Bewegte Zeiten sind das: Krisenzeiten nämlich, die Angst machen, aber auch hoffen lassen - hoffen auf eine Zukunft, in der ein solcher Super-GAU nicht mehr passieren kann, weil es endlich klare Regeln für die Finanzmärkte geben wird. Wie heißt es doch so treffend: In jeder Krise steckt eine Chance!
Neben all der Angst um Arbeitsplätze hat die Krise auch gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland stehen solidarisch zusammen. Ganz stark hat man das in den Tagen rund um die Entscheidung zu Karstadt/Arcandor gemerkt. Auch am Tempelhofer Damm vor der Karstadt-Filiale haben Tausende Bürgerinnen und Bürger wie ich ihre Empörung, ihr Mitgefühl und ihre Solidarität bekundet. Tausende von ihnen haben sich mit ihrer Unterschrift für den Erhalt der Arbeitsplätze von Karstadt Tempelhof stark gemacht. Und mindestens genauso wichtig war und ist, dass die Kundinnen und Kunden nach der Devise "jetzt erst recht" vermehrt bei Karstadt kaufen. Auch das ist eine Chance der Krise: das solidarische Zusammenstehen der Bevölkerung für die gemeinsame Sache.
Bereits vor Monaten habe ich Martina Kranz, Betriebsratsvorsitzende von Karstadt- Tempelhof, bei einem Frühstück des Vereins TeMa e.V., der sich für die Entwicklung des Tempelhofer Damm einsetzt, kennen gelernt. Von Anfang war klar: Auch Karstadt engagiert sich für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des T-Damms und will dazu beitragen, dass die Lebensqualität der jungen und älteren AnwohnerInnen steigt. Schon jetzt trägt Karstadt viel zur Wohnqualität des Kiezes rund um den T-Damm bei. Kieze brauchen Mittelpunkte, und Karstadt ist ein solcher Mittelpunkt. Zusammen mit dem Tempelhofer Hafen haben wir hier Magneten, von denen auch der hiesige Einzelhandel profitiert, die ihrerseits die Gegend um den Tempelhofer Damm für die Menschen attraktiv zum Wohnen machen.
Bei Karstadt-Tempelhof arbeiten rund 200 Beschäftigte, überwiegend Frauen. Diese Frauen ernähren mit ihrem Verdienst genauso ihre Familien wie der Arbeiter im Opel-Werk. Frauen müssen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und das selbstverständlich auch über Krisenzeiten hinaus. Auch hier ist Solidarität, und zwar über Geschlechtergrenzen hinweg, angebracht.
Die enge Kooperation zwischen Betriebsrat und Filialgeschäftsführung sowie die große Solidarität der Beschäftigten mit ihrem Unternehmen habe ich als durchweg positiv wahrgenommen. Es gibt hier ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl. Freiwillig will hier niemand von Bord.
Als die Nachricht über den Ticker ging, dass Arcandor als 100-prozentige Mutter hohe Staatsbürgschaften beantragt, war der Schock groß. Staatsbürgschaften sind auch im Kontext der Insolvenz unerlässlich. Ich bin auch dafür: Über 50.000 Arbeitsplätze sind direkt bei Arcandor betroffen, mindestens so viele bei ihren Lieferanten und Dienstleistern. Das Traditionshaus Karstadt muss saniert und zukunftsfest gemacht werden. Noch ist es zu früh für lauten Optimismus. Ich bin aber zuversichtlich, dass Karstadt am Tempelhofer Damm noch viele Jubiläen feiern wird.
Kolumne von Mechthild Rawert im Tempelhofer Journal, Ausgabe Juli/August 2009