„Etikettenschwindel“, „Bürokratiemonster“ - lebhaft ging es zu bei der Sachverständigenanhörung des Gesundheitsausschusses zum Thema Prävention am 15. Mai 2013 im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Die schwarz-gelbe Koalition hat nun doch - kurz vor Ende der Legislaturperiode - ihren „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention“ (17/13080) vorgelegt. Stellungnahmen zur Anhörung sind hier zu finden.
Im Rahmen der mehrstündigen Anhörung in zwei Blöcken wurden im ersten Teil der Präventionsgesetzentwurf der Koalition als auch der SPD-Antrag „Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen“ (17/9059) behandelt. Union und FDP wollen die Leistungen zur Prävention und zur Früherkennung von Krankheiten im SGB V fortentwickeln und das gesundheitsbewusste Verhalten einer jeden Person in abrechnungsfähiger Form „auf Rezept“ stärken. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen dagegen auf lebensweltliche Settingansätze, setzen vor allem auf die Prävention in der Kindheit: Wir fordern Versorgungskonzepte für Kinder und Jugendlichen mit präventiven, kurativen, rehabilitativen und palliativen Angeboten.
Die rechtliche Regelung der Korruption im Gesundheitswesen war Thema des zweiten Blocks der Anhörung. Alle sind sich zwar einig, dass es im Kampf gegen Korruption im Gesundheitswesen Regelungslücken gibt. Während die SPD fordert, diesbezüglich eigene Straftatbestände zu schaffen (vgl. „Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen“, Drs. 17/12213), befürworten CDU/CSU und FDP nur die Schaffung von Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) V.
Der weitere Terminplan sieht die 2. und 3. Lesung des Gesetzes im Bundestag am 14. Juni 2013 vor - am 05.07.2013 wird sich dann der Bundesrat noch einmal mit der Gesetzesvorlage befassen.
Verhaltensprävention „auf Rezept“ aber keine Verhältnisprävention
Zwar begrüßten die Einzelsachverständigen und VertreterInnen der Verbände grundsätzlich die Bemühungen der Bundesregierung, die Gesundheitsförderung und Prävention weiterzuentwickeln. Dennoch war die Kritik überwiegend sehr heftig. Der vorliegende Gesetzentwurf wurde als „Etikettenschwindel“, als „Bürokratiegesetzmonster“ bewertet, der an den wirklichen Bedarfen der Bevölkerung vorbeigeht. Kritikpunkte am Koalitionsvorschlag waren u.a.:
- die völlige Außerachtlassung gewachsener Strukturen,
- die Verengung von Gesundheitsförderung und Prävention auf individuelle Verhaltensänderungen: Für sozial Benachteiligte ist dieses völlig unplausibel. Hier sind strukturelle Veränderungen - Verhältnisprävention - notwendig, da so Menschen in schwierigeren sozialen und finanziellen Lebenslagen zurückgelassen werden),
- die vernachlässigte Prävention in den Lebenswelten, die bloß als „Interventionsorte“ angesehen werden. Beim „Lebenswelten-Ansatz“ geht es aber um mehr. Es geht immer auch um Partizipation und Strukturveränderungen.
Besonders kritisiert wurden die Pläne zur Finanzierung der Leistungen: Laut Koalitionsvorstellung sollen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung künftig Mittel der gesetzlichen Krankenkassen zugewiesen werden, damit sie kassenübergreifend Leistungen zur primären Prävention durchführen kann. Ein Unterfangen, welches, so Gernot Kiefer vom GKV-Spitzenverband, „ordnungspolitisch völlig verfehlt“ ist. Dass ein Sozialversicherungsträger finanzielle Mittel „für nicht klar definierte Ziele“ an eine nachgeordnete Bundesbehörde zur Verfügung stellen müsse, sei „ausgesprochen fragwürdig“. Die Regelung gehe „völlig in die falsche Richtung“.
Bezweifelt wurde - bei allem Respekt der BzgA gegenüber -, ob diese „in jedem Fall ein geeigneter Partner“ sein könne. Rechtliche Bedenken bestehen ob der Unklarheit, warum in vielen Bereichen das Vergaberecht angewandt werde und hier „Millionenbeträge an einen gesetzlich vorgeschriebenen Anbieter“ fließen sollen. Diese Haltung wird auch von Gewerkschaften und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände geteilt, die hierin einen „Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen“ sehen.
Kritisiert wurde die erneute Klientelpolitik der Regierung: Schwarz-Gelb will, dass die Finanzierung der Präventionsstrategien alleinig durch Mittel der gesetzlich Versicherten erfolgen soll. Die privaten Krankenversicherung brauchen dieses nicht. Auch das ein Indiz dafür, dass es dem Gesetzentwurf an einer gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung fehlt. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die alle investieren sollen!
Zwar wird als positiv registriert, dass die Krankenkassen 150 bis 180 Millionen Euro mehr als bisher für Prävention aufwenden sollen. Jedoch betrifft dies nur die gesetzlichen, die privaten Krankenkassen bleiben außen vor!
Die geplante „Ständige Präventionskonferenz“, die das gemeinsame Handeln aller Akteure zur Prävention weiterzuentwickeln soll, fand keine rechte Zustimmung. Ein alle vier Jahre vorgelegter Bericht könne die „Projektitis“ in der Prävention und Gesundheitsförderung nicht abbauen. Die Realität hinsichtlich Prävention muss sich verändern und eine Verknüpfung mit der regionalen Arbeit in den Bundesländern stattfinden, ansonsten bleiben bundesweite Strategien wirkungslos. In den Regionen existieren mit den Koordinierungsstellen Gesundheitliche Chancengleichheit oder dem Öffentlichen Gesundheitsdienst bereits funktionierende Strukturen. Diese sind aber chronisch unterfinanziert. „Hier müssten die Mittel eingesetzt werden".
Von den ÄrztevertreterInnen begrüßt, von anderen als unzureichend und nicht in den Lebenswelten verankert kritisiert, ist auch die vorgesehene Einführung einer ärztlichen Präventionsempfehlung. ÄrztInnen sollen künftig im Anschluss an Vorsorgeuntersuchungen Rezepte ausstellen können, die von den Krankenkassen abzurechnen sind. Vor allem in vielen großen Unternehmen gibt es bereits ausgebaute Strukturen des betrieblichen Gesundheitsmanagements, bei kleinen und mittleren Unternehmen fehlen diese zumeist noch.