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Die Pflegereform der Bundesregierung ist völlig unzureichend

Am Montag ( 21.05.) fand eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege- Neuausrichtungs-Gesetz – PNG, Drucksache 17/9369) statt.

Ich finde es im Interesse der Pflegebedürftigen und der haupt- oder ehrenamtlichen Pflegenden unverantwortlich, dass die CDU/CSU/FDP-Bundesregierung nach einem ergebnislosen „Jahr der Pflege“ 2011 außer diesem „Reförmchen“ bis zum Ende ihrer Legislaturperiode fast gar nichts zur Verbesserung in der Pflege auf den Weg bringt. Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen für Demenzkranke reichen nicht aus, um Pflege nachhaltig zu verbessern. Weder wird Schluss gemacht mit der Pflege im Minutentakt, noch wird die Beschränkung auf somatische Erkrankungen aufgehoben.

Unzureichende Finanzierung - keine Nachhaltigkeit

Der Gesetzentwurf hält nicht, was er im Titel verspricht: Von der angesichts der demografischen Entwicklung notwendigen nachhaltigen „Neuausrichtung“ keine Spur. Ab dem 01.01.2013 werden jährlich rund 1,1 Milliarden Euro Mehreinnahmen generiert, indem der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent - bei Kinderlosen auf 2,3 Prozent - steigt. Mit diesem „Reförmchen“ ist die Pflegekasse aber nur bis 2014/2015 gesichert. Auf jede neue Bundesregierung kommt somit ein massiver Nachholbedarf und Handlungsdruck zu. Auch Heinz Rothgang, Bremer Professor für Sozialpolitik, bestätigte, dass das Geld nicht für eine grundlegende Reform ausreiche, er veranschlagt dafür einen Bedarf von drei bis vier Milliarden Euro. Eine nachhaltige Verbesserung entsprechend den Bedürfnissen und Bedarfen der Pflegebedürftigen und der Pflegenden sei aber mit der von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, den Linken sowie den Gewerkschaften präferierten Bürgerversicherung erreichbar.

Kritik an Schwarz-Gelb durch Sozialverbände

Für eine Sozialdemokratin war diese Anhörung sehr „erlebnisreich“, musste sich die Bundesregierung wegen ihres „Reförmchen“ doch massive Kritik von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Betroffenen anhören: „Wir vermissen eine wirkliche Neuausrichtung“, bemängelte Claus Bölicke, Vertreter der Arbeiterwohlfahrt. Die Regierung mache mit den Leistungsverbesserungen den zweiten Schritt vor dem ersten, kritisierte Fabian Müller-Zetzsche, Sozialverband Deutschland, der auch eine Festlegung darüber vermisste, wer welche Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung haben solle. Heidemarie Hawel, Vorstandsfrau der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, bemängelte, dass geistige Beeinträchtigungen mit dem Gesetzentwurf der Regierung weiterhin nicht gleichberechtigt behandelt würden, da auch künftig nur auf körperliche Defizite abgestellt würde. Die Caritas-Referentin Elisabeth Fix fügte hinzu, dass sie es „außerordentlich“ bedauere, dass kein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werde.

Situation der Pflegenden verschärft sich

Als Berichterstatterin für die Gesundheitsberufe bin ich am Wohl der Pflegenden interessiert. Sowohl die von mir befragte Vertreterin des Deutschen Frauenrates, einer Vereinigung von über 50 bundesweit aktiven Frauenverbänden und -organisationen, als auch die Vertreter des DGB und von ver.di bestätigten, dass mit diesem Gesetz keine Verbesserung der Situation der überlasteten Pflegenden erreicht würde. Der Deutsche Frauenrat kritisierte in seiner Stellungnahme aus gleichstellungsperspektivischer Sicht, dass der Gesetzentwurf in weiten Teilen Frauen betreffe, diese Tatsache aber gar nicht ausreichend berücksichtigt würde. Auf diese Weise werde weiterhin stillschweigend davon ausgegangen, „dass Pflege Zuhause und weitestgehend als ehrenamtliche Tätigkeit von ganz überwiegend Frauen (Töchter, Ehefrauen, Schwiegertöchtern, usw.) erbracht wird“. Der Deutsche Frauenrat forderte eine Honorierung für die Leistung der pflegenden Angehörigen.

Noch schärfer wurde damit ins Gericht gegangen, dass auch hinsichtlich der überwiegend weiblichen Beschäftigten in den pflegerischen Berufen keine Verbesserung erfolge. So schrieb der Deutsche Frauenrat: „Der Gesetzentwurf sieht eine Deregulierung bei den Arbeitsbedingungen vor und hat umgekehrt keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zum Ziel. Damit besteht zudem die Gefahr eines weiteren Absinkens der Entlohnungsstruktur in der Pflege. Zusätzlich wird nicht nur dem weiteren Absinken der Löhne und Gehälter Vorschub geleistet, sondern auch dem Absenken der erforderlichen Qualifikationsstandards: An vielen Stellen im Entwurf ist nur noch von „Pflegekräften“ (zuvor: Pflegefachkräfte) die Rede, ohne Konkretisierungen, über welche Qualifikation oder Ausbildung eine Pflegekraft verfügen muss“.

Diesen Ausführungen ist nichts mehr hinzuzufügen.

Die zahlreichen Stellungnahmen zur Anhörung sind nachlesbar unter: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a14/anhoerungen/v_PNG/Stellungnahmen/index.html