Liebe Leserin,
lieber Leser,
Lichterketten auf den Straßen und Weihnachtsmärkte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass in unserem Lande die Stimmungslage wenig auf Besinnung und Warten eingestellt ist. Aus sehr verschiedenen Gründen ist überall das Gefühl der Angespanntheit spürbar. So auch bei mir.
Sehr schwer getan habe ich mich mit der Entscheidung zum Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Nach bestem Wissen und Gewissen habe ich mich in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit letztlich für „Enthaltung“ entschieden. Die Gründe habe ich in einer Persönlichen Erklärung dargelegt.
Mit allen KollegInnen im Deutschen Bundestag bin ich der Meinung, dass die Terrororganisation "Da‘esh" barbarisch handelt. Ich habe weder Bedenken, dass die rechtlichen Voraussetzung für den Einsatz nicht gegeben sind, noch bin ich der Meinung, dass sich die bereits gegebene Gefährdungslage in Deutschland verschlechtert. So wie für jede andere offene und pluralistische Gesellschaft auch, ist sie bereits gegeben. Ich stehe in Solidarität zu unserem EU-Partner Frankreich. Auch die Überlegung unseres Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier ist bedenkenswert: „Wenn wir nicht verhindern, dass sich der IS noch weitere Teile Syriens unter den Nagel reißt, dann wird in Syrien nichts übrig bleiben, was wir befrieden und durch einen politischen Prozess in eine andere, hoffentlich bessere, Zukunft überführen können.“. Mir macht aber sehr, sehr große Sorge, dass die beim Militärschlag vereinten Partner untereinander so viele verschiedene und teilweise so gegensätzliche Interessen damit verfolgen. Ich würde mir die Beziehung Russland - Türkei fast gerne als „eisig“ vorstellen, bin aber ehr von sehr „heiß“ überzeugt. Unklarheit herrscht über die Dauer und die künftige Reichweite des Einsatzes: Dieses Mandat ist auf ein Jahr angelegt und umfasst die in Deutschland vorhandenen Fähigkeiten. Verteidigungsministerin von der Leyen spricht aber bereits heute von einem Einsatz von mindestens zehn Jahren und ExpertInnen äußern, dass ein Krieg gegen den Da´esh ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen sei. Unklar ist mir auch, ob „plötzlich“ der syrische Diktator Bashar al-Assad zu unseren militärischen Partnern gehört – eine mehr als schwer zu ertragende Vorstellung. Zu viele vor seinem Regime geflohene Menschen finden nun auch in Deutschland Schutz. Einem solchen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geforderten "politischem Zweckbündnis auf Zeit" will ich meine Stimme nicht geben. Ich hoffe sehr, dass der „Wiener Prozess“ zur Beilegung der Konflikte in Syrien und zur regionalen Stabilisierung in einem Jahr erkennbare Fortschritte erzielt. Angenommen, es kommt zu einem schnellen militärischen Sieg: Für mich ist völlig offen, was mit den zurückeroberten Gebieten und den Regionen, aus denen der Da‘esh verdrängt wird, überhaupt geschieht. Fallen diese an das syrische Regime zurück? Bilden sie den Keim für einen Kurdenstaat? Werden sie einem internationalen Protektorat zum Schutz der Zivilbevölkerung unterstellt? Bleiben die Militär-Partner auch Friedens-Partner? Mir ist leider kein Konsens im Hinblick auf eine gemeinsame nachhaltige politische Friedensaufbauperspektive bekannt.
Angespannt ist die politische Stimmung auch in vielen anderen Fragen. Ich möchte mich aber an dieser Stelle einigen erfreulichen Perspektiven zuwenden: