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Potenziale neu bündeln: Wirtschaft, Politik und Wissenschaft im Gespräch

Unter dem Motto “Der Demographische Wandel als Herausforderung und Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland” lud der Bundesverband der Unternehmervereinigungen e.V. (BVU) am 25. Mai in seine Räumlichkeiten Unter den Linden zu einem Round Table-Gespräch. Das Veranstaltungsformat war sehr interessant, ermöglichte es doch einen intensiven Austausch zwischen den Gastgebern, Wissenschaftlern, BerufsbildungsexpertInnen, Unternehmern und PolitikerInnen. Der BUV will Potenziale neu bündeln und dazu Kräfte aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vereinen.

Die aktive Gestaltung der politischen, kulturellen und sozio-ökonomischen Bedingungen in unserer Gesellschaft sei das wichtigste BVU-Anliegen, wie Osman Kilmil, BVU-Präsident, und Önder Kurt, BUV-Generalsekretär, darlegten. Sie verwiesen auf die Schwerpunkte ihrer Arbeit: die Förderung von klein- und mittelständigen Unternehmen, die Unterstützung von Existenzgründern und bei Fragen der Unternehmensnachfolge sowie die Förderung von Innovation und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Im Mittelpunkt stehe die Förderung der Selbständigkeit durch Frauen sowie Bildung & Qualifizierung.

Wirtschaft, Politik und Wissenschaft im Gespräch
Impulsreferate gaben Dr. Jörg Bentmann, Koordinator für die Demographiestrategie der Bundesregierung im Bundesministerium des Innern, zu „Vorstellung der Demographiestrategie der Bundesregierung“; Herr Professor Hans Bertram, Lehrstuhl für Mikrosoziologie der Humboldt-Universität zu Berlin zu „Demographie, Arbeitsmarkt und Familienpolitik“; Herr Dr. Jens Schneider, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück zu „Fachkräftemangel, Integration und qualifizierte Zuwanderung“ und Herr Ernst Hüffmeier, Geschäftsführer der WDM GmbH (Wolfshagen), der die enorm erfolgreiche Personalrekrutierung und Personalentwicklung seines Unternehmens vorstellte und damit Mut gab für die Fachkräftesicherung im ländlichen Raum.

In Anlehnung an die Impulsreferate diskutierten anhand der Leitthemen „Fachkräfte und Ausbildung“, „Fachkräfte und Weiterbildung, Verlängerung der Lebensarbeitszeit“, „Familie und Arbeitsmarkt“, „Qualifizierte Zuwanderung“, „Regionale Netzwerke zur Fachkräftesicherung“ Eva Rindfleich, Konrad-Adenauer-Stiftung, Jörg Hagedorn und Daike Witt vom Zentralverband des Deutschen Handwerks und ich.

Einige der Aussagen aus der Diskussion:

  • Der demographische Wandel ist kein neues Phänomen sondern hat sich seit den 60/70 Jahren entwickelt. Die in den Neuen Bundesländern beobachtbaren Entwicklungen können als Blaupause für die künftigen Wandlungsprozesse angesehen werden. Die Bundesregierung habe folgende Handlungsfelder in den Mittelpunkt ihrer Demografiestrategie gestellt, da die Menschen die Folgen des demografischen Wandels hier am deutlichsten spürten: Familie als Gemeinschaft stärken; motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten; Selbstbestimmtes Leben im Alter; Lebensqualität in ländlichen Räumen und integrative Stadtpolitik fördern; Grundlagen für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sichern; Handlungsfähigkeit des Staates erhalten.
  • Die Bundesrepublik sei durch ein starkes Ungleichgewicht und durch starke Separationsprozesse gekennzeichnet. Notwendig seien eine regionalisierte Betrachtung und regionalisierte Handlungsempfehlungen. Insbesondere in metropolenabgewandten Regionen fielen zu viele aus dem Bildungs- und Schulsystem heraus. Es sei Aufgabe der Unternehmen, die jungen Leute dennoch „in die Arbeit reinzuholen“.
  • Der beste Prädiktor für die Bildungsbiographie der Kinder sei der Bildungsstand der Mütter. Die bestausgebildetste Müttergeneration finde aber Strukturen vor, dass sie ihren Kinderwunsch nicht realisieren könnten. So sei es an den Universitäten so, dass junge Menschen 75 Prozent Projekt- und nur 25 Prozent Dauerstellen hätten. Derzeit liege alle Unsicherheit auf den Schultern der Jungen, alle Sicherheit aber bei den Älteren. Es müssten Anreizsysteme gefunden werden, die die „rush hour“ des Lebens entzerren, damit Fürsorge und Beruf verbunden werden könne und auch nachholende bzw. mehrfache Bildungs- und Weiterbildungen ermöglicht würden.
  • Im demografischen Wandel liegen auch Chancen für neue Durchsetzungsspielräume, z.B. für erneute Diskussionen zur Humanisierung der Arbeit. Notwendig sei der Wandel von der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung, seien Rechte auf Weiterbildung. Es müsse mehr Sicherheit in die individuelle Gestaltung des eigenen Lebenslaufes geschaffen werden. Plädiert wird für den Ausbau von Rechtsansprüchen z.B. auf einen Kitabesuch, auf das Nachholen eines Schulabschlusses, auf Weiterbildung und Qualifizierung, auf den Wandel von Teil- auf Vollzeit, auf Eingliederungsleistungen beim Wiedereinstieg, etc.
  • Im Internationalen Vergleich würde deutlich, dass das deutsche Bildungswesen zu viele BildungsverliererInnen erzeuge, davon auch überproportional viele mit Migrationshintergrund. Gut Qualifizierte seien mobiler, Menschen mit Migrationshintergrund wären hinsichtlich des Zugehörigkeitsgefühls zunehmend die „Einheimischen“ im Kiez.
  • „Bildung, Bildung, Bildung“ lautet das Zauberwort. Unternehmen hätten dafür Sorge zu tragen, dass jede und jeder Bildung und Weiterbildung erhalte, denn: „Wir haben keinen Fachkräftemangel, kein Stück“. Heutzutage müssten Unternehmen attraktiv sein, eine intensive Personalentwicklung betreiben und schon von außen als ein Team wirken - insbesondere im ländlichen Raum. Unternehmensgewinne müssten unbedingt in Personal und in Bildung investiert werden.
  • 1999 habe das neue Denken „Personal als wichtigstes Kapital“ in der WDM-Unternehmensphilosophie begonnen. Dazu gehört u.a.: 
    • Die Einzustellenden müssten jung sein. Wichtiger als formale seien soziale Kompetenzen - aus- bzw. weiterbilden würde das Unternehmen selbst. Auf diese Weise liege das Durchschnittsalter nun bei 39 Jahren.
    • Die Mitarbeiter entscheiden selbst, wann sie in Rente gehen, sie könnten auch nach dem Renteneintrittsalter weiterbeschäftigt werden - als „Wissende“

Von der Politik werden Änderungen im Steuerrecht gefordert, zu vieles würde sofort als geldwerter Vorteil eingestuft. WDM führe auch verstärkt Maßnahmen im Bereich Gesundheit und Mobilität durch.

Bundesverband der Unternehmervereinigungen e.V. (BVU)
Der BUV vertritt die Interessen von derzeit bundesweit 20 Mitgliedsvereinigungen, die ihrerseits für mehr als 5.000 UnternehmerInnen, HochschulabsolventInnen und AkademikerInnen mit und ohne Migrationshintergrund stehen. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa, insbesondere Deutschland, und der Türkei in jeder Hinsicht zu vertiefen und zu erweitern. In Europa, vor allem in Deutschland hat die türkische Bevölkerung eine nicht zu verleugnende gesellschaftliche Stellung erreicht.