Über „Gute Arbeit im Handwerk“ diskutierte ich auf dem ersten gemeinsamen Berlin-Brandenburger Gesellinnen- und Gesellentag. Der fand am 8. Juni 2013 im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Berlin statt. Karsten Berlin, Vize-Präsident der Handwerkskammer Berlin eröffnete den Gesellinnen- und Gesellentag. Anschließend begrüßten Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin, und Christian Hoßbach, stv. Vorsitzender des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg die GesellInnen. „Gute Arbeit im Handwerk“ stand als Motto der Podiumsdiskussion mit den ParteienvertreterInnen. Lediglich die Kollegin Diana Golze von der Linken fehlte.
Neue Ordnung für Arbeit auch im Handwerk
Handwerk hat goldenen Boden? Davon sind die HandwerksvertreterInnen aus der Region derzeit nicht überzeugt. Vielmehr sehen sie, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse auch im Handwerk stark zugenommen haben. Insbesondere die Leiharbeit, aber auch Befristungen, Mini-Jobs und Niedriglöhne, die dazu führen, dass aufgestockt werden muss. Die ArbeitnehmerInnenvertreterInnen - leider nur wenige Frauen - wollen wissen: Wie beurteilen die einzelnen PolitikerInnen diese Entwicklung vor dem Hintergrund der Fachkräfteentwicklung und den Anstrengungen zur Verbesserung des Handwerks-Image?
Wir SozialdemokratInnen wissen, dass Mittelstand und Handwerk das Zentrum unserer Wirtschaft sind. Vor allem in Ostdeutschland sind sie es, die die regionalen Wirtschaftsstrukturen maßgeblich prägen. Im Interesse der selbständigen Unternehmen wollen wir eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn einführen und das Normalarbeitsverhältnis stärken. Unsere geplante Vermögenssteuer wird die Handwerkbetriebe fast gar nicht betreffen. Auf jeden Fall wird keine Substanzbesteuerung geben.
Wir wissen, was wir an den Berufskammern haben, wollen diese bewahren und stärken. Wir wissen, dass Handwerkbetriebe und Handel die Hauptleistung der beruflichen Bildung erbringen. Uns ist aber auch bekannt, dass derzeit rund ein Viertel der Auszubildenden ihre Ausbildungen nicht beenden. Die Gründe sind vielfältig. Wir wollen daher Berufsbilder zeitgemäß ausgestalten und nach dem Berufsbildungsgesetz neu regeln, wollen zusammen mit den Sozialpartnern neue Qualifikationen, Berufe und Ausbildungsfelder erschließen. Gemeinsam mit der Wirtschaft und Gewerkschaften, den Ländern und Kommunen werden wir eine politische Initiative zur Sicherung des Fachkräftebedarfes starten. Auch um die Bildungsmobilität und Aufstiegschancen zu verbessern. Fakt ist, dass für viele Auszubildende und FacharbeiterInnen der Arbeitsmarkt im Handwerk nicht transparent ist. Hier muss in vielfacher Hinsicht mehr Durchlässigkeit geschaffen werden.
Die Tarifflucht stoppen
Die Tarifbindung hat in den letzten Jahren auch im Handwerk stark abgenommen. Zunehmen stehen die Innungen in Ihrer Rolle als Tarifpartner selbst in Frage. Kernfragen sind: Wie kann das Tarifvertragssystem im Handwerk gestärkt werden? Welche Rolle spielt dabei unter anderem die bereits seit längerem diskutierte Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung?
Wir SozialdemokratInenn wissen, dass eine Stärkung des bewährten Tarifvertragssysteme der Tarifbildung unerlässlich ist, um dafür Sorge zu tragen, dass ArbeitnehmerInnen am wirtschaftlichen Erfolg ausreichend teilhaben. Das ist für uns ein unverzichtbarer Beitrag für mehr Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land. Wir wollen die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erleichtern. Die bisher geltende Voraussetzung, dass mindestens 50 Prozent der Beschäftigten bei tarifgebundenen Arbeitgebern arbeiten müssen, werden wir vereinfachen. So können Lohndumping und eine Konkurrenz um die schlechtesten Arbeitsbedingungen gestoppt werden.
Mitbestimmung stärken
Die Aufgabe der Handwerkskammern ist die Interessensvertretung auch der ArbeitnehmerInnen. Als Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts muss sich das demokratische Leben in den Kammern selbst auch befragen lassen. Wir SozialdemokratInnen sind der Meinung:
- Wahlen ohne Wahlhandlung, sogenannte Friedenswahlen, finden derzeit zu häufig statt. Als Grund wird eine zu geringe Wahlbeteiligung. Hier stehen die Kammern in der Pflicht, Verbesserungen zu erreichen.
- Für uns ist die Drittel-Parität, von der die Arbeitgeberseite gerne behauptet, sie habe sich bewährt, durchaus zu hinterfragen. Uns fehlt die Parität in der Vollversammlung.
- Es bedarf dringender Maßnahmen, die Repräsentanz von Frauen in den Kammergremien zu stärken. Nur 8-10 Prozent der Frauen sind in Vollversammlungen der Handwerkkammern, der Anteil der Frauen im Handwerk liegt aber bei 20-25 Prozent.
- Transparenz von Entscheidungen ist ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Prinzips, dazu gehören auch finanzielle Entscheidungen. Vollversammlungen sollten öffentlich sein, Gehälter des Leitungspersonals, die Offenlegung der unternehmerischen Aktivitäten und Beteiligungen öffentlich gemacht werden. Wenn die Kammern bisherige Defizite im demokratischen Agieren ausräumen, besteht meiner Meinung nach keine Notwendigkeit die Pflichtmitgliedschaft der Kammern abzuschaffen.
Handwerksordnung evaluieren
Die von vielen Anwesenden kritisierte Novellierung der Handwerksordnung 2004 war aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Wir SozialdemokratInnen sind davon überzeugt, dass VerbraucherInnen durchaus nicht nur den Preis sondern auch die Qualität der Handwerkleistung incl. der Serviceangebote in Betracht ziehen. Dabei spielt es eine Rolle, ob ein Gesellen- oder ein Meisterbrief vorliegt. Um die Qualität auch sichtbar nach außen zu demonstrieren, könnten Gütesiegel oder Zertifikate eingesetzt werden.
Wir sind der Meinung, dass es bei den Diskussionen hinsichtlich einer möglichen neuen Novellierung der Handwerkordnung darauf ankommt, die bisherigen Auswirkungen der Handwerknovelle 2004 zu evaluieren. Von Schwarz-Gelb ist in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten.
Uns ist das Handwerk wichtig. Das sieht mensch auch daran, dass es in Nordrhein-Westfalen mittlerweile einen Minister für das Handwerk gibt. Ebenso findet Ende des Monats in der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Tagung stattfindet, in der das Handwerk, insbesondere die Handwerksordnung, im Mittelpunkt steht.
CDU-Politik: leere Versprechungen statt Klartext
Für mich aufschlussreich war die Vehemenz meines CDU-Kollegen Kai Wegner für die Bekämpfung von Schwarzarbeit, die Einführung einer Chipkarte und die Aufstockung des Personals beim Zoll. Auf einmal will auch die CDU Schwarzarbeit bekämpfen und die entsprechenden Stellen mit ausreichend qualifiziertem Personal ausstatten. Das nach eigenen Aussagen emotionale Plädoyer hat aber nur einen einzigen Zweck: Davon abzulenken, dass viele der CDU-Wahlgeschenke unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Bürgerinnen und Bürger werden gelinde gesagt „hinter die Fichte geführt“, andere sprechen von Wahlbetrug.
Die Ausführungen Wegners dienen einzig dem Ziel, den Mythos aufzubauen, als seien beim Kampf gegen Schwarzarbeit milliardenweise Euros zu akquirieren. Es soll das Gefühl vermittelt werden, bei „Mutti“ ist alles gut, grundlegende Reformen wie Steuererhöhungen und die Trockenlegung von Steueroasen sind hanebüchener Unsinn. Dieser erneute Versuch der „asymmetrischen Demobilisierung“ verfängt aber nicht: Nur Steuererhöhungen für Reiche sichern die Finanzierung der anstehenden staatlichen Aufgaben, sichern auch dem Handwerk Aufträge durch die öffentliche Hand. Das hat der 4. Armuts- und Reichtumsbericht selbst in der schwarz-gelb geschönten Fassung deutlich gezeigt.