Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Entscheidungen im Juni 2012 festgestellt, dass die bisherige Regelung des Paragrafen 1906 BGB, dass Betroffene im Rahmen einer Unterbringung und unter engen Voraussetzungen auch gegen ihren natürlichen Willen behandelt werden, nicht ausreichend sind. Es entschied, dass es eines eigenen Gesetzes bedürfe, welches die betreuungsrechtlichen Regelungen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen neu zu regeln habe. Nur so sei den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die mit einer ärztlichen Zwangsbehandlung verbundenen Eingriffe in elementare Grundrechte Genüge getan. Seit dem Urteilsspruch herrschte große Rechtsunsicherheit - aber auch die Gelegenheit für die Gesellschaft, sich mit der Fortentwicklung der psychiatrischen Versorgung bei psychischen Erkrankungen oder einer seelischen oder geistigen Behinderung intensiv auseinanderzusetzen.
Auch mich haben in den vergangenen Wochen viele Anschreiben von Betroffenen erreicht. Hier war stets die Sorge erkennbar, dass die Themen Menschenrechte und Psychiatrische Behandlung nicht ausreichend im parlamentarischen Prozess gewürdigt und beachtet werden. Sowohl die Arbeitsgruppe Gesundheit als auch die federführende Arbeitsgruppe Recht der SPD-Bundestagsfraktion haben sich intensiv mit den Sorgen und Fragestellungen von betroffenen Menschen als auch der behandelnden MedizinerInnen auseinandergesetzt. Durchgesetzt haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine umfangreiche Beteiligung des Parlaments und eine öffentliche Anhörung. Wenn es nach dem Willen der CDU/CSU- und FDP-Fraktion gegangenen wäre, hätten diese nicht stattgefunden.
Auf diese Weise konnte die SPD-Bundestagsfraktion einige wichtige Änderungen in den ursprünglichen Gesetzentwurf (Drs. 17/11513) einarbeiten. Dem nun mit wesentlichen Änderungen versehenen „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme“ in der Fassung des Rechtsausschusses (Drs. 17/12086) hat am 17. Januar auch die SPD-Bundestagsfraktion zugestimmt, da die Rechte der Betroffenen deutlich gestärkt worden sind.
Ärztliche Zwangsmaßnahme nur als Ultima Ratio
Die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme wird nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und damit nur noch mit einer richterlichen Genehmigung möglich sein. Ärztliche Zwangsmaßnahmen müssen immer die absolute Ausnahme bleiben, dürfen nur als letztes Mittel, als Ultima Ration, zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann, angeordnet werden.
Auch muss zuvor nachweislich versucht worden sein, den betreuten Menschen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, um seine freiwillige Zustimmung zur Behandlung zu erreichen.
Wir haben uns insbesondere für die Stärkung der Rechte der Betreuten im gerichtlichen Verfahren eingesetzt. Zukünftig wird dem betroffenen Menschen neben der BetreuerIn eine VerfahrenspflegerIn zur Seite gestellt, die/der die Interessen des/der Betroffenen wahrnimmt. Auch muss der betroffene Mensch vom Gericht persönlich angehört werden. Durch Hinzuziehung eines weiteren Gutachters, gilt das Vier-Augen-Prinzip. Wenn eine Zwangsmaßnahme länger als zwölf Wochen dauert, darf diese/r nicht der gleichen Einrichtung angehören und die Notwendigkeit der Behandlung muss in einem Gutachten begründet werden.