„Alles begann mit einem Wort“ - so das Motto des ersten bundesweiten muslimischen Poetry-Slam. Das Finale des "i,Slam" fand am 9. Juni 2013 in der Akademie der Künste vor über 500 begeisterten Zuhörenden statt. Neun Erstplatzierte - sechs junge Frauen und drei Männer - hatten sich in Vorwettbewerben in Berlin, Hamburg, Köln und Bremen dafür qualifiziert. Gratulation an Sami El-Ali, dem Gewinner des ersten i,Slam-Finale. An der Veranstaltung habe ich auf Einladung von Sawsan Chebli teilgenommen. Sie ist Grundsatzreferentin für Interkulturelle Angelegenheiten im Stab der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Außer Konkurrenz präsentierte Sawsan Chebli zusammen mit den Moderatoren auch einen eigenen Beitrag: „Hobbygärtner in Nachbarsgarten - Wie gefährlich sind Muslime beim Rasenmähen?“
Youssef Adlah und Younes Al-Amayra, Deutsche mit syrischen Wurzeln, haben vor zwei Jahren den Poetry Slam für junge Muslime, den "i,Slam", ins Leben gerufen. Sie machen aktiv mit beim Projekt JUMA - jung muslimisch. JUMA will muslimischen Jugendlichen eine Stimme geben. Sie wollen damit Schluss machen, dass über sie nicht auf Augenhöhe über ihre Sicht der Dinge, ihre Erfahrungen gesprochen wird. Die Mitglieder des Projektes JUMA tauschen sich darüber aus, welche Fragen Jugendliche muslimischen Glaubens bewegen, was sie von der Politik erwarten und wo sie Defizite, aber auch Chancen sehen. Juma macht somit junge Menschen stark gegen Intoleranz und Extremismus. Sie sollen zu BrückenbauerInnen und Vorbildern aufgebaut werden. „i,Slam“ bietet jungen, talentierten Muslimen eine Plattform, um gehört zu werden, wenn sie sich zu gesellschaftlichen, politischen oder religiösen Themen äußern.
Mit dem Poetry Slam haben Youssef Adlah und Younes Al-Amayra den Nerv vieler Jugendlicher und jungen Erwachsenen, insbesondere von jungen Frauen getroffen. Der Saal in der Akademie der Künste war proppevoll, die Stimmung elektrisiert ob des lyrischen Feuerwerks. Mir war das Slammen ehrlicherweise zuvor unbekannt. Nun bin ich begeistert über diesen publikumsbezogenen „DichterInnenwettstreits“. Die KünstlerInnen präsentieren ihre selbstgeschriebenen und mit performativen Elementen angereicherten Texte dem Publikum. Das Publikum kürt anschließend in mehreren Runden die GewinnerIn. Unbekannt war mir auch, dass die deutschsprachige Slam Poetry (auch: Spoken Word Poetry oder Performance-Poesie) nach der englischsprachigen mittlerweile sogar als die zweitgrößte der Welt gilt.
Nach einer Koranrezitation führen die Moderatoren Youssef Adlah und Younes Al-Amayra in die Grundregeln der „DichterInnen-Schlacht“ ein: Die Texte müssen selbstgeschrieben sein. Es dürfen keine Requisiten benutzt werden. Jede/r hat bis zu 6 Minuten Zeit, Fäkalbegriffe werden nicht verwendet. Das Publikum klatscht die KünsterInnen in die nächste Runde. Die Stärke des Applauses wird mit einem „Applaus-O-Meter“, einem Dezibelmesser gemessen. Ganz offenkundig spricht diese Veranstaltungsform vor allem junge Frauen an. Diese waren sowohl als Slammerinnen als auch als aktives Publikum in der Mehrzahl. Und die neun FinalistInnen aus Berlin, Hamburg, Köln und Bremen präsentierten eindrucksvolle Texte. Die einen mehr gefühlvoll, andere voller bitterböser Satire oder schwarzem Humor. Alle aber hochpolitisch und nachdenkenswert.
Meine Quintessenz dieser Veranstaltung: Muslimische Jugendkultur leistet einen immensen Beitrag für unsere Gesellschaft. Dieser Beitrag muss mehr geschätzt und sichtbar gemacht werden. Ich begrüße beides: Sowohl die Teilnahme engagierter Muslime in nicht-muslimischen Projekten und Initiativen als auch die Teilnahme an religiös gebundenen Initiativen. Beides ist Ausdruck der Vielfalt unserer Gesellschaft, beides steht für ein gemeinsames Miteinander und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ich wünsche dem i,Slam eine rege Teilnahme der nicht-muslimischen Bevölkerung. Allein schon, um die hohe Anzahl der weiblichen Stimmen beim Poetry Slam wahrzunehmen. Die jungen Frauen melden sich hier durchaus zu Wort, waren sogar in der Mehrheit. Nach Aussagen von Younes Al-Amayra spiegelt die Bühne im Prinzip die Realität in Deutschland wider. In der muslimischen Gemeinschaft sind es vor allem die Frauen, die aktiv sind. Es gibt kaum eine muslimische Organisation, wo die Frauen nicht die treibende Kraft sind.
Mehr über "i,Slam" ist hier zu erfahren. Einen interreligiösen Slam wird es am 16. August 2013 in Kooperation mit JUMA und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin geben. Ich bin überzeugt davon, dass auch diese Veranstaltung zeigen wird: Der Dialog zwischen Muslimen und der Mehrheitsgesellschaft ist längst auf sehr fruchtbaren Boden gefallen.