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„Blitzlichter“ aus der letzten Sitzungswoche (21. -25. Mai)

Dienstag, den 22. Mai
„Wir bereiten uns auf Regierungsverantwortung vor“ - so das Fazit der Debatte in der SPD-Fraktionssitzung. Deshalb laden wir am 14./15. September zu einem „Zukunftskongress“ der Fraktion ein und stellen dort Antworten auf die großen Aufgaben vor, die wir im „Projekt Zukunft - Deutschland 2020“ gemeinsam und im Dialog mit der Gesellschaft erarbeitet haben. Wir formulieren damit das Angebot für eine neue rot-grüne Regierung im Bund. Wir haben große Aufgaben zu stemmen, um unser Land auf die Zukunft einzustellen: Niemand darf abgeschrieben oder ausgegrenzt werden, das gilt mehr denn je.  

Topthema war natürlich auch wieder Europa. Einigkeit besteht darüber, dass wir einem mangelhaften Paket nicht zustimmen werden. Europa braucht nicht nur „Sparen, sparen, sparen“. Europa braucht vielmehr Investitionen und eine neue wirtschaftliche Dynamik, um aus der Abwärtsspirale aus Rezession und Verschuldung herauszukommen. Die Krise frisst sich von den Rändern ins Zentrum vor - und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie Frankreich und Deutschland erfasst. Arbeitslosigkeit und Rezession treiben auch die Schulden weiter in die Höhe. Es wird nahezu aussichtslos, dem Einbruch der Steuereinnahmen hinterherzusparen. Die Regierung der Niederlande ist daran zerbrochen. Spanien verfehlt seine Defizitziele und kann rasch der nächste Fall für den Rettungsschirm werden. Deutschland steckt mitten drin. Zwei Jahre falsche Krisenpolitik durch Schwarz-Gelb und die Kreditrisiken für unser Land sind nicht gesunken, sondern gestiegen - und zwar in dramatischer Weise. Auch für die bei der EZB aufgetürmten faulen Kredite und Anleihen haftet selbstverständlich in erheblichem Maße der deutsche Steuerzahler.

Höchste Zeit also für einen politischen Neuanfang. Wir müssen beginnen mit einem Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit, die z.B.  in Griechenland oder Spanien bis zu 50 % beträgt. Unsere Vorschläge dazu haben wir vergangene Woche mit dem Papier „Wege aus der Krise“ präsentiert. Wir SozialdemokratInnen sind bereit, 80 Mrd. Euro nicht gebundene EU-Strukturfondsmittel besser zu nutzen, um rasche Investitionsimpulse zu geben. Wir sind bereit, die Europäische Investitionsbank mit mindestens 10 Mrd. Euro mehr Eigenkapital auszustatten und damit ein Vielfaches an Kreditvolumen zu mobilisieren. Wir sind bereit, Projektanleihen aufzulegen, um privates Kapital für strategische Infrastrukturprojekte wie die europäischen Energienetze zu gewinnen. Aber wir fordern auch, bei Banken und Finanzmärkten die Samthandschuhe auszuziehen! Eine Initiative gleichgesinnter europäischer Staaten für eine Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte ist möglich und muss kommen. Hierzu stehen wir in enger Abstimmung mit der neuen französischen Regierung.

Wir erwarten, dass aufgrund der weiter eskalierenden Krise im Euroraum die Frage nach dem ESM bald gelöst wird. Die Bundesregierung ist gefordert, Vorsorge dafür zu treffen, dass der Rettungsmechanismus zum 1. Juli in Kraft treten kann. Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg gemeint, die ab dem 01. Juli die Zahlungsfähigkeit der Staaten und der Banken in der Eurozone sichern soll. Diese Institution kann eingerichtet werden, sobald der ESM-Vertrag von so vielen Euro-Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde, dass von diesen zusammen mindestens 90% des anfänglich geplanten Stammkapitals von 700 Milliarden Euro gezeichnet wurde. Der ESM soll die vorläufigen Maßnahmen des Euro-Rettungsschirmes ablösen und ist Teil der politisch als „Euro-Rettungsschirm“ bezeichneten dauerhaften Maßnahmenpakete.

Die Bundesregierung ist auch gefordert, weil die Bundesländer eine Antwort auf ihre Sorgen, durch den Fiskalpakt zusätzliche Lasten schultern zu müssen, dringendst benötigen.  

Mittwoch, den 23. Mai
Neben Änderungen zum Transplantationsgesetz war spannend die ExpertInnen-Anhörung im Gesundheitsausschuss zum Thema ADHS. Eine Schulrektorin, ein Neuro-Psychiater, ein Kinderpsychotherapeut und andere konstatierten, dass viel zu häufig die Diagnose „Aufmerksamkeit-Hyperaktivitäts-Störung“ (ADHS) gestellt werde. Manchmal frage mensch sich, ob ADHS nicht auch ein Symptom für überforderte Eltern sei. Viel zu häufig würde nicht nach den geltenden Leitlinien sondern mehr über den Daumen gepeilt diagnostiziert. Ein Problem der Mediziner sei, dass für eine Anamnese mehrere Stunden notwendig seien, die häufig aber nicht aufgebracht würden. Richtig sei aber auch, dass eine medikamentöse Behandlung zu einem frühen Zeitpunkt sehr effektiv wirken könne. Ein Problem sei heute noch: Was tun mit den Erwachsenen, bei denen ADHS diagnostiziert worden sei? 

Spannend auch die AG Gleichstellung zum Thema „Frauen und Gesundheit“. Karin Bergdoll vom AKF, Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V., und Jutta Begenau, Mitautorin des 1. Frauengesundheitsberichtes, Mitarbeiterin im Institut für Medizinische Soziologie an der Charité, erläuterten die aktuellen Forderungen zur Verbesserung von Frauengesundheit.

Donnerstag, 24. Mai:
Nach Aussagen von KollegInnen, verlief die Sitzung des NSU-Untersuchungsausschuss, in der als erster Politiker der ehemalige bayerische Innenminister Günther Beckstein aussagte, sehr sehr unbefriedigend. Da fünf Morde in Bayern begangen wurden, stand das Verhalten der bayerischen Behörden und die Arbeit der bayerischen Sonderkommission Bosporus im Mittelpunkt des Bundestags-Untersuchungsausschusses. Den Ausschuss bewegte die Frage, warum ein fremdenfeindlicher und rechtsextremer Hintergrund bei den Ermittlungen wohl nur eine unwesentliche Rolle gespielt habe. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) kritisierte mehrfach das Hin und Her zwischen dem Verfassungsschutz und der Soko Bosporus.

In namentlicher - auch mit meiner Stimme - Abstimmung erfolgte mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit eine Grundgesetzänderung zur Verbesserung des Rechtsschutz im Wahlrecht. Nach dem neuen Recht erhalten Vereinigungen, die vom Bundeswahlausschuss nicht als Parteien für eine Wahl zugelassen worden sind, nun die Möglichkeit, noch vor der Wahl Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben zu können. Die Vorgaben für das Verfahren des Wahlprüfungsausschusses wurden präzisiert. Für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird auf das bisherige Erfordernis des Beitritts von einhundert Wahlberechtigten verzichtet..

In 1. Lesung wurde im Deutschen Bundestag der Antrag „Für einen neuen Infrastrukturkonsens: Öffentlich-Private Partnerschaften differenziert bewerten, mit mehr Transparenz weiterentwickeln und den Fokus auf die Wirtschaftlichkeit stärken (17/9726) der SPD-Fraktion beraten. Da mit ÖPP/PPP auch immer die Gefahr von Schattenhaushalten verbunden ist, hatte ich in unserer Fraktionssitzung am 22. Mai meine Bedenken vorgetragen. Der Antrag ist nach Aussagen unserer WirtschaftspolitikerInnen das Ergebnis einer zweijährigen Diskussion mit Beteiligten aber auch mit GewerkschafterInnen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine sachliche öffentliche Debatte über Anwendungsbereiche, Ausgestaltung, Chancen und Herausforderungen von ÖPP anzustoßen, da eine breite Akzeptanz für die weitere Zukunft von ÖPP in Deutschland von ausschlaggebender Bedeutung sei.

Von den Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP abgelehnt wurde unser Antrag „Für Fairness beim Berufseinstieg - Rechte der Praktikanten und Praktikantinnen stärken“(17/3482). Wir haben einen gesetzlichen Vergütungsanspruch oder eine gesetzliche Beweislastregel dafür verlangt, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Auch sollte die Frist, innerhalb der nach dem Ende des Praktikums Ansprüche angemeldet werden können, verlängert werden.

Freitag, 25. Mai:
Namentlich wurde über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo im Rahmen der internationalen Sicherheitspräsenz "Kosovo Force" (KFOR) (Dr. 17/9768, 17/9595) abgestimmt. Ich habe zugestimmt. Solange ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, ein entsprechender Beschluss des Nordatlantikrates sowie die Zustimmung des Bundestages vorliegen, können damit bis zu 1.850 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden.

Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und der Mehrheit der Linksfraktion sowie von Bündnis 90/Die Grünen bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen wurde dem überfraktionellen Gesetzentwurf von 222 Abgeordneten - ich war eine davon - zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz (17/9030) zugestimmt. Dazu lag eine Empfehlung des Gesundheitsausschusses (17/9774) vor. Die Krankenversicherungen werden verpflichtet, ihren Versicherten ab dem 16. Lebensjahr Informationsmaterial zur Organ- und Gewebespende sowie Organspendeausweise zur Verfügung zu stellen. Ermöglicht werden soll eine informierte und unabhängige Entscheidung über die eigene Organspendebereitschaft und vor allem auch deren Dokumentation. Wir wollen die dokumentierte Organspendebereitschaft ausdrücklich fördern, damit mehr schwerkranke Menschen die Chance auf ein lebensrettendes Organ erhalten. Ziel ist auch, dass die Versicherten in einer zweiten Stufe freiwillig für die Dokumentation der Organspendeerklärung auf der elektronischen Gesundheitskarte von den Krankenkassen unterstützt werden können. Nach Anhörung des Datenschutzbeauftraten im Gesundheitsausschuss verstehe ich die Bedenken der Linksfraktion und einiger Abgeordneter der Grünen nicht.
Mit breiter Mehrheit aus Union, SPD und FDP wurde auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Transplantationsgesetzes (17/7376) in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung (17/9773) beschlossen. Unter anderem werden Krankenhäuser, die Organe entnehmen, verpflichtet, Transplantationsbeauftragte zu bestellen, die direkt der ärztlichen Leitung unterstellt sind. Das Gesetz enthält ferner Regelungen zur Verbesserung des Versicherungsschutzes für Lebendspenden. Der Bundestag nahm einen Entschließungsantrag von CDU/CSU, SPD und FDP (17/9777) an, in dem begleitende Informationskampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Aufnahme des Themas Organspende in Erste-Hilfe-Kurse verlangt werden.

Ausgesprochen lebhaft war die Debatte zum Flughafen Berlin Brandenburg. Obwohl sich die zugrunde liegenden Anträge um eine Änderung des Luftverkehrsgesetzes und um Lärmschutz handelten, wurde es ein mehr parteipolitisch motivierter Schlagabtausch zwischen Bund und Land.

Nach dem Rauswurf von Umweltminister Norbert Röttgen aus der Bundesregierung ist noch unklarer, wohin die Reise der CDU/CSU/FPD-„Energiewende“ eigentlich geht. Die SPD-Fraktion (17/9729) forderte in ihrem Antrag „Für ein konzeptionelles Vorgehen der Bundesregierung bei der Energiewende - Masterplan Energiewende“ von der Bundesregierung einen „Masterplan Energiewende“, „der alle Maßnahmen zur Förderung der Energieeinsparung und Energieeffizienz, für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, zum Ausbau der Übertragungs- und Speicherinfrastrukturen und zur Gewährleistung der  Versorgungsicherheit durch ergänzende hocheffiziente konventionelle  Kapazitäten umfasst“.

Bedauerlicherweise ist unser Antrag „Förderung eines offenen Umgangs mit Homosexualität im Sport“ (17/7955) durch die CDU/CSU/FDP-Regierungsfraktionen abgelehnt worden. Wir wollten unter anderem die Fortbildung von TrainerInnen und die Entwicklung von Ausbildungskonzepten fördern, um für das Thema Homosexualität zu sensibilisieren. Zusammen mit den Ländern sollte ein dezentrales Netz von Bewertungsstellen der Sportverbände gefördert werden, an die sich von Diskriminierungen betroffene homosexuelle Sportler und Sportlerinnen wenden können.

Die nächste Sitzungswoche kommt bestimmt - und zwar vom 11. - 15. Juni.