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Mit dieser Regierung keine Neuausrichtung in der Pflege

(Erschienen in der Berliner Stimme, Nr. 3/4, S. 11, 18.02.2012)

Pflegepolitisch war das vollmundig zum „Jahr der Pflege“ erklärte Jahr 2011 bekanntermaßen ein Flop. Nun hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) endlich einen Referentenentwurf für das „Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (PNG)“ vorgelegt. Dieser ist von vorneherein nur eine wahltaktische Übergangslösung, ist ein erneuter Flop.

Das Hauptversprechen des Entwurfs liegt darin, dass das ambulante Leistungsangebot für Demenzkranke verbessert wird, u.a. indem zur bisherigen Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung Betreuungsleistungen hinzukommen sollen. Ab dem 01. Januar 2013 sollen diese neuen Leistungen ausgezahlt werden. Zur Finanzierung wird zeitgleich der Pflegebeitragssatz um 0,1 Prozent erhöht. Allerdings gelten diese ambulanten Leistungsverbesserungen nur für die Pflege Zuhause. Leistungsverbesserungen für die Pflege Demenzerkrankter in Heimen sind nicht geplant.

Betont wird, dass es einen Konsens über die Notwendigkeit eines neues Pflegebedürftigkeitsbegriffes gibt. Dieser soll sich nicht lediglich an körperlichen sondern auch an kognitiven oder psychischen Einschränkungen orientieren und den Grad der Hilfebedürftigkeit bei den täglichen Verrichtungen in den Mittelpunkt stellen. Er soll weg von der Minutentaktpflege führen, denn „Pflege ist eine menschliche Zuwendung und keine Akkordarbeit“. Obwohl die Vorarbeiten für diesen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff seit Jahren auf dem Tisch liegen, will Bundesgesundheitsminister Bahr ab Februar noch einen neuen Expertenrat einberufen, um erneut eine „Vielzahl insbesondere auch technischer Fragen“ zu klären. Ich sage voraus: Da diese Bundesregierung schon zwei Jahre für eine Pflegereform ungenutzt hat verstreichen lassen, wird es in dieser Legislaturperiode weder in der Pflege selbst noch hinsichtlich der Pflegeversicherung zu strukturellen Verbesserungen kommen.

Pflegereförmchen bis zur Bundestagswahl

Der vorgelegte Referentenentwurf ist nicht die Pflegereform, die wir angesichts der enormen Herausforderungen des demographischen Wandels brauchen. Stattdessen ist dieses Reförmchen leistungsrechtlich so zusammengestutzt, dass es dem vereinbarten Minimalkompromiss zur gesetzlichen Pflegeversicherung des CDU/CSU/FDP-Koalitionsgipfels im vergangenen November entspricht: Die zerstrittenen Koalitionspartner hatten sich auf eine Milliarde Euro zur Verbesserung der Pflege, insbesondere zur Unterstützung für Menschen mit Demenz geeinigt. Um diese zusätzlichen Leistungen zu finanzieren, wurde zum 1. Januar 2013 eine Beitragssteigerung zur Pflegeversicherung von 0,1 % beschlossen und dass es eine freiwillige, private Zusatzvorsorge für die Pflege geben soll, die analog zur Riester-Rente steuerlich gefördert wird. Mein Fazit: Die Bundesregierung drückt sich um eine nachhaltige Pflegereform, da über deren Finanzierung keine Einigkeit herzustellen ist.

Statt Antworten auf die enormen Pflegeherausforderungen zu geben, will sich diese Bundesregierung nur bis zum Wahltag 2013 retten und überlasst ihrer Nachfolgerregierung mit dieser Scheinreform einen Haufen unerledigter Aufgaben. Das wirklich Ärgerlich aber ist: Für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen werden auch die kommenden 24 Monate verlorene Monate sein.

Nur mit der Bürgerversicherung eine solide Pflegeversicherung
Wir brauchen die Einführung der solidarischen und paritätisch finanzierten Bürgerversicherung auch in der sozialen Pflegeversicherung. Nur so erhalten alle Menschen unabhängig von der Art ihrer Einschränkungen endlich einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Solide Schätzungen besagen, dass die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes mit zusätzlichen Kosten von jährlich bis zu 3,6 Milliarden Euro verbunden ist, für die ersten Übergangsjahre kommen noch weitere drei Milliarden Euro hinzu. Mit der solidarischen Bürgerversicherung sind für Arbeitgeber als auch für ArbeitnehmerInnen Beitragssteigerungen ohne zusätzliche private Pflegeversicherung finanzierbar. Vermieden wird so auch der Einstieg in eine Zwei-Klassen-Pflege.