Parlamentarisches Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie diskutiert über langfristige Konsequenzen für das Gesundheitssystem
Um die langfristigen Konsequenzen für das Gesundheitssystem ging es in der Öffentlichen Anhörung
https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/pandemie/anhoerungen#url=L2F1c3NjaHVlc3NlL2ExNC9wYW5kZW1pZS9hbmhvZXJ1bmdlbi84NTA0MDQtODUwNDA0&mod=mod837786
des Parlamentarischen Begleitgremiums zur Covid-19-Pandemie am Donnerstag, den 8. Juli 2021. Die eineinhalb Stunden Sitzungsdauer waren viel zu knapp, um den zahlreichen Facetten des Themas gerecht zu werden. Denn die Corona-Krise hat für die gesamte Gesellschaft, aber vor allem für das Gesundheitssystem, immense, immer neue und sich im Laufe der Pandemie ständig ändernde Herausforderungen gebracht.
Maßnahmen zur Vorsorge
Die Überlegungen, eine Notreserve des Bundes zur Bevorratung der notwendigen Schutzausrüstungen für Krankenhäuser und anderer Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge schreiten voran. Es gilt für die Zukunft besser gewappnet zu sein u.a. auch bei Unterbrechungen nationaler und globaler Lieferketten in künftigen Pandemien. Zu beantworten sind Fragen nach Auswahl und Haltbarkeit, nach der zentralen oder dezentralen Lagerung und Logistik und außerdem die sinnvolle Menge. Wir haben in der Covid-19-Pandemie gelernt, dass die Dauer einer gesundheitlichen Notlage kaum vorauszusehen ist.
Auf europäischer Ebene gibt es Ansätze zur Gründung einer neuen, übergreifenden Behörde für Notfallmaßnahmen im Gesundheitswesen. Die künftige European Health Emergency Response Authority (HERA), so der Name, soll nach dem Grundsatz einer Public Private Partnership aufgestellt werden und die öffentliche Krisenvorsorge in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union koordinieren - ein sehr zu begrüßendes Vorhaben angesichts globaler Pandemien, die nicht vor Landesgrenzen haltmachen.
Trifft uns die vierte Welle?
Die Sachverständigen gaben eine positive Einschätzung zur derzeitigen Bekämpfung der aktuellen Covid-19-Pandemie ab. Obwohl die Delta-Variante uns allen Sorgen macht, sind wir - zumindest in Deutschland - auf einem guten Weg: Gerechnet wird für den Herbst zwar nicht mit einem sehr starken Anstieg der Intensivpatient*innen wohl aber mit einer erhöhten Zahl an infizierten Personen. Wichtig sei es, den Anstieg möglichst flach zu halten.
Wie hart uns die vierte Welle nach den Sommerferien bzw. zu Beginn des Herbstes trifft, hängt entscheidend von der bis dahin erreichten Impfquote ab. Verwiesen wird auf das weiterhin notwendige Einhalten der erprobten AHAL-Schutzmaßnahmen: Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, (Alltags-)Maske tragen und regelmäßiges Lüften.
Zentrale Erfassung von Daten
Die Einführung des Intensivbetten-Registers durch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI) hat sich als sinnvoll erwiesen, auch wenn dieses zuletzt in die Kritik geraten ist. Der fundierte Überblick über die wohnortnah verfügbaren Kapazitäten ist nach Ansicht der Expert*innen essentiell. Zur Bewältigung der Pandemie ist die zentrale Erfassung von Daten über die Auslastung des Gesundheitssystems extrem hilfreich.
Nicht nur die verfügbaren materiellen Ressourcen haben maßgeblichen Einfluss auf die Fähigkeit des deutschen Gesundheitssystems in Deutschland, solch große Herausforderungen wie die Covid-19-Pandemie zu bewältigen. Sehr maßgeblich ist die personelle Ausstattung u.a. in den Krankenhäusern. Derzeit gibt es nicht nur auf den Intensivstationen sondern im gesamten, bundesweiten Gesundheitssystem deutlich zu wenig Fachkräfte.
Innovationspotential der digitalen Gesundheitswirtschaft
Die digitale Gesundheitswirtschaft hat sich als belastbar erwiesen. Indem die Branche beispielsweise in kürzester Zeit die Corona-WarnApp als auch die „Luca-App“ entwickelt und zur Verfügung gestellt hat, hat sie ihre schnelle Handlungsfähigkeit als auch das Innovationspotential unter Beweis gestellt. Einige Sachverständige bemängelten, die in der Gesellschaft nach wie vor „weitverbreitete Skepsis gegenüber privatwirtschaftlichen Initiativen“.
Großer Handlungsbedarf bei Public Health-Ansätzen
Wir Sozialdemokrat*innen waren insbesondere daran interessiert, mit welchen präventiven Ansätzen wir Pandemien bekämpfen können. Prof. Dr. Raimund Geene verwies in seiner Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/850974/381e291581e3348e65b038328ae210b6/19_14-2_13-3-_ESV-Prof-Dr-Raimund-Geene-_Langfriste-Konsequenzen-data.pdf
als auch seinen Ausführungen auf die Dringlichkeit der Entwicklung von New Public Health-Strategien. Das fachliche Präventionskonzept der Gesundheitsförderung müsse unbedingt ausgebaut werden. Es brauche mehr Impulse, um gesundheitsbezogene Reformbewegungen anzustoßen und zu stärken. Dazu gehören Setting-Ansätze für die aktive Einbeziehung und Partizipation aller Akteur*innen in Settings wie Betriebe, Schulen, Kitas, Pflegeeinrichtungen oder auch Stadtteile. Das gesamte Gesundheitswesen müsse sich verstärkt für Präventionsstrategien und -maßnahmen öffnen.
Hier ist die Bundesebene in der Pflicht. Diese müsse Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer solchen Strategie sowie deren Umsetzung auf kommunaler Ebene schaffen. Präventionsstrategien sind als Teil einer öffentlichen Daseinsvorsorge zu verstehen. Deshalb müssen der Bund, die Länder und die Kommunen zielgerichtet zusammenwirken. Möglicherweise ist im Hinblick auf Public Health sogar eine Grundgesetzänderung notwendig, um die Bedeutung und Ausstattung der Gesundheitsprävention zu stärken.
Pflege strukturell verbessern
Mehrere Fragen haben wir Sozialdemokratinnen auch an Frau Annemarie Fajardo, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates gestellt. Schon vor der Pandemie hat ein eklatanter Fachkräftemangel in der Pflege geherrscht. Die hohe Belastung während der Pandemie hat zu einem erhöhten Berufsausstieg und damit zu einer Verschärfung des Pflegenotstandes geführt. Dringend geboten sind mehr psychosoziale Unterstützungsangebote als auch eine verbesserte Informationsbereitstellung für die Pflegekräfte. Zu den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zählen u.a. eine angemessene Vergütung, ein besserer Personal- und Betreuungsschlüssel, ausreichende Kapazitäten an Schutzmaterial etc. Damit wird nicht nur die Zufriedenheit der Beschäftigten erhöht, sondern auch die Qualität der Pflege verbessert.
Schon seit langem wird die Stärkung der Selbstverwaltung des Heilberufes Pflege und die Einbeziehung der Pflegefachkräfte in politische und fachliche Entscheidungsprozesse gefordert. Weitere Ausführungen hierzu sind in der Stellungnahme
https://www.bundestag.de/resource/blob/850718/ad139728e03615fd1f7b5572d2cc56a0/19_14-2_13-1-_Deutscher-Pflegerat-_Langfriste-Konsequenzen-data.pdf
enthalten.
Pflege als Heilberuf ist der Garant dafür, dass Deutschland in Zukunft die Versorgung der Bevölkerung sichern kann. Die Einführung der generalistischen Ausbildung und der gesetzlich abgesicherte Kompetenzvorbehalt für die Pflegefachkräfte hat zu einer erhöhten Nachfrage für den Berufseinstieg geführt. Der Beruf ist auch mit der Einführung eines Studiums Pflege attraktiver geworden. Dem höheren Interesse, Pflege zu studieren, steht jedoch entgegen, dass die finanzielle Situation der Studierenden noch unzureichend geregelt ist und es noch keine flächendeckenden tarifvertraglich geregelten Vergütungen und Statuseinordnungen für akademisierte Pflegefachkräfte gibt.
Eine vorausschauende Personalplanung ist für alle Berufe des Gesundheitswesens notwendig
Die, um die es geht
Wichtig ist es vor allem, die betroffenen Pflegebedürftigen und Patient*innen und ihre Lebenslagen selbst in Maßnahmen einzubeziehen. Diese sollten auch bei geeigneten Schutzmaßnahmen, Besuchsregelungen etc. stärker selbst zu Wort kommen. Es müssten vor allem auch neue Konzepte entwickelt werden, damit niemand aufgrund von Einschränkungen vereinsamt sterben müsse.
Pflegeeinrichtungen haben während der Covid-19-Pandemie auch kreative Lösungen generiert, wie z.B. Umstrukturieren im Eingangsbereichs, in der nun sowohl die Registrierung, Testungen etc. erfolgen.
Und erneut die Empfehlung für die Zukunft: Pflegekräfte mit ihrer Erfahrung und Professionalität sind von vornherein in die Krisenstäbe einzubinden.
Das Ziel: Gute Versorgung
In der Summe lässt sich feststellen, dass das Gesundheitssystem in Deutschland vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. So war hierzulande in den Krankenhäusern keine Triage notwendig wie in anderen Ländern. Dennoch wird darauf verwiesen, sich auch mit Blick auf zukünftige Pandemien oder andere gesundheitliche Herausforderungen die Strukturen des Gesundheitswesens und die Versorgungslagen in den Regionen genauer anzuschauen.
Nicht hilfreich für die Patient*innen seien Doppelangebote im Krankenhauswesen. Es braucht mehr komplementäre, sich ergänzende regionale Versorgungsstrukturen. Nicht nur ich ziehe am Ende der Öffentlichen Anhörung das Fazit: Wettbewerb und Kostendruck haben im Gesundheitssystem nichts zu suchen. Alleiniges Ziel kann nur eine gute, vernetzte Versorgung der Patient*innen sein!
Die nächste Sitzung
In der nächsten öffentlichen Anhörung wird es speziell um den „Stand des Ausbaus der Digitalisierung im Gesundheitswesen als Infrastruktur der Pandemiebekämpfung zur Brechung von infektionsketten“ gehen. Wie immer können Sie die Sitzung des Unterausschusses im Parlamentsfernsehen live mitverfolgen: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/pandemie/anhoerungen#url=L2F1c3NjaHVlc3NlL2ExNC9wYW5kZW1pZS9hbmhvZXJ1bmdlbi84NTA0MDYtODUwNDA2&mod=mod837786.
Um die langfristigen Konsequenzen für das Gesundheitssystem ging es in der Öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Begleitgremiums zur Covid-19-Pandemie am Donnerstag, den 8. Juli 2021.
Die eineinhalb Stunden Sitzungsdauer waren viel zu knapp, um den zahlreichen Facetten des Themas gerecht zu werden. Denn die Corona-Krise hat für die gesamte Gesellschaft, aber vor allem für das Gesundheitssystem, immense, immer neue und sich im Laufe der Pandemie ständig ändernde Herausforderungen gebracht.