Während es beim Besuch von Angela Merkel in Athen zu großen Protesten kam, wurden mein Team und ich sehr herzlich von unseren GesprächspartnerInnen in Thessaloniki empfangen. Unsere politische Fahrt nach Griechenland war für mich gelebte europäische Solidarität.
Begegnung und Dialog ist Voraussetzung für gegenseitiges Verstehen und gemeinsames politisches Agieren. Gerade für ein einheitliches demokratisches Europa ist es bedeutsam, den gemeinsamen Dialog auch über Grenzen hinweg zu führen.
Die Mitverantwortung für die Wirtschaftskrise und das Mittragen des Sparkurses hat die PASOK, unsere sozialdemokratische Schwesterpartei, in eine große Glaubwürdigkeitskrise gestürzt, erklärte Konstantinos Peikos, PASOK-Landesvorsitzender von Thessaloniki. Vor allem die Jugend hat das Vertrauen in die PASOK und andere Parteien verloren. Kein Wunder bei über 50% Jugendarbeitslosigkeit. Der Wahlabsturz auf 12% hat für die Partei knallharte finanzielle Folgen, Räumlichkeiten müssen aufgegeben und Personal entlassen werden. Peikos hofft, dass die SPD die Bundestagswahl gewinnt und die Merkel-Regierung ablöst. Das wäre ein wichtiges Signal für ein sozialeres Europa.
Die Ziele des parteilosen Bürgermeisters von Thessaloniki, Giannis Boutaris (71), sind eine moderne effiziente Verwaltung sowie ein funktionierendes Steuerwesen. Er sprach Strukturprobleme offen an, redete nicht um den heißen Brei herum. Sehr interessiert war er an den in Ostdeutschland und gerade in Berlin nach der Wende durchgeführten Verwaltungsreformen. Mein Eindruck: Boutaris meint es mit dem Mentalitätswechsel ernst, was auch Olga Drossou, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung, bestätigte.
Die politischen Stiftungen haben in diesem Jahr wieder ihre Büros in Griechenland eröffnet, um in den Zeiten der politischen und wirtschaftlichen Krise Projekte in der politischen Beratung und Bildung durchzuführen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist in Athen, während die Heinrich-Böll-Stiftung ihr Büro in Thessaloniki hat. Mit der Leiterin Olga Drossou diskutierten wir, wie zivilgesellschaftliche Projekte unterstützt werden können. Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt Flüchtlingsprojekte in ihrer Arbeit, was sich angesichts eines wachsenden Rassismus nicht einfach gestaltet.
Im vor acht Jahren erbauten Papageorgiou-Krankenhaus informierte ich mich über die Auswirkungen der Krise auf das Gesundheitswesen. Diese sind katastrophal. Da die Krankenkassen ihren Zahlungen nicht im vollen Umfang nachkommen, ist das Krankenhaus hoch verschuldet. Zwei Stationen wurden bereits geschlossen. Notwendige Operationen können teilweise nicht mehr durchgeführt werden. Vor allem Nichtversicherte und die ländliche Bevölkerung leiden unter der unzureichenden Versorgung. Anders als bei uns müssen viele Medikamente vollständig privat bezahlt werden. MedizinerInnen warten dort jahrelang auf eine Assistenzarztstelle. Deswegen begrüße ich es nun, wenn sie sich in Deutschland in ihrem Beruf weiterentwickeln.
Als Deutsche tragen wir eine besondere historische Verantwortung. Zusammen mit dem Bürgermeister und jungen GemeindevertreterInnen von Chortiatis sowie dem deutschen Generalkonsul Wolfgang Hoelscher-Obermaier habe ich einen Kranz zum Gedenken an die Opfer des Massaker der Wehrmacht niedergelegt. Am 02. September 1944 wurden hier insgesamt 149 Menschen, in der Mehrzahl Frauen, Kinder und Greise, erschossen, zum Teil lebendig verbrannt. Ich danke dem Generalkonsul für diese Initiative - ein bedeutsames Zeichen gerade in der heutigen Zeit.