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Kann denn Liebe Sünde sein?

Homosexualität und Kirche - kaum ein anderes Thema wie die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und der Umgang mit homosexuellen Lebensweisen wird in Kirche kontroverser debattiert. Homosexualität und Kirche ist ein Thema, welches viele bewegt. Dies zeigte die hohe Zahl der Teilnehmenden an der von Petra Merkel (MdB, Charlottenburg-Wilmersdorf) und mir als sozialdemokratischer Bundestagsabgeordnete für Tempelhof-Schöneberg am 26. April 2013 durchgeführten Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Kann denn Liebe Sünde sein? - Homosexualität und Kirche. Nach Impulsreferaten von David Berger, Bruder Franziskus und Dorothea Strauß wurde rege diskutiert.

Die Veranstaltungsidee kam von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule der SPD-Tempelhof-Schöneberg (Schwusos) und fand in Kooperation mit dem Rogate-Kloster St. Michael zu Berlin im Gemeindehaus der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde statt. Petra Nowacki, Kreisvorsitzende der Schwusos Tempelhof- Schöneberg und stv. Schwuso-Bundesvorsitzende, betonte, dass die notwendige Debatte gerade an diesen Ort gut passt. Die Mitglieder des Rogate-Klosters sind bekannt für ihr Engagement für Akzeptanz und gegen Diskriminierungen aller Art. Frater Franziskus vom Rogate-Kloster stimmt es traurig, dass es diese Diskussion überhaupt geben muss. Umso wichtiger, dass sie geführt wird: Es geht darum, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind.

In meinem Religionsunterricht habe ich gelernt „Gott sieht alle Menschen als gleichwertig an“. Ist dieses in der Kirche selbst nur Schein? Die Alltagsrealität sieht doch vielfach anders aus: Homosexuelle Menschen erfahren vielfache Ausgrenzungen durch kirchliche AmtsträgerInnen, Homosexualität wird diskreditiert, in weiten Teilen der Kirche als „Sünde“ dargestellt. Auch als Mitglied der Katholischen Kirche lehne ich jegliche Form der Diskriminierung ab und bin der Meinung: Es ist dringendst geboten, deutlich zu machen, dass lesbische Christinnen und schwule Christen aufgrund ihrer homosexuellen Identität und Lebensform keine Diskriminierung und Benachteiligung erfahren dürfen!

Christentum als Religion des Friedens und der Nächstenliebe - auch in Kirche selbst?

„Das Christentum ist die Religion des Friedens und der Nächstenliebe“, erklärte der habilitierte Theologe und Publizist David Berger, selbstgeouteter Homosexueller. Die Kirchenführung agiere aber auf Homosexualität mit Ausgrenzung und Aversion, statt mit dem Mut des Glaubens und der Vernunft voranzuschreiten. Aktuell wühlen ihn die Ereignisse in Frankreich, einem laizistisches Land, in dem Staat und Kirche klar getrennt sind. auf. Was ist geschehen? Die französische Regierung hat die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen. Frankreichs sozialistischer Präsident Francois Hollande löst damit eines seiner Wahlkampfversprechen ein. Seit Monaten gibt es eine starke homophobe Bewegung auf den Straßen. Die GegnerInnen der „Homo-Ehe“ kommen aus vielen Gesellschaftsbereichen, am heftigsten opponiert aber die katholische Kirche gegen das Gesetz. Papst Benedikt XVI. forderte die Bischöfe Frankreichs sogar auf, "unablässig und entschlossen" gegen das Vorhaben aufzubegehren. Das gesellschaftliche Klima hat sich mittlerweile so hochgeschaukelt, dass verbale Gewalt in brachiale Gewalt mündet und Hassgewalt gegen Homosexuelle ausgeübt wird.

Für sehr problematisch hält Berger, dass der Katechismus von 1992 zwar "Achtung, Mitgefühl und Takt" für Schwule fordert, zeitgleich aber homosexuelle Handlungen „in keinem Falle“ billigt, da diese gegen das "natürliche Gesetz, denn die Weitergabe von Leben bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen“ verstoßen. Diese homophobe Haltung der katholischen Kirche prägt homosexuelle Priester und Laien, somit auch PolitikerInnen. Auch in der evangelischen Kirche gibt es innerhalb der EvangelikanerInnen Kreise, die ähnlich argumentieren. Hier hat zum Beispiel der absurde Gedanke Bestand, dass Homosexuelle „geheilt“ werden könnten. In Deutschland liegt der Anteil homosexueller Menschen, lesbischer Frauen, schwuler Männer, an der Gesamtbevölkerung bei rund zehn Prozent. In der katholischen Kirche liegt der Anteil schwuler Geistlicher nach empirischen Forschungen zwischen 25 und 40 Prozent, einige schätzen den Anteil sogar auf 50 Prozent.

Bereits der mittelalterliche Kirchenlehrer Thomas von Aquin forderte eine positiv bejahende Hinwendung zur „Welt“. Die Hinwendung zur realen Wirklichkeit forderte auch Papst Johannes Paul II, indem er auf die Lebendigkeit der „Tradition“ verwies. Warum sollte die Kirche auf dieser Grundlage heute nicht zu einer Neubewertung der Homosexualität und damit auch zu einer neuen Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit kommen? Oder geht es um etwas anderes? Geht es um innerkirchliche und auch gesellschaftspolitisch wirksame Machtausübung? Um die fortschrittlichen Kirchenmitglieder in ihrem Reformwillen zu ermutigen, zitierte Berger den früheren Papst Johannes Paul II: „Habt keine Angst“.

In der Diskussion wird klar: Es gibt es starkes Bedürfnis nach Anerkennung als lesbische Christin, als schwuler Mann in der Kirche. Die „Geduld“ scheint aber an ihre Grenzen gestoßen zu sein und es kommt zu Entscheidungen, kommt zum Kirchenaustritt und zum Protest gegen die Kirche.

Kirche im Bündnis gegen Homophobie
Für die evangelische Pfarrerin Dorothea Strauß hängt Homophobie eng zusammen mit dem Verständnis von Sexualität und der grundlegenden Akzeptanz von Frauen als Gleichwertige. Sie beschrieb ihren Traum, dass eines Tages auch Frauen Kardinäle werden und eine „alte Frau“ zur Päpstin gewählt werde. Mit ihrem alltäglichen Engagement in der ökumenischen AIDS-Initiative Kirche positHIV lebt sie den Gedanken der Toleranz und Nächstenliebe. Als Anerkennung für ihren Einsatz erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.

Die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat ein wichtiges Signal gesetzt, als sie sich dem Bündnis gegen Homophobie angeschlossen hat.

Brücken bauen und den Dialog führen
Lebhaft wurde diskutiert, wie die Reformbereitschaft der Kirche einzuschätzen ist. Fakt ist: Treten die fortschrittlichen Kirchenmitglieder aus, gewinnen die Fundamentalisten weiter an Bedeutung. Viele Mitglieder der Community sind aber nicht mehr bereit, noch länger auf Reformschritte, auf die Anerkennung ihrer sexuellen Identität, zu warten.

„Wir wollen einen Zukunftsdialog führen. Dazu brauchen wir den Brückenschlag zu den Amtskirchen“, bekräftigt Bruder Franziskus und appellierte an alle, weiterhin Solidarität mit denen zu zeigen, die sich für eine Veränderung in der Kirche einsetzen. „Für die Reform von innen sind kleine Schritte notwendig. Wir brauchen engagierte Menschen, die sich innerhalb der Kirche gegen Diskriminierungen stark machen.“ Menschen wie Bruder Franziskus und Dorothea Strauß leben diesen Weg vor.

Aber es ist auch gesellschaftlicher Druck von außen da nötig, wo Kirche gegen Menschenrechte verstößt und letztlich Diskriminierungen fördert. Losgelöst vom Konkordat haben gerade PolitikerInnen jedweder Couleur die Aufgabe, sich mit der gesellschaftlichen und kirchlichen Realität und nicht nur dem „schönen Schein“ der Institution Kirche auseinanderzusetzen. Es müssen mehr „Brücken gebaut“ werden, der innerkirchliche Dialog und die Ökumene gestärkt werden.

Mein Fazit: Von der Veranstaltung ging eine positive Botschaft, ein positives Feedback und eine Ermutigung für die Engagierten für Toleranz und gegen Diskriminierung in jeder Form aus. Ich werde mich weiterhin für das Brückenbauen und einen Zukunftsdialog einsetzen.