gesundheitsberufe am St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof. Neben Rainer Karius, dem Leiter der Bildungseinrichtung waren ca. 50 Lernende aus der Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege anwesend. Darüber hinaus nahmen Pädagog*innen der Schule an der Diskussionsveranstaltung teil.

Neben den Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege werden in dieser Ausbildungseinrichtung auch Hebammen ausgebildet, so dass ca. 200 Schüler*innen in unterschiedlichen Ausbildungsjahrgängen hier lernen. In der Pflegeausbildung wird schon jetzt nach generalistischem Konzept ausgebildet, d.h. die Lernenden aus der Gesundheits- und Krankenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege werden befähigt, Menschen aller Altersgruppen pflegerisch zu versorgen. Vor dem Hintergrund der demographischen Veränderungen und den damit verbundenen Herausforderungen und neuen Anforderungen im gesamten Gesundheitssystem begrüße ich dieses sehr.

„Organisieren Sie sich!“ 

„Bitte organisieren Sie sich“, lautete mein Appell gleich zu Veranstaltungsbeginn an die Auszubildenden der Pflege. „Treten Sie ein in Gewerkschaften, organisieren Sie sich in Berufsverbänden der Pflege, unterstützen Sie die Bildung einer Pflegekammer. Denn: Nur wer Druck macht und laut einfordert, wird gehört. Damit bringen Sie Ihre Profession voran, damit stärken Sie Ihre eigenen Interessen.“  

Über den Schulleiter hatten mir die Auszubildenden im Vorfeld der Veranstaltung ihre Themenschwerpunkte mitteilen lassen, zu denen sie mit mir diskutieren wollten. Diese reichten vom erst kürzlich verabschiedeten Pflegeberufegesetz und Pflegekammern über die Pflegeversicherung und die Arbeitsbedingungen in der Pflege bis hin zu Gleichstellung, Tarifbindung, Akademisierung und Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes. 

Großes Interesse am Pflegeberufegesetz

Auf großes Interesse stießen meine Ausführungen zum vor kurzem beschlossenen Pflegeberufegesetz. Hierbei stand ich Rede und Antwort zu den Neuerungen, welche das Gesetz bringen wird. Mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung werden wir veränderten Versorgungsanforderungen und neuen Anforderungen im gesamten Berufsfeld Pflege gerecht. Wir befähigen die Absolvent*innen der generalistischen Pflegeausbildung altersklassenübergreifend zu pflegen, so wie es in fast allen anderen europäischen Ländern üblich ist. Darüber hinaus erreichen wir eine europäische Anerkennung des Pflegeberufes, schaffen eine Durchlässigkeit im Pflegebildungssystem, so dass alle bessere Karriere- und Aufstiegschancen haben. Erstmals sind selbstständige Tätigkeiten und Vorbehaltstätigkeiten (Tätigkeiten ausschließlich der Pflege zugeordnet) in einem Gesetz klar festgeschrieben. Mit dem Gesetz schaffen wir eine kostenfreie Ausbildung und stellen ein Ausbildungsentgelt für alle Auszubildenden sicher. Das besondere an der Finanzierung der Ausbildung ist, dass sich alle Einrichtungen beteiligen müssen, egal ob diese ausbilden oder nicht. Das ist gut so, denn schließlich wollen alle Einrichtungen hochwertig ausgebildetes Pflegepersonal beschäftigen.

Dass wir mit dem Pflegeberufegesetz zur Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufes beitragen, darüber waren sich im Rahmen dieser Diskussion alle einig.

Natürlich gibt es noch viele offene Fragen zur Umsetzung des Gesetzes und zur noch nicht vorliegenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Den Teilnehmer*innen versicherte ich: In Abhängigkeit vom Wahlergebnis der Bundestagswahl am 24. September 2017 werde ich mich weiterhin mit großem Engagement für die Belange der Pflegenden und der Auszubildenden in der Pflege stark machen. Dieser Einsatz dient auch den Pflegeempfänger*innen.

Pflegekammern: Mein Ja ist sicher

Seit langem mache ich mich für die Errichtung von Landespflegekammern sowie einer Bundespflegekammer stark. Pflege ist für mich kein Assistenzberuf der Ärzt*innenschaft – Pflege und Medizin gehören auf Augenhöhe. Es ist unabdingbar, dass Pflegende ihre eigene Profession selbst gestalten können. Grundsätzlich geht es darum, der Pflege mehr Wertschätzung durch mehr Mitsprache- und Mitwirkungsrechten auch in Form einer Selbstverwaltung zukommen zu lassen. Mir ist die berufliche Emanzipation ein großes Anliegen. Deshalb begrüße ich die bislang erfolgte Gründung von verschiedenen Landespflegekammern sowie die gerade kürzlich stattgefundene Gründungsversammlung für eine Bundespflegekammer.

Zukunft der Pflegeversicherung

Zur Pflegeversicherung haben wir diskutiert, welche Vor- und Nachteile in der Pflegeversicherung als „Teil- bzw. Vollkasko-„Versicherung“ liegen. Desweiteren besprachen wir das Konzept der solidarischen Bürger*innenversicherung in der Kranken- und der Pflegeversicherung. Die paritätische Bürger*innenversicherung wird neben den Sozialdemokrat*innen auch von den Linken und Grünen befürwortet. Alle Bürger*innen sollen darauf vertrauen können, bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit bestmöglich pflegerisch versorgt zu werden. Die SPD will die Parität, will, dass Arbeitgeber*innen und Versicherte wieder den gleichen Anteil am jeweiligen Versicherungsbeitrag in der Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Wir wollen den einseitigen Zusatzbeitrag auf Seiten der Versicherten wieder abschaffen. Ein Element der solidarischen Bürgerversicherung ist auch die einheitliche Honorarordnung für Ärzt*innen. So entfällt der finanzielle Anreiz, gesetzlich und privat Versicherte unterschiedlich zu behandeln. Ich erhoffe mir dadurch auch eine bessere flächendeckende Versorgung. So schaffen wir die Zwei-Klassen-Medizin ab und sichern eine Versorgung, die sich am Bedarf und nicht an der Versicherungskarte der Versicherten orientiert.

Eine Herausforderung, die wir schnellstmöglich meistern müssen: Bei Menschen, die im Rahmen der pflegerischen Versorgung Unterstützung vom Sozialhilfeträger benötigen, kommt es häufiger dazu, dass Leistungen, die im Rahmen der Begutachtung durch den MDK zuvor verordnet worden sind, wieder gekürzt werden. Ich spreche mich gegen dieses Verfahren aus. Pflege zu empfangen darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Dafür mache ich mich stark.  

Ein weiteres großen Anliegen:  Wenn wir den gesellschaftlichen Herausforderungen u.a. von mehr Teilhabe und würdiges Leben bis zum Schluss angemessen begegnen wollen, dann müssen wir mehr Steuergeld investieren. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Infrastruktur – dort, wo mehr Kinder sind, mehr Kita´s, dort wo mehr Senior*innen leben, mehr Senior*inneneinrichtungen. Jede Kommune muss entsprechende Analysen machen, um bedarfsgerecht planen und entscheiden zu können. Dafür setze ich mich sehr ein.

Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege

Durch die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind Pflegende oftmals überlastet, die Situation ist angespannt. Diese Situation konnten die Auszubildenden des St. Joseph Krankenhauses nicht bestätigen, was mich natürlich sehr erfreut hat. Dennoch: Arbeitsbedingungen in der Pflege sind häufig geprägt von Überstunden, schlechter Bezahlung, Fachkräftemangel, hohem Krankenstand, kurzem Berufsverbleib der Pflegenden sowie ungewollter Teilzeit. In der heutigen Altenpflege sind die Bedingungen im Vergleich zu anderen Bereichen der Pflege deutlich schlechter.

Ich setze mich energisch dafür ein, Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern. Der Beruf Pflege muss attraktiver werden, so dass er für die Absolvent*innen ein Lebensberuf werden kann. Gefordert sind aber auch die Arbeitgeber*innen: Sie müssen beispielsweise Strukturen zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege schaffen, Betriebskitas und familienfreundlichere Schichtzeiten einführen. Obwohl im St. Joseph in letzter Zeit hier viel gemacht worden ist, müsse hier noch mehr geschehen, machten die Auszubildenden deutlich.

Wir Sozialdemokrat*innen wollen die Familienarbeitszeit mit Familiengeld einführen, um Eltern eine partnerschaftliche Elternzeit zu ermöglichen. Wenn beide Elternteile die Arbeitszeit leicht reduzieren erhalten sie pro Person 150 Euro im Monat Familienpflegegeld.

Lohnlücke schließen - SAHGE-Berufe zu Lebensberufen aufwerten 

Wir sprachen über Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Diese werden in der Regel geringer entlohnt als sogenannte „Männerberufe“. Deshalb: Professionelle Sorgearbeit gehört aufgewertet, gehört besser anerkannt und besser entlohnt! Sorgearbeit findet in unterschiedlichen Berufen statt – der Pflegeberuf zählt zu den sogenannten SAHGE-Berufen. Zu diesen gehören die Branchen:

  • SA: Soziale Arbeit
  • H: Haushaltsnahe Dienstleistungen
  • G: Gesundheit, Pflege
  • E: Erziehung

Auch Frauen wissen, dass sie im Zweifelsfall für sich - und ihre Kinder - auch allein sorgen müssen. Berlin ist die Stadt der Alleinerziehenden. Häufig fehlt es diesen Berufen an der Ausgestaltung als Profession.

Nach wie vor sind über 85 Prozent der Pflegenden Frauen. Insbesondere in den SAGHE-Berufen ist der Gender Pay Gap (Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes) sowie der Gender Pension Gap (Geschlechterspezifische Versorgungslücke im Alter) relativ hoch. Dem gilt es zu begegnen: Deshalb sprechen wir Sozialdemokrat*innen uns klar für geschlechterunabhängige und gerechte Löhne aus. Es kann nicht sein, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechtes 21% weniger entlohnt werden als Männer. Wir werden die Gleichstellung weiter vorantreiben.

Gerade deshalb ist es umso wichtiger, den Pflegeberuf durch eine zukunftsfeste Ausbildung und ein hochwertiges Fort -und Weiterbildungssystem zu attraktiver zu machen. Mit der Pflegeberufereform leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung bezahlter Sorgearbeit, indem die Ausbildung kostenfrei gestaltet und eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird. Wir werden eine zukunftssichere, lebensphasenunabhängige Ausbildung schaffen, welche die Möglichkeit einer grundständigen akademischen Pflegeausbildung an der Hochschule bietet. Damit gehen wir einen richtigen und wichtigen Schritt zur Professionalisierung bezahlter Sorgearbeit durch Pflegende.

Der Austausch mit den Auszubildenden wie auch den Pädagoginnen hat mir erneut gezeigt: Pflege und ihre Professionalisierung ist eine riesige Baustelle. Ich möchte mich weiterhin mit großem Engagement für die Belange der Pflegenden und Pflegeempfänger*innen stark machen. Den Auszubildenden, den Pädagog*innen und Herrn Karius danke ich für diesen interessanten Austausch.