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Nominierungsrede: Ich stehe für eine umfassende Gleichstellung

Die am 16. März 2013 stattgefundene Landesfrauenkonferenz der Berliner Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) hat zur Bundestagswahl 2013 drei starke Frauen für die SPD-Landesliste nominiert. Die Landesliste wird erstmals im Reißverschlussverfahren gewählt, indem alle ungeraden Plätze den Frauen zustehen. Den ersten Platz erhielt Dr. Eva Högl aus Mitte. Für den zweiten Frauenplatz und gleichzeitig den dritten SPD-Listenplatz nominierte die Konferenz die Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert aus Tempelhof-Schöneberg. Für den dritten Frauenplatz und gleichzeitig den fünften SPD-Listenplatz setzte sich die Kandidatin aus Friedrichshain-Kreuzberg Cansel Kiziltepe durch. Darüber hinaus kandidieren bei der Bundestagswahl 2013 erstmalig sechs Direktkandidatinnen für die SPD. Damit wird paritätisch genau die Hälfte der zwölf Wahlkreise in Berlin durch Frauen repräsentiert.

Es folgt die Nominierungsrede der SPD-Bundestagsabgeordneten Mechthild Rawert auf der Landesfrauenkonferenz in der Reuter-Oberschule, Berlin-Pankow (es gilt das gesprochene Wort):

Liebe Genossinnen,

„Die Männer sind natürlich alle dafür, dass mehr Frauen in der Politik tätig sein sollen. Vorausgesetzt natürlich, es handelt sich nicht um die eigene Frau.“ Dieses Zitat stammt von Konrad Adenauer - und es ist gut so, dass diese Zeiten vorbei sind. Frauen fragen heute ihre Ehemänner nicht mehr um Erlaubnis. Sie bestimmen über ihren Gang in die Politik selbst.

Frauen bestimmen selbst, ob und vor allem wie sie die Politik und damit unsere Gesellschaft gestalten wollen. Dafür hat sich die ASF immer deutlich und lautstark eingesetzt.

Die ASF, die SPD hat viele starke Frauen, das hat das Mitgliederforum Frauen in der SPD gestern Abend deutlich gemacht. Zwar konnte ich selber wegen der Trauerfeier für meine verstorbene Mitarbeiterin Karin Dehn nicht teilnehmen, aber im Internet ist die gute Stimmung spürbar.

Dass der Weg der Gleichstellung auch in der Berliner SPD ein langer und phasenweise auch steiniger war, kann ich wahrlich bezeugen. Aber es hat sich gelohnt: Wer hat sonst noch so viele Frauen in Führungspositionen vorzuweisen wie wir?

Für diese Bundestagswahl 2013 sind sechs Frauen und sechs Männer als Direktkandidatinnen und Direktkandidaten in den 12 Wahlkreisen aufgestellt. Das ist die Hälfte, dass ist die Parität. Für die Berliner Landesliste hat die SPD beschlossen: Die Liste beginnt mit einer Frau und die Liste wird im Reißverschlussprinzip aufgestellt werden. Frauen, all dieses ist ein riesengroßer Erfolg!

Dieser Erfolg beruht auf dem politischen Auftrag der ASF, dafür zu sorgen, dass Frauen an die Macht kommen: als Senatorinnen und Bürgermeisterinnen, als Parlamentarierinnen. Und selbstverständlich auch als Führungspersonen in der SPD. Auf der Landesebene stehen dafür die ASF-Landesvorsitzenden: Ingrid Holzhüter, Anna Damrat, Mechthild Rawert, Eva Högl - um nur die letzten zu nennen.

Was ist Macht? Ich habe mich immer gehalten an das Machtverständnis von Hannah Arendt. Sie entwickelte in ihrer Studie Macht und Gewalt (1970) „Macht“ positiv. Macht ist zu verstehen als das Zusammenwirken von freien Menschen im politischen Raum zugunsten des Gemeinwesens. Freie Menschen treffen in jeder Generation im politischen Raum neue Vereinbarungen, neue Regeln zur Durchsetzung von Interessen.

Macht ist also keine „faule Frucht“, ist nichts „Unanständiges“. Macht im Arendt‘schen Sinne ist etwas Gestaltbares, für das ich in Freiheit Verantwortung übernehme.

Als Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen brauchen wir einen so verstandenen Machtbegriff, um mit und durch die Frauen an der Macht Geschlechtergerechtigkeit durchsetzen zu können - in der Partei, in der Gesellschaft, im Beruf, in allen Lebensbereichen. Nur so erreichen wir, dass Gleichstellung eines der wichtigsten gesellschaftlichen Themen ist - Gleichstellung in allen Bereichen und auf allen Ebenen.

Ich stehe für eine umfassende Gleichstellung:

  • Gleichstellung zwischen Frauen und Männern
  • Gleichstellung unabhängig von der ethnischen und sozialen Herkunft,
  • Gleichstellung unabhängig davon, ob mensch Handicaps hat oder nicht,
  • Gleichstellung im ganzen Lebensverlauf - also auch im fortgeschrittenen Alter,
  • Gleichstellung unabhängig von der sexuellen Identität.

Liebe Frauen,

wir sind nicht mehr die „Trümmerfrauen“. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der Frauen dann an die Macht kommen, wenn die Männer den Karren in den Dreck gefahren haben. Wir erleben eine neue Normalität, wir erleben eine neue gesellschaftliche Dynamik. Hierfür tragen wir Verantwortung - und sagen wir es doch deutlich: Es bekommt „der Politik“ gut, dass sie nun von mehr Frauen gestaltet wird.

Dafür habe ich gekämpft und dafür übernehme ich Verantwortung und „Gestaltungsmacht“:

  • Für das Schaffen neuer Rollenbilder für die bestausgebildetste Frauengeneration aller Zeiten - diese darf nicht mehr mit ihren Talenten und Lebensträumen scheitern an „alten Zöpfen“ einer breitbeinig daherkommenden Politikvorstellung. Denn eines ist klar: Wir können das!!
  • Für eine Veränderung von Politik. Wir übernehmen Verantwortung dafür, „dass die Welt besser wird“ (Hannelore Kraft), dafür, dass Teilhabe und Partizipation ALLER Bürgerinnen und Bürger Wirklichkeit wird.
  • Für einen Wechsel in der Prioritätenliste der Politikfelder. Angesichts der übergroßen Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Familie und Pflege spricht NIEMAND mehr von „Gedöns“.

Als Mitglied im Gesundheitsausschuss, als stellvertretende Sprecherin der Querschnittsarbeitsgruppen Gleichstellungspolitik und Migration und Integration und als eine, die sich stark gegen Rechts macht, habe ich immer versucht, meine Arbeit im Deutschen Bundestag transparent zu gestalten: durch viele, viele Veranstaltungen, durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, durch eine gute Verzahnung mit der Berliner SPD, durch aktives Engagement in der ASF, bei selbst aktiv, in der AG Migration und Vielfalt, bei den Lesben und Schwulen und selbstverständlich in meiner Abteilung und meinem Kreis.

Wir haben nun den Entwurf eines Wahl- und Regierungsprogramms vorliegen. Dieser ist eine gute Grundlage für die Politik der linken Volkspartei SPD. Es gibt noch Veränderungsbedarf an einigen Stellen - dafür werde ich dann auf dem Augsburger Bundesparteitag am 14. April kämpfen.

Als linke Volkspartei kämpfen wir für soziale Gerechtigkeit, kämpfen wir für Rot-Grün.

In der kommenden Legislaturperiode will ich umsetzen:

  • Ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht: die doppelte Staatsbürgerschaft, ein kommunales Wahlrecht für alle, ein geändertes Asylrecht. Ich will Teilhabe und Partizipation aller. Ich will die Abschaffung des Optionsrechtes - schon damals habe ich gegen meine Fraktion gestimmt, als dieses eingeführt wurde. Auch junge Frauen und Männer mit sogenanntem Migrationshintergrund haben nur eine Heimat – und die ist in Berlin, die ist in Deutschland!
  • Die Öffnung der Ehe - die Gleichstellung aller Geschlechtsidentitäten, die Anerkennung von sexueller Vielfalt!
  • Ich will Teilhabe und Partizipation „auf Augenhöhe“ aller in einer inklusiven Gesellschaft, in einer „sozialen Stadt“. Ich will eine Änderung der Eingliederungshilfe, die Menschen mit Behinderungen - mittlerweile haben schon mehr als 12 Millionen Menschen einen Schwerbehindertenausweis, Tendenz steigend - integriert und nicht aussondert.
  • Gerade auch für die steigende Zahl der älteren Berlinerinnen und Berliner brauchen wir eine Mietenbegrenzungspolitik. Wir brauchen bezahlbare Mieten für alle.
  • Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die den Zugang für alle zum Gesundheitswesen ermöglicht und Frauen hier gleiche Chancen auf Behandlung gibt. Dass hier noch viel zu tun ist, zeigen die Anträge, die wir heute noch zu beschließen haben. Unser Konzept der Bürgerversicherung ist viel mehr als nur ein Finanzierungskonzept. Mit unserem Konzept der BürgerInnenversicherung starten wir einen qualitativen Schub in Richtung mehr Gerechtigkeit im Gesundheitswesen
  • für die Beschäftigten - hier arbeite ich intensiv mit den Gewerkschaften zusammen
  • für die Patientinnen und Patienten.

Im Gesundheitsbereich mache ich mich stark für Frauengesundheit und für die Aufwertung der sozialen und der Gesundheitsfachberufe - das ist im Interesse von Millionen von Frauen:

  • Vor allem junge Frauen, Frauen bis 45, profitieren von meinem Einsatz für Rezeptfreiheit der Pille danach.
  • Ich arbeite an einer zukunftsorientierten Ausbildungsstruktur für die Pflegefachberufe. Diese Berufe sind spannend und zukunftssicher – das Bildungswesen Pflege hinkt aber noch hinterher und muss modernisiert werden. Das stärkt auch die Karriereaussichten für Frauen in den personenorientierten Dienstleistungsberufen.
  • Ich arbeite an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die zumeist weiblichen Beschäftigten im stationären und im ambulanten Gesundheitswesen. Derzeit sind gerade die Bedingungen in der Pflege nicht akzeptabel: Ich will „Gute Arbeit“, will mehr Geld, denn „Geld schändet den weiblichen Charakter nicht“, will eine höhere gesellschaftliche Anerkennung. Mit Freuden bin ich Botschafterin bei „joboption“ und kämpfe gegen den Niedriglohnsektor, gegen die Minijobs. Bin aber auch Botschafterin des Projektes „Pro Quote in der Medizin“, und fordere hier eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in allen Gremien, Vorständen und Aufsichtsräten. Ich setze Gleichstellungspolitik als Querschnittsaufgabe um.

Liebe Frauen,

mein „Leib und Leben“-Thema ist:

  • Die GLEICHSTELLUNG der Frau IM LEBENSVERLAUF. Auch wenn der gesellschaftliche Fortschritt häufig eine Schnecke ist: Wir haben hier vieles erreicht - ein Beleg ist die bestausgebildetste Frauengeneration aller Zeiten.

Es bleibt aber auch noch viel zu tun. Und da will ich mittun: Frauen - und Göttin sei Dank mittlerweile auch einige Männer - wollen Gleichstellung. Und zwar nicht nur an einer Stelle ihres Lebens – nein Frauen heute wollen Gleichstellung im Lebensverlauf. Das sagt nicht nur der erste Gleichstellungsbericht, aus dem Schwarz-Gelb schändlicherweise KEINE KONSEQUENZEN gezogen hat, nein, das sagen auch wir in der Arbeitsgruppe GLEICHSTELLUNGSPOLITIK der SPD-Bundestagsfraktion, das sagen wir als aktive ASF-Frauen:

  • Wir wollen eine konsistente Gleichstellung in einer Lebensverlaufsperspektive, wir betrachten Gleichstellungspolitik als Quer- und Längschnittaufgabe. Wir wollen keine Politik ohne ein geschlechtergerechtes Leitbild, wollen keine Politik, in der für die eine Lebensphase Anreize in Richtung Hüh und in einer anderen Lebensphase Anreize in Richtung Hott gegeben wird. Es muss Schluss sein mit dieser Hüh-Hott-Politik, die viele Frauen nur in die Sackgassen schickt mit der Folge: Frauen verdienen 22 Prozent weniger Lohn und erhalten durchschnittlich 58 Prozent weniger Rente. Ich will Schluss machen mit Hüh-Hott - dafür mache ich mich stark!
  • Ich will, dass Frauen auch in der „Rush hour ihres Lebens“ selbst entscheiden können, was sie tun: Ich will, dass gleiche und tatsächliche Wahlmöglichkeiten und Verwirklichungschancen für Frauen und Männer bestehen, will
  • den Ausbau der Kitas und der Schulen. Weg mit dem Betreuungsgeld, denn hiermit werden zwei Milliarden an der Verwirklichung von Lebenschancen für Kinder und für Frauen geklaut.
  • Frauen sollen ausreichend Zeit und Raum geben für eine gelingende Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und familialer Sorgearbeit. Frauen wollen und brauchen aber auch Zeit für sich, Zeit für zivilgesellschaftliches Engagement - zum Beispiel in der ASF, in der SPD - haben. Aber auch für Weiterbildungen, für ein lebensbegleitendes Lernen. Das will ich mit gesetzlichen Rechten absichern.

Für faires Zusammenleben und eine auf Geschlechtergerechtigkeit beruhende Gesellschaft muss noch einiges getan werden. Für uns Sozialdemokratinnen ist die eigenständige Existenzsicherung von Frauen und Männern Voraussetzung für die faktische Gleichstellung und Partnerschaftlichkeit von Frauen und Männern.

Liebe Frauen,

ja, es ist ungerecht: Frauen tragen immer noch größere Risiken im Erwerbsleben als Männer. Hier helfen aber keine Appelle - hier hilft nur ein rot-grüner Regierungswechsel!

In der AG Gleichstellungspolitik haben wir Strukturen nachhaltiger Gleichstellungspolitik nicht nur erarbeitet sondern auch entsprechende Gesetzentwürfe für unsere FachpolitikerInnen in den Grundzügen aufbereitet. Diese wurden von ihnen dann fertiggestellt. Somit können wir nach einem erfolgreichen Regierungswechsel zügig beginnen mit der Umsetzung:

  • Gute Arbeit zu gleichen Bedingungen für Frauen, für Mütter,
  • ein Equal Pay-Gesetz,
  • einen Rechtsanspruch auf eine befristete Teilzeitarbeit mit Rückkehrrecht auf Vollzeit,
  • den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn - dieser nützt vor allem Frauen,
  • eine Reform der Minijobs - das nützt vor allem Frauen,
  • eine gesetzliche Mindestquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände,
  • geschlechtergerechte Bildung und Berufswahl,
  • eine Integration der Geschlechterperspektive in die Ausbildungen der Erzieher/Erzieherinnen /Pädagogen/Pädagoginnen,
  • die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in allen Lebensphasen,
  • die Aufhebung von Altersgrenzen und eine bessere Unterstützung für Fort- und Weiterbildungen,
  • eine Aufwertung von personenbezogenen Dienstleistungsberufen (Kranken- und AltenpflegerInnen, ErzieherInnen, PädagogInnen): das heißt mehr Geld und mehr Anerkennung,
  • mehr Frauen in Wissenschaft und Forschung,
  • eine Optimierung des Elterngeldes und mehr Partnerschaftlichkeit bei der Elternzeit,
  • ein geschlechtergerechtes Steuersystem,
  • Abschied vom Ehegattensplitting und hin zu einer Individualbesteuerung mit Stichtagsregelung (d.h. Schutz von „Alt-Ehen“) und Berücksichtigung steuerlicher Unterhaltsverpflichtungen.

Liebe Frauen,

es ist gut, dass ich Sozialdemokratin und Gewerkschafterin bin. Im Interesse aller Patientinnen und Patienten, im Interesse der Millionen von Frauen im Gesundheitswesen kämpfe ich hier für mehr Durchlässigkeit und Aufstiegsmöglichkeiten. Auch Frauen in den Gesundheitsfachberufen wollen in diesen an die Spitze!

Ich kämpfe aber auch für die Verbesserung der Situation von privat pflegenden Frauen und Männern. Niemand von uns möchte vor die Entscheidung gestellt werden: Bekommt meine Mutter, bekommt mein Vater nur dann eine gute und würdevolle Pflege, wenn ich als noch im erwerbsfähigen Alter meinem Job aufgebe?

Liebe Frauen,

es ist noch viel zu tun. Packen wir es an: gemeinsam und stark. Ich bitte um euer Vertrauen für die Nominierung für den 2. Frauenplatz, für Platz 3 der Landesliste.

Habt herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit.