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Witold Dobski: ehemaliger Zwangsarbeiter und heutiger Mahner für eine deutsch-polnische Freundschaft

In der Nacht vom 26. auf den 27. April 1945 wurde Tempelhof von der Nazidiktatur durch die Rote Armee befreit. Auch der Flughafen Tempelhof wurde von der Roten Armee eingenommen, die verbliebenen ZwangsarbeiterInnen befreit. Zwischen 1940 und 1945 waren mindestens 6.000 Frauen und Männer, unter ihnen Kinder und Jugendliche, aus 17 verschiedenen von den Nazis besetzten Ländern Europas in den Baracken auf dem Tempelhofer Feld untergebracht. Hier wurden sie gezwungen für die deutsche Luftfahrtindustrie und die Luftwaffe zu arbeiten. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages habe ich am 27. Januar 2013 zusammen mit vielen Bürgerinnen und Bürgern insbesondere der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in einer Veranstaltung im Flughafengebäude gedacht. Einer der Zwangsarbeiter war Witold Dobski. Ihn nun zu treffen, ist daher für mich sehr bewegend - und aufbauend.

Witold Dobski, ein Zwangsarbeiter
Im März 1942 wurde der damals 17-jährige Gymnasialschüler Witold Dobski aus Ostrow, Polen, nach Berlin deportiert. Er sollte als „angelernter Schlosser“ im Reparaturwerk der Lufthansa „am Tempelhof“ arbeiten. Als nach und nach in den kommenden Monaten die hier arbeitenden Deutschen in die Wehrmacht eingezogen wurden und fast nur noch Russen, Polen und Ukrainer übrigblieben, bekam die Lufthansa Angst vor Sabotageakten. Ein Teil der Zwangsarbeiter wurde auf andere Unternehmen verteilt. Für Witold Dobski ein unglaubliches Glück, da er in einer Gaugroßküche in Berlin-Hohenschönhausen landete, um für die ausgebombten Berlinerinnen und Berliner zu kochen. 1944 kehrte Witold Dobski nach Ostrow zurück und wurde dort sofort zum Bau des Ostwalls zwangsverpflichtet. „Im Frühjahr kam dann die Rote Armee, und ich konnte nach Hause gehen.“

Witold Dobski, ein Zeitzeuge
Auf Einladung von Beate Winzer, Vorstandsmitglied des Fördervereins zum Gedenken an die Naziverbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld e.V., weilt der nun 88-jährige Witold Dobski für eine Woche in Berlin. In dieser Zeit führt er mehrere Zeitzeugengespräche mit jungen Erwachsenen im Rahmen der politischen Bildungsarbeit. Am 27. April 2013 war er als Zeitzeuge anlässlich des 68. Jahrestags der Befreiung der ZwangsarbeiterInnen auf dem Tempelhofer Feld durch die Rote Armee vor Ort und berichtete in der Zollgarage im THF-Gebäude über seine Zwangsarbeit für Lufthansa, Weserflug GmbH, Lorenz AG, Telefunken AG.

Witold Dobski, ein Förderer der gegenseitigen Freundschaft zwischen Polen und Deutschland
Witold Dobski hat eine Mission: Er möchte die gegenseitige deutsch-polnische Freundschaft stärken. Aus diesem Grunde kam es zu einem gemeinsamen Gespräch mit Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin in Tempelhof-Schöneberg, und mir als SPD-Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg.

Er verweist auf die Städtepartnerschaft Berlin - Warschau und dem am 7. Januar 1994 erfolgten Abschluss der „Rahmenvereinbarung über gegenseitige Zusammenarbeit zwischen Berlin und Warschau“ zur Fortsetzung der seit August 1991 bestehenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit und plädiert dafür, die der Städtepartnerschaft zugrunde liegende Vereinbarung einmal Satz für Satz durchzugehen, ob auch alle Vorhaben aufgenommen worden sind. Nach Berlin seien viele Polen zugewandert: Im Juni 2012 lebten in Berlin fast 45.000 Menschen polnischer Staatsangehörigkeit - Eingebürgerte nicht mitgezählt -, damit bilden sie die zweitgrößte Zuwanderungsgruppe nach der Gruppe der aus der Türkei kommenden Berlinerinnen und Berliner.

Er möchte auf kommunaler Ebene zusätzlich eine neue Städtepartnerschaft zwischen Ursynów, dem südlichsten und flächenmäßig drittgrößten Stadtbezirk Warschaus mit fast 140.000 EinwohnerInnen, ins Leben rufen.

Er machte darauf aufmerksam, dass anlässlich des vor 70 Jahren beginnenden Aufstandes im Warschauer Ghetto ein neues Museum zur Geschichte der polnischen Juden eröffnet wurde. Vor allem gehe es ihm aber darum, dass das „Staatliche Jüdische Theater“ auch einmal in Berlin gastieren solle. Die letzte Einladung nach Berlin sei durch Erich Honecker erfolgt. Er möchte jedoch eine Einladung durch eine „demokratische Koalition“ erhalten. Am „Staatlichen Jüdischen Theater“ werde Jiddisch gesprochen, eine für „osteuropäische Juden“ wichtige Sprache, die auch in Deutschland noch einige verstehen würden. „Wenn man den Willen dazu hat, findet man auch den Weg.“

Europäische Perspektiven
Ich bewundere das Engagement und die Aufgeschlossenheit von Witold Dobski. So haben wir auch aktuelle Herausforderungen, die uns Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Polen gleichermaßen betreffen, angesprochen. Häufig fallen im Kontext europäischer Beziehungen die Worte Moral und Anstand, wird daran erinnert, dass Partnerschaften „von unten“ aus der Zivilgesellschaft gelebt werden müssten. In dem Zusammenhang verweist Dobski auf den anstehenden Besuch von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am 10. Mai 2013 in Warschau, der in der Universität Warschau zum Thema "Europa gemeinsam gestalten - Auswege aus der Krise“ sprechen und im Anschluss an seinen Vortrag mit bekannten Persönlichkeiten der polnischen Polit-Szene: Aleksander Kwaśniewski, Präsident der Republik Polen a.D., Julia Kubisa, Soziologin an der Universität Warschau und Adam Michnik, Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, diskutieren wird.

Ich freue mich, Witold Dobski und FreundInnen am 1. Mai eine politische Freude machen zu dürfen, indem ich ihnen den Deutschen Bundestag zeige. So gewinnt das Motto des „1. Mai 2013 - Unser Tag: Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa“ für mich noch an zusätzliche Bedeutung. Wir demonstrieren für die Würde aller arbeitenden Menschen - Deutsche und Polen gemeinsam. Nie wieder eine faschistische Diktatur! Nie wieder Zwangsarbeit!


V.l.n.r.: Angelika Schöttler, Witold Dobski, Mechthild Rawert