„Too big to fail is too big to exist“ lautete die Kernforderung von Harald Schumann auf dem Plenum der Berliner SPD-Linken. Auf der Grundlage eines Vortrages von Harald Schumann, Tagesspiegel-Journalist und Buchautor („Der globale Countdown“), zum Thema „Von der Finanz- zur Systemkrise - wirtschaftliche Macht und Demokratie“ diskutierten zahlreiche Mitglieder der Berliner Linken am 27. April im BürgerInnenbüro des Willy-Brandt-Haus. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Folgen des Fiskalpaktes für Europa, für Deutschland und die Revitalisierung der Parlamente.
Ob tatsächlich - wie von der CDU/CSU/FDP-geführten Bundesregierung geplant - bereits am 29. Mai im Deutschen Bundestag in 2./3. Lesung über den europäischen Fiskalpakt abgestimmt werden wird, ist noch unklar. Unbestritten ist, dass es sich hier um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, der tief in die Haushaltskompetenz des Deutschen Bundestages und der Länderparlaments eingreift und daher sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat mit einer 2/3-Mehrheit ratifiziert werden muss. Unabhängig von den Querelen innerhalb von Schwarz-Gelb: Die Stimmen von Union und FDP reichen dafür nicht aus, die Opposition, insbesondere SPD und Bündnis 90/Die Grünen, hat folglich eine Veto-, eine Mit-Gestaltungsmacht.
Harald Schumann forderte einen gemeinsamen europäischen Schuldentilgungsfonds, vertritt die Position, dass Eurobonds allein das Ausgleichsproblem aufgrund der unterschiedlichen Leistungsbilanzen in der Eurozone, in der Europäischen Union nicht lösen. Ungeklärt ist, wie die Quelle der Einnahmen für den Fiskalpakt überhaupt aussähen, wie - sofern mehrheitlich politisch gewollt - die notwendige europäische Transferunion finanziell ausgestaltet sein soll. Er tritt für die Einführung der Finanzmarkttransaktionssteuer, für eine starke Regulierung von Hedgefonds und von riskanten Derivaten ein und fordert ein Trennbankensystem zur Absicherung systemisch relevanter Banken, um so die Realwirtshaft abzusichern. Angeprangert wurde das Credo „too big to fail“. Schumann plädiert auch für Deutschland für die Durchsetzung einer moralischen Haltung, wie sie US-Senator Bernie Sanders vertritt: „Too big to fail is too big to exist“. Er plädiert für eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Finanzmärkte. Als große Aufgabe sieht er auch ein starkes Engagement für eine wirkungsvolle Regulierung der Finanzmärkte zur Eindämmung der exzessiven Rohstoff-Spekulation im Lebensmittelbereich.
Sozialdemokratischer Konzepte für eine Kampagne weiter entwickeln
In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem über folgende Fragestellungen und politische Herausforderungen debattiert:
- Haben unsere Parlamente, unsere parlamentarischen Gremien ausreichende Befugnisse zur wirklichen Kontrolle der Finanzmärkte?
- Worüber kann tatsächlich noch entschieden werden, was ist bereits längst Bestandteil europäischer Verträge?
- Haben wir wirkungsvolle Rekapitalisierungsmechanismen für Banken in der Krise?
- Welches Konzept stellt die SPD der von Bundeskanzlerin Merkel vernachlässigten Einnahmeseite gegenüber, damit die soziale Spaltung in Europa, in Deutschland sich nicht vertieft, zumal die Schuldenkrise in erster Linie auch eine Verteilungsfrage sei?
- Was bedeutet der Fiskalpakt für die Länder, für die Haushalte der Berliner Bezirke?
Die Anwesenden waren der Meinung, dass sich aus der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise längst eine „Governance-Krise“ entwickelt hat, das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie, in die politische Gestaltungskraft der Märkte durch Politik ist dramatisch gesunken. Aufgabe der SPD ist es, aus den Erkenntnissen auch schlagkräftige Kampagnen für die kommende Bundestagswahl zu formulieren, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewonnen werden kann.
Link zum DL21 Positionspapier zum Fiskalpakt