Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember erklärt Mechthild Rawert MdB, Mitglied im Gesundheitsausschuss und in der Begleitgruppe zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission der SPD-Bundestagsfraktion:
Frauen und Mädchen mit Behinderung werden besonders häufig Opfer von Gewalt und sexuellen Missbrauch. Mit 58 bis 75 Prozent haben fast doppelt so viele Frauen im Erwachsenenalter körperliche Gewalt erlebt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (35 Prozent). Zu diesen alarmierenden Ergebnissen kam die Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland“ bereits 2011. In dieser Studie waren Umfang und Ausmaß von Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen im ambulanten, stationären und häuslichem Bereich untersucht worden.
Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend tragen maßgeblich zu späteren gesundheitlichen und psychischen Belastungen im Lebensverlauf bei: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene geben 20 bis 34 Prozent der befragten Frauen an. Sie sind damit etwa zwei- bis dreimal häufiger davon betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (zehn Prozent).
Psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen in Kindheit und Jugend durch Eltern haben etwa 50 bis 60 Prozent der befragten Frauen erlebt (im Vergleich zu 36 Prozent der Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt).
Auffällig sind die hohen Belastungen insbesondere durch sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend, die sich im Erwachsenenleben oftmals fortsetzen. Bei der Mehrzahl der Befragten trat die Behinderung bzw. gesundheitliche Beeinträchtigung wie im Bevölkerungsdurchschnitt aber erst im Erwachsenenleben auf.
Rechte von Frauen mit Behinderung endlich stärken
Diese Zahlen verdeutlichen: Es ist höchste Zeit, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung wirksam vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden. Gerade die in Artikel 6 und 16 der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebenen Rechte von Frauen mit Behinderung sind endlich einzulösen.
Auf meine Schriftliche Frage an die Bundesregierung (Nr. 9/257) nach mit Haushaltsmitteln untersetzten konkreten Handlungen und Maßnahmen für 2013 wurde mir geantwortet: „Soweit die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist, wird die Bundesregierung die Ergebnisse sorgfältig auswerten und hinsichtlich notwendiger Konsequenzen prüfen.“Politisches Handeln sieht anders aus! Für Anfang 2013 hat die Bundesregierung einen Teilhabebericht über die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen in Aussicht gestellt.
Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nachkommen will, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch zu verhindern. Dazu gehören meines Erachtens: der Ausbau von Hilfs- und Beratungsangeboten, niedrigschwellige und barrierefreie Schutz- und Unterstützungsangebote für Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, Schulungsmaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte und vieles mehr.
Ziel künftiger Gewaltprävention muss der konsequente Schutz und die Verhinderung von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, die in Einrichtungen leben, sein. Konsequent bekämpft werden muss das strukturelle System von Diskriminierung und Gewalt. Eine wichtige Rolle können Frauenbeauftragte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und den Wohneinrichtungen spielen.