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Großes Interesse an pflegepolitischen Themen vor der Bundestagswahl

„Wahlen sind das Fest der Demokratie. Bitte gehen Sie wählen!“ Diesen Appell richte ich, gerade jetzt vor der Bundestagswahl, ich jeden Tag an Bürger*innen – so auch an die Umschüler*innen zu Verwaltungsfachangestellten für die Bundestagsverwaltung vom Berufsbildungswerk Berlin Brandenburg. Am 4. September 2017 fand – nach einer Führung durch das Reichstagsgebäude - unser gemeinsames Gespräch statt. Wir diskutierten vielfältige Themen: Leiharbeit, Daseinsvorsorge, Pflegepolitik, Arbeitsbedingungen in der Pflege und Pflegedokumentation. Die Umschüler*innen haben mir viele kenntnisreiche Fragen gestellt und auch politisch Stellung bezogen. Es war auch für mich eine lehrreiche politische Diskussion mit Berliner und Brandenburger Bürger*innen.

Leiharbeit

Leiharbeiter*innen brauchen besseren Schutz. Reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse dürfen nicht durch Leiharbeit mit schlechteren Arbeitsbedingungen und schlechterer Bezahlung verdrängt werden. Deswegen wurde in dieser Legislatur nach langem politischem Ringen das „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ verabschiedet. Damit wurden u.a. eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt und Kettenüberlassungen ausdrücklich verboten. Zudem müssen Leiharbeiter*innen nach 9 Monaten gleich bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Unser nächstes sozialdemokratisches Ziel ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit vom ersten Tag an. Für uns Sozialdemokrat*innen soll Leiharbeit nur für Spitzen in der Auftragslage von Unternehmen in Einsatz kommen und darf reguläre Arbeit nicht verdrängen. Ich weiß aber, dass die Wirtschaft Leiharbeit mittlerweile geradezu regelhaft gänzlich anders missbraucht. Mitgenommen habe ich aus dem Gespräch die speziellen Bedingungen der Leiharbeit in der Gastronomie. Danke dafür.

Pflege – Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht

Die Weiterentwicklung des Pflegesystems im demographischen Strukturwandel ist ein großes gesellschaftliches Projekt, das in den kommenden Jahrzehnten eine enorme Kraftanstrengung erfordert. Wichtige Regelungen haben wir in dieser Legislaturperiode getroffen – mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen viel genaueren Begutachtungsverfahrens in der Pflege; der Gleichstellung von kognitiv, psychisch und somatisch Pflegebedürftigen; der besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf sowie mit der Pflegeberufereform, d. h. mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung. Die Neuregelungen werden derzeit evaluiert, sodass wir später gegebenenfalls nachsteuern können. So oder so sind sie aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und qualifizierte Fachkräfte werden schon jetzt dringend gesucht. Eindringlich stellte eine der anwesenden Frauen den beruflichen Alltag einer Pflegekraft dar. Sie selbst hat die Pflegebranche mittlerweile verlassen.

Arbeitsbedingungen in der Pflege und den sozialen Berufen insgesamt

Wir benötigen dringend eine Aufwertung der Pflege. Bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen wie planbare Arbeitszeiten zählen dazu. Der Pflegeberuf gilt nach wie vor als typischer Frauenberuf und unterliegt damit – wie auch die anderen sozialen Berufe - dem Gender Pay Gap. Dieser beträgt in Deutschland 21%. Eine der Ursachen in der Pflege ist auf jeden Fall die ungewollte „Zwangs-Teilzeit“. Es ist positiv zu bewerten, dass Frauen rechnen können und berechtigterweise ein größeres Stück vom Kuchen abhaben wollen. Damit verbunden sind allerdings auch zahlreiche Forderungen an den Staat.

Beim Thema Arbeitszeiten gilt es einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Pflegeempfänger*innen, der Beschäftigten und der Angehörigen zu finden. Pflegebedürftige sind nun mal nicht von 9:00 bis 17:00 Uhr pflegebedürftig, sondern benötigen oftmals rund um die Uhr Betreuung. Es darf jedoch nicht sein, dass die Gesundheit von Pflegekräften durch übermäßige Überstunden, das Nicht-Einhalten von Pausenzeiten oder fehlenden Freizeitausgleich leidet. Eine ausreichende Personalbemessung, aber auch das Empowerment der Pflegekräfte sind wesentliche Schlüssel um diesen Problemen zu begegnen. Deswegen entwickeln wir ein wissenschaftlich fundiertes Personalbemessungsverfahren für Pflegeeinrichtungen. Die SPD will ein Sofortprogramm für mehr Pflegekräfte in der Altenpflege auflegen.

Einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine bessere Betreuung der Pflegeempfänger*innen haben wir durch die neue verbesserte Pflegedokumentation nach dem Strukturmodell von Elisabeth Beikirch erreicht: Die Pflegekräfte müssen demnach nicht mehr standardisiert viele einzelne Verrichtungen auflisten. Vielmehr zählen jetzt Besonderheiten und individuelle Bedürfnisse des*r Pflegeempfänger*in. Die verantwortliche Fachlichkeit der Pflegekräfte ist dabei viel stärker gefragt als bisher – auch ein Stück Empowerment.

Daseinsvorsorge

Pflege und Gesundheit zählen im sozialdemokratischen Verständnis zum Aufgabebereich der Daseinsvorsorge, d. h. zur Grundversorgung, die staatlich garantiert sein muss. Ich will den Kommunen ermöglichen, hier noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz 3 haben wir erste Schritte unternommen und die Rolle der Kommunen in der Pflege gestärkt. Darauf müssen wir aufbauen. Ich bin dafür, dass sich der Bund verstärkt in der Finanzierung der Länder und Kommunen engagiert. In der Pflege, aber auch in der Bildung. Die SPD setzt sich in diesem Zusammenhang für eine Aufhebung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern ein. Die Union hält am Kooperationsverbot fest.

Pflegeberufereform

In meinem Gespräch mit den Umschüler*innen erhielt ich Kritik zur verabschiedeten Pflegeberufereform. Dazu sage ich ganz klar: Ich halte die Einführung der generalistischen Ausbildung für eine pflegepolitische Notwendigkeit, wenn wir den Herausforderungen der Zukunft, den Herausforderungen des schon jetzt bemerkbaren Fachkräftemangels erfolgreich begegnen wollen.

Die Kritik lautete: Durch die generalistische Ausbildung würde Spezialwissen verloren gehen. Dies ist keineswegs der Fall. Die gemeinsamen Anteile der bislang getrennten Ausbildungen sind ohnehin sehr groß. D. h die Zusammenlegung ist fachlich sinnvoll. Für alle altersgruppenbezogenen Lehrinhalte werden zudem innerhalb der Ausbildung ausreichende Ausbildungsstunden vorgesehen sein – sowohl in der theoretischen als auch in der praktischen Ausbildung. Die Struktur der Ausbildung wird jedoch so gestaltet, dass es für die Absolvent*innen später möglich sein wird, beispielsweise von der Kinderpflege zur Altenpflege zu wechseln und umgekehrt. So erhalten die Absolvent*innen der Pflegeschulen mehr Karriere- und Wechselmöglichkeiten während ihrer beruflichen Laufbahn. Durch die größere Wahlfreiheit werden sie weniger an Arbeitsplätze mit schlechteren Bedingungen gebunden sein und so einen systematischen Vorteil bei Verhandlungen gegenüber den Arbeitgeber*innen ausspielen können. Der Pflegeberuf wird damit attraktiver. Mehr junge Menschen werden ihn hoffentlich ergreifen wollen und die Verweildauer im Beruf wird länger.

Am 24. September ist Bundestagswahl

Ich freue mich immer wieder, wenn Bürger*innen pflegepolitische Themen diskutieren und sich über Pflegepolitik informieren wollen. Pflegepolitik betrifft in Deutschland mehrere Millionen Menschen und verdient die politische Aufmerksamkeit aller Bürger*innen. Die vielen Gespräche bei uns im Bundestag mit den Besucher*innengruppen, in der Familie und im Bekanntenkreis bilden das Herz unserer Demokratie.

Meine Bitte ging an die Besucher*innen ebenso wie jetzt an die Leser*innen: Informieren Sie sich, lesen Sie die Wahlprogramme, hören Sie aufmerksam zu, diskutieren Sie. Und gehen Sie bitte wählen. Entscheiden Sie sich. Die SPD steht für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung in der Pflege und den sozialen Berufen insgesamt, starke öffentliche Daseinsvorsorge, die Bürger*innenversicherung und die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf.

Besuchergruppe Umschüler*innen Verwaltungsfachangestellte