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Jugendliche diskutierten "Stadt.Land.Zukunfts(t)räume. Partizipation zwischen Gentrifizierung und Abwanderung"

Unter diesem Motto diskutieren engagierte Jugendliche aus ganz Deutschland auf dem wannseeFORUM Berlin. An der 13. Pfingstakademie Jugendbeteiligung vom 17. bis 21. Mai 2013 nahmen etwa 60 Jugendliche teil. Viele sind aktiv als SchülerInnenvertreterInnen, darunter viele aus Berlin.

Der 18. Mai 2013 war Thementag. Bereits am Vormittag beschäftigten sich die Jugendlichen intensiv mit den Themen Gentrifizierung und Partizipation. Nachmittags fand ein World Cafe zusammen mit Gästen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft statt. Mit einem Bauern, der in Kladow einen Landwirtschafts- und Gemüsebaubetrieb führt. Eine Professorin, die sich mit Urban Gardening beschäftigt. Eine Stadtsoziologin einer Fachzeitung zur Stadtentwicklung. ProjektvertreterInnen von „Kompott e.V.“, einem Wohn- und Kulturprojekt aus Chemnitz. Eine Initiative vom Allmende-Kontor auf der Tempelhofer Freiheit für diejenigen, die sich für Gärtnern in der Stadt engagieren. Eine Vertreterin von Service Learning, einer Lehr- und Lernstrategie für SchülerInnen und Studierende, die freiwilliges Engagement zugunsten der Allgemeinheit durchführen. Als PolitikerInnen nahm ich als SPD-Bundestagsabgeordnete und ein CDU-Kollege aus dem Berliner Abgeordnetenhaus teil. Wir alle waren gekommen, um mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu diskutieren und voneinander zu lernen.

Im Rahmen des World Cafe gab es jeweils drei zwanzigminütige Diskussionstische zu den drei Themenbereichen:

  1. Jugend(t)räume: Wo bleiben die Träume, Räume und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Jugendlichen in der Stadt und auf dem Land?
  2. Sozial(t)räume: Wie kann ein für alle lebenswerter/gerechter Ort aussehen - egal welchen Alters, Herkunft, soziale Stellung…?
  3. Öko(t)räume: Wie kann die Entwicklung ökologisch nachhaltig gestaltet werden?


Sozialträume und Sozialräume
Lebhaft und durchaus kontrovers war die Diskussion an meinen Tischen zu den „Sozial(t)räumen“:

  • Die immer von neuem stattfindenden Umstrukturierungsprozesse in städtischen Wohngebieten finden überall statt, in Berlin, in Chemnitz, in München, Hamburg,… . Es geht um soziale Ungleichheit, um Wandel der jeweiligen „urbanen Lebensstile“. Junge Menschen kämpfen um Räume - für Wohnungen, für soziokulturelle Projekte, in denen es auch mal „laut“ zugehen darf.
  • Was aber ist das Ziel von Gentrifizierung - eher „Verschönerung“ oder eher „Verdrängung“? Niemand spricht sich dagegen aus, dass Stadtviertel schöner werden, „Toiletten vom Gang verschwinden“, aber „.. ist zwar schön, aber ich habe nichts mehr davon“.
  • Kritisiert wird, dass junge Leute aufgrund der Miethöhen oftmals nicht mehr in den Vierteln bleiben können, in denen sie aufgewachsen sind.


In den meisten Städten, u.a. Berlin, existiert ein gesellschaftspolitisches Bewusstsein über die Veränderungsprozesse, mensch kann auch von einer sozialen Bewegung sprechen. Zwar ähneln sich die Entwicklungen, aber die ungleichen Ausgangssituationen der Städte und Kieze z.B. München-Haidhausen, Chemnitz, das Hamburger Schanzenviertel, Berliner Ostkreuz machen sie auch sehr unterschiedlich. Urbane Lebensstile sind häufig von einer jungen Kulturszene geprägt worden, die die Stadtviertel erst hip gemacht haben. Diese Pioniere der Bewegung, Studierende und Künstlerinnen und Künstler, prägen deren Identitätsstiftung, können dann aber aufgrund von Mietpreissteigerungen zu wenig Nachhaltigkeit in die eigenen Projekte bringen. Sie müssen weiterziehen, Quartiere würden „enthipt“.

Erwartungen an die Politik
Politik von unten und Politik von oben muss sich begegnen:

  • Vor allem sind Partizipationsprozesse der Bewohnerinnen und Bewohner stärken.
  • Die Jugendbeteiligung ist ernster zu nehmen, es brodelt, es könne ansonsten Krawall geben. Denn: „Die Dinge sind nicht alternativlos!“.
  • Lärmschutz darf nicht so weit gehen, dass Kitas weg müssen oder innerstädtisch keine „lauten Räume“ mehr existieren dürfen.
  • Es muss eine Mietpreisbegrenzungs-Regelung und eine Liegenschaftspolitik eingeführt werden, die sich nicht „nur nach dem Preis richtet“. Genossenschaften sind zu stärken, Wohnungsbaugenossenschaften in öffentlicher Hand zu halten, Milieuschutzregelungen zu etablieren, vordringlich der Leerstand zu bekämpfen.
  • Investoren dürfen nicht alleine das letzte Wort haben: das finanzielle Kapital hat den Drang zur kulturellen Aufwertung von Gebieten - und nicht die Stabilisierung sozialer Nachbarschaften. Diese sind für viele Menschen aber das „soziale Kapital“ in ihrem Leben.


Viele AkteurInnen sind Teil der Veränderungsprozesse, nicht nur die großen Investorengruppen, denen es um eine hohe Rendite bei den Mieten geht: Teil sind auch diejenigen, die eine Eigentumswohnung in Berlin kaufen. Sei es, um hier den Winter zu verbringen, oder für die Kinder, die möglicherweise in Berlin studieren werden.

Weitere Informationen zur 13. Pfingstakademie Jugendbeteiligung

Wahlkampfthema Stadtentwicklung und Wohnen

Stadtentwicklung und Mietenpolitik ist ein großes Thema der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten - nicht nur im Wahlkampf. Wir halten die von CDU/CSU und FDP im „Mietrechtsänderungsgesetz“ beschlossenen Regelungen für dramatische Verschlechterungen zu Lasten der Mieter und der Mieterinnen.

Dabei ist die „Privat vor Staat“-Ideologie gerade im Bereich Wohnen und der Stadtentwicklung gescheitert. Wir sind überzeugt: Sozialer Zusammenhalt braucht Gemeinschaftsinitiativen und Partnerschaft der Akteure. Stadtentwicklung ist mehr denn je Stadtteil- und Quartiersentwicklung. Hier finden die Begegnungen von Mensch zu Mensch statt.

Deshalb werden wir ein "AKTIONSPROGRAMM FÜR EINE SOLIDARISCHE STADT UND BEZAHLBARES WOHNEN" auflegen (SPD-Regierungsprogramm S. 86 ff). Wir werden:

  • das Programm Soziale Stadt wieder auf- und ausbauen und somit demokratische Prozesse stärken,
  • die Mietpreisspirale bremsen, eine Obergrenze für Mieterhöhungen bei Wiedervermietungen von maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete einführen,
  • energetische Sanierungen fördern, die nicht „einseitig den Mieterinnen und Mietern aufgebürdet werden“,
  • den Neubau fördern, auch für altersgerechte Wohnungen,
  • kommunal und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen stärken,
  • Bauland der Kommunen und der Länder nicht immer nur an den Meistbietenden geben,
  • Heizkostenzuschuss beim Wohngeld wieder einführen,
  • die Maklergebühren neu regeln.

Heimat beginnt vor der Haustür. Wir alle brauchen ein Zuhause.

Im Anhang finden Sie das Interview mit Mechthild Rawert bei der Pfingstakademie des Wannseeforums vom 18. Mai 2013.

 

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