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Christopher Street Day 2013 in Istanbul: Aşk örgütlenmektir! - Liebe ist, sich zu organisieren!

Das Leben ist bunt. Der Vielfalt Raum geben ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Vielfalt leben ist das demokratische Recht eines jedes Menschen - in Istanbul, Berlin und überall auf der Welt. Als  Ehrenmitglied des türkischen Vereins Lambda Istanbul bin ich - nach meiner Teilnahme 2009 - gerne der Einladung und Bitte der LGBTTI Pride-Organisationsgruppe gefolgt, auch am diesjährigen 21. Pride March in Istanbul teilzunehmen. Als deutsche Parlamentarierin wollte ich ein Zeichen setzen für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben, Bisexuellen, Transexuellen, Transgender und intersexuellen Menschen. Gerade durch die Präsenz deutscher PolitikerInnen erhoffte sich die Organisationsgruppe angesichts der harten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und AktivistInnen der Gezi-Park-Bewegung einen friedlichen CSD - und so kam es auch.

Zusammenhalt
Für den Christopher Street Day (CSD) wurde dieses Jahr mit einem harten und aggressiven Eingreifen der Polizei gerechnet. Die Queer-Community, von Beginn an ein wesentlicher Teil der Gezi-Park-Bewegung, rechnete mit vielen Schwierigkeiten: Seit Jahrzehnten ist der Gezi Park ein bekannter Treffpunkt der LGBTTI in Istanbul. Vielen Regierungspolitikern ist dieses ein Dorn im Auge. Sie verfolgen das Ziel, u.a. die LGBTTI vom Stadtkern weg zu drängen, ihre Lebensart aus dem Stadtbild zu entfernen. Eine der Befürchtung war, dass den CSD-Demonstrierenden weder erlaubt würde, sich auf dem Taksim Platz zu versammeln noch auf den Straßen Istanbuls zu demonstrieren.
Notwendiger als sonst war daher die internationale Präsenz und Unterstützung vor Ort. Die Polizei war darüber informiert, dass Abgeordnete aus dem Ausland teilnehmen werden. Der Teilnahme an der Pride Parade schlossen sich etliche CHP-Abgeordnete und eine Abgeordnete der kurdischen Partei BDP an. Diese öffentliche Solidarität türkischer PolitikerInnen hat mir sehr imponiert. Am CSD Istanbul nahmen auch teil meine sozialdemokratischen Genossen Erol Özkaraca, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses aus Neukölln, und Christian Hanke, Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Gabriele Gün Tank, Integrationsbeauftragte in Tempelhof-Schöneberg, mein Bundestagskollege Volker Beck (Bündnis90/Die Grünen) und Hakan Taş, MdA von den Linken.

Solidarität
1993 wurde der erste LGBTTI Pride March in Istanbul organisiert - viele der Demonstrierenden wurden verhaftet. Dieses Jahr, am 30. Juni, fand die bisher größte und erfolgreichste Pride Parade, die das Land je gesehen hatte, statt. Zusammen für die Rechte der Queer-Community, für mehr Akzeptanz und mehr Demokratie und gegen Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung demonstrierten über 50.000 Menschen unter dem Motto #RESISTANBUL. Ein Novum war die große Anzahl derer, die nicht selbst der Queer-Community angehören, oder eine/einen Angehörigen in ihr hat. „Ich muss nicht selber homosexuell sein, um die Rechte der LGBTTI zu unterstützen“, erklärte mir im Vorfeld der Parade in einem persönlichen Gespräch ein 16-jähriger junger Mann. Dieser war aus Batman, einer Stadt im Südosten der Türkei, eigens wegen den Protestkundgebungen nach Istanbul gereist, um seine Solidarität mit der Queer-Community zu bekunden.

Hoffnung
Ein Meer von Regenbogenfarben schmückte den Taksim Platz. Bunt und schrill kostümierte Menschen, freizügig, ideenreich, mutig, fordernd, fröhlich und ernsthaft zugleich. Singend, tanzend, musizierend verkündeten sie ihre Forderungen. Entschlossen liefen sie los, gleich, ob sie daran gehindert werden sollten oder nicht: vom Taksim Platz durch die berühmte Einkaufsmeile von Istanbul, der Istiklal, bis zur Abschlusskundgebung hinab zum Tünel. Wir Abgeordnete wurden gebeten, die Parade anzuführen - als Schutz für die Demonstrierenden. Unsere Anwesenheit zeigte Wirkung. Die Polizei hielt sich in den Seitenstraßen auf, aber die Zivilpolizisten fotografierten viel.

Wer keine Regenbogenfahne oder die Hand seines/ihres Nächsten hielt, streckte eines der kunterbunten Plakate in die Luft. In den knalligsten Farben und verschiedensten Sprachen - auf Türkisch, Arabisch, Armenisch, Kurdisch - brachten die Botschaften ins Bewusstsein: „Es gibt uns, akzeptiert es!“.

Die Euphorie in den Gesichtern der überwiegend jungen Menschen, war deutlich spürbar. Sie alle, nicht nur die Queer-Community, wollen etwas bewegen, wollen ein gerechtes, selbstbestimmtes Leben führen. Auf diesem Pride March sind die unterschiedlichsten Menschen zusammengekommen und erfuhren Zusammenhalt, Solidarität und Hoffnung. Ich bin davon überzeugt: Für viele ist die Teilnahme ein wichtiger Schritt gewesen - nicht nur hinsichtlich eines öffentlichen Outings sondern auch für ein demokratisches Leben. Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten.

Ein Slogan hallte melodisch durch die Istiklal: „Nerdesin Aşkım?“ - Wo bist du Liebling?" Und es hallte tausendfach zurück: „Burdayım Aşkım! - Hier bin ich Liebling!"


 

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