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Engagement der Unterstützer*innen für geflüchtete Menschen ist gelebte Willkommenskultur

Das Engagement der ehrenamtlichen Unterstützer*innen für geflüchtete Menschen ist gelebte Willkommenskultur. Die Landesgruppe Berlin der SPD-Bundestagsfraktion lud am 10. Dezember 2015, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, ehrenamtliche Unterstützer*innen ein zum Dialogforum #NeuesMiteinander "Herausforderungen aktueller Flüchtlingspolitik - Helferinnen und Helfer im Gespräch". Über 150 Engagierte aus den verschiedensten bezirklichen Willkommensbündnisse und HILFT-Initiativen, aus Sportvereinen, Integrationsarbeit und des interkulturellen Dialogs, der verschiedenen Glaubensgemeinschaften und der Wohlfahrtsverbände, aus europäischen Institutionen und Botschaften, aus MdB-Büros und Berliner Verwaltungen sowie aus dem Gesundheitswesen sind unserer Einladung auf die Fraktionsebene des Reichstagsgebäudes gefolgt.

Wir halten zusammen!

Meine Begrüßung und Einleitung habe ich zum Anlass genommen, den Unterstützer*innen, die vor Ort jeden Tag einen herausragenden Beitrag zu praktischer Willkommenskultur und Inklusion leisten, herzlich zu danken. Über vier Millionen Menschen unterstützen die Geflüchteten und formieren damit eine der größten sozialen Bewegungen seit Jahrzehnten. Ihr Engagement prägt das Bild Deutschlands und ist Basis für unser solidarisches Miteinander.

In Deutschland aber auch in vielen europäischen Nachbarländern erleben wir derzeit Rufe nach Abschottung. Rechtspopulistische und rassistische Parteien wittern Morgenluft. Auch wir nehmen hier Gefahren rechter Ideologie, wie sie von Pegida oder der AfD vertreten wird, wahr. Gemeinsam müssen wir dagegen halten: Für eine solidarische Gesellschaft und gegen die aggressive und menschenfeindliche Propaganda von RassistInnen.

Wir Sozialdemokratinnen, wir alle hier, wollen keine Spaltung der Gesellschaft - wir wollen eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung. Menschen, die zu uns kommen, sind eine Bereicherung unserer vielfältigen Gesellschaft! Wir wollen Geflüchteten und MigrantInnen echte Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft ermöglichen! Dazu müssen wir für alle Flüchtlinge so früh wie möglich den barrierefreien Zugang zu Arbeit und Beschäftigung, zu Sprachkursen und Bildungsangeboten schaffen.

Es ist derzeit ein Trauerspiel, wie sich europäische Gesellschaften voneinander abschotten - und dieses auf dem Rücken der Schwächsten! Derzeit sind rund 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht - vor Krieg, Gewalt, politischer Verfolgung oder wirtschaftlichem Elend. Die internationale Gemeinschaft steht gemeinsam in der Verantwortung, diese Fluchtursachen zu beisttigen - wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass auf der Welt Krieg herrscht und Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Gemeinsam müssen wir Länder, in denen Krieg herrscht, stabilisieren und ihnen dabei helfen, ihrer Bevölkerung wieder Schutz und eine Lebensperspektive zu bieten.

Globalisierung darf keine Einbahnstraße sein. Globalisierung und Migration sind zwei Istten einer Medaille. Wir müssen uns der Herausforderung stellen, dafür zu sorgen, dass aus der Begegnung mit anderen Kulturen auch die Chance auf die Herausbildung neuer weltgesellschaftlicher Verhältnisse erwächst. Dazu bedarf es der Vision einer Gesellschaft, die allen Menschen an allen Orten der Welt Zugang zu menschenwwürdigen Lebensbedingungen sichert. Nur so wird dem doppelten Recht, dem Recht zu bleiben und dem Recht zu gehen, zum Durchbruch verholfen.

Wir brauchen mehr internationale Kooperation - auch bei den großen Zukunftsfragen der sozialen Gerechtigkeit und des Klimawandels.

Die Übernahme sozialer und politischer Verantwortung verändert Menschen und die Umwelt

Meine Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer nutzte die Gelegenheit, die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit in ihrem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf zu schildern. So unterschiedlich die Motive der Engagierten auch istn mögen. Bei manchen spielt die Familienbiografie mit der Erinnerung an Flucht und Vertreibung nach dem zweiten Weltkrieg eine Rolle. Andere haben einige Zeit im Ausland gelebt und erinnern sich daran, wie fremd sie sich dort zunächst fühlten. Sie besitzen soziales und politisches Verantwortungsgefühl sowie den Wunsch, ganz konkrete Hilfe zu leisten im direkten Kontakt zu den Menschen. Die Engagierten erleben es als persönliche Bereicherung, dazu beizutragen, dass Deutschland denjenigen hilft, die vor Bürgerkrieg oder extremer Not geflohen sind. Die engagierten BürgerInnen machen deutlich, dass sie ihr soziales Umfeld aktiv gestalten wollen und auch zu Veränderungen beitragen.

Am Tag der Veranstaltung hatte Ute Finckh-Krämer zwei Flüchtlingseinrichtungen besucht und berichtete, dass sich die Situation dort in den vergangenen Monaten verbessert habe. Sie zeigte sich tief beeindruckt vom Engagement der Unterstützer*innen für geflüchtete Menschen: „Diejenigen, die mit Flüchtlingen umgehen, die wollen, dass mit Flüchtlingen menschlich umgegangen wird“. Deshalb bedarf es weiterer Anstrengungen, um die Bedingungen in den Unterkünften für Geflüchtete zu verbessern. Auch die Information der Bürger*innen und die Kommunikation mit den ehrenamtlich Engagierten muss ausgebaut werden.

Herausforderungen aktueller Flüchtlingspolitik

Staatssekretär Dieter Glietsch, der Beauftragte für das Flüchtlingsmanagement in Berlin, gab einen Überblick über die Situation in Berlin und die Maßnahmen des Senats. Dass Berlin bereits über 70.000 Geflüchtete aufgenommen habe, ist eine durchaus beeindruckende Leistung, die jedoch im Schatten der medialen Debatte über die nicht akzeptablen Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) steht. Das LAGeSo ist in der Öffentlichkeit als Synonym für Politikversagen und es bedarf dringender Verbesserungen bei der Registrierung und Leistungsgewährung. Sehr positiv wurden unter den Teilnehmer*innen deshalb die von Glietsch angekündigten Maßnahmen aufgenommen, mit denen die Situation am LAGeSo entspannt werden soll. Dazu gehören die Abschaffung des Windhundverfahrens, das derzeit zu unnötigen Warteschlangen ab den frühen Morgenstunden führt, die durchgängige Öffnung beheizter Wartezelte und eine bessere Kommunikation mit den Geflüchteten und Unterstützer*innen. Mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte will Berlin zudem dazu beitragen, die Hürden bei der Gesundheitsversorgung der geflüchteten Menschen abzubauen und die bisher erforderliche Vorsprache beim LAGeSo abzuschaffen.

Als dringendes Problem schilderte Dieter Glietsch die Herrichtung von Unterkünften. Bei der Einrichtung der bislang 80 Unterkünfte ist die Sicherstellung adäquater Sanitäranlagen und die Erfüllung von Brandschutzauflagen bereits eine große Herausforderung, die sich weiter verschärft, wenn immer ungeeignetere Standorte nutzbar gemacht werden müssen. Bisher ist es gelungen, für die allermeisten der über 40.000 in Berlin untergebrachten Menschen Plätze in geeigneten Unterkünften zu schaffen. Die Nutzung von Turnhallen ist hingegen die denkbar schlechteste Lösung, allerdings zur Unterbringung von derzeit 7.000 Menschen zwingend nötig gewesen. Da die Belegung von Turnhallen häufig auch Kritik wegen der Beeinträchtigung des Schul- und Vereinssports hervorruft, muss auch klar gesagt werden, dass bisher nur 43 von 1050 Turnhallen in Berlin als Notunterkunft in Beschlag genommen wurden. Zusätzlich erschwert wird die Suche nach Unterkünften dadurch, dass viele der angebotenen Immobilien ungeeignet sind oder Eigentümer*innen die Notsituation ausnutzen und Mietangebote an der Grenze zur Unverschämtheit unterbreiten.

Als weitere große Herausforderung schilderte Dieter Glietsch die Suche nach seriösen und qualitativ guten Betreiber*innen. Zwar leisten neben den großen Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen auch zahlreiche private Betreiber*innen eine gute Arbeit, auch sie stoßen allerdings an ihre Kapazitätsgrenzen und scheuen sich zunehmend, insbesondere kleine Notunterkünfte neu in Betrieb zu nehmen. Für das kommende Jahr bietet das neu einzurichtende Landesamt für Flüchtlingsfragen die Chance, den Zuzug und die Betreuung von geflüchteten Menschen zu verbessern. Um parallel die Leistungen der Betreiber*innen überprüfen zu können, kündigte Glietsch verstärkte Qualitätskontrollen an und verwies auf die Möglichkeiten für Ehrenamtliche, ihnen bekannte Missstände an den Senat weiterzugeben. Alle Engagierten können sich, wenn vor Ort etwas schief läuft, direkt bei der Anlaufstelle des Landes Berlin unter (030) 390 88 399 melden. Ein Überblick über die Anlaufstellen und weitere Kontakte findet sich zudem auf den Internetseiten des Senats

Unterstützung für ehrenamtlich Engagierte

Die Bedeutung des freiwilligen Engagements für unsere Gesellschaft betonte Christine Fidancan, Leiterin des Ehrenamtsbüros von Tempelhof-Schöneberg. Die zahlreichen Helfer*innen sorgen mit ihrem Einsatz auch dafür, dass das Ehrenamt endlich so gewürdigt werde, wie es die engagierten Menschen verdienen. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg unterstützt das Ehrenamt bereits seit fünf Jahren durch Fortbildungsangebote in Kooperation von Ehrenamtsbüro und Volkshochschule. Für 2015 und 2016 wurde ein speziell auf die Flüchtlingsarbeit zugeschnittenes Programm entwickelt. Auch in den anderen Bezirken stehen Ehrenamtsbüros oder Freiwilligenagenturen den Ehrenamtlichen mit Rat und Tat zur Seite.

Aus der praktischen Arbeit der Helfer*innen vor Ort berichtete Fidancan, dass nicht alle Betreiber*innen von Flüchtlingseinrichtungen die Mitwirkung von ehrenamtlich Engagierten zuließen. In diesen Fällen fehlt nicht nur die wichtige Unterstützung für die Geflüchteten, sondern es frustriert zugleich die Engagierten. Die Vorgabe des Senats, in den Verträgen mit allen Betreiber*innen eine hauptamtliche Koordination des Ehrenamts zu verankern, ist deshalb umso wichtiger und muss konsequent durchgesetzt werden.

Austausch und Diskussion

Die Bundestagsabgeordnete Dr. Eva Högl ging auf die zahlreichen Fragen zu den bundespolitischen Rahmenbedingungen ein. So erläuterte sie, dass der Zugang zu Sprach- und Integrationskursen voranging für diejenigen Menschen vorgesehen ist, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben. Dies habe jedoch in der Praxis zu dem Problem geführt, dass Geflüchteten aus Afghanistan die Integrationsangebote verwehrt blieben. Sie wird dies gegenüber der Bundesregierung vortragen und auf eine Änderung drängen.

Die Vielzahl von Fragen und Anmerkungen der Teilnehmer*innen machten vor allem deutlich, wie vielfältig die verschiedenen Gruppen der ehrenamtlichen Helfer*innen sind. Neben konkreten Aspekten einzelner Unterkünfte wurde auch für die Willkommenskultur gegenüber neu ankommenden Geflüchteten geworben. In mehreren Beiträgen wurde aber auch die Befürchtung deutlich, das Ehrenamt solle zunehmend staatliche Aufgaben ersetzen.

Nicht auf alle Fragen und Anregungen konnten schon umfängliche und fertige Antworten gegeben werden. Deswegen gab es die Möglichkeit, weitere Fragen aufzuschreiben. Mein Team und ich werden diese im Nachgang der Veranstaltung beantworten.

Dass der Abend neben der spannenden Diskussion auch Gelegenheit für ein geselliges Zusammenkommen bot, hatten wir besonders der musikalischen Umrahmung durch Altyn Annamuradova zu verdanken. Ihr und allen engagierten Teilnehmer*innen gilt mein Dank für diesen gewinnbringenden Austausch.