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Regenbogenfamilien brauchen mehr Rechte! - Besuch des ersten deutschen Regenbogenfamilienzentrums

„Wir brauchen mehr Rechte, brauchen eine Rechtsstellung, die unseren Lebensformen auch entspricht. Erst dann haben wir gleiche Rechte“ – so der Tenor des Gespräches im ersten deutschen Regenbogenfamilienzentrum in der Cheruskerstraße 22 in Schöneberg. Es wurde heiß diskutiert bei diesem meinem dritten Besuch am 11. Juli 2013 auf meiner Sommertour durch queere Einrichtungen des Bezirks. Dabei wurde ich begleitet von den KollegInnen aus der SPD-Fraktion der BVV Tempelhof-Schöneberg Marijke Hoeppner, Melanie Kühnemann und Hermann Zeller sowie Petra Nowacki, der Vorsitzenden der Schwusos. Begrüßt wurden wir von der Projektleiterin Constanze Körner. Als Themen kristallisierten sich schnell die Situation von Pflegefamilien, der bei vielen vorhandene Kinderwunsch und die damit verbundenen Realisierungsmöglichkeiten durch eine künstliche Befruchtung sowie das Adoptionsrecht. Themen also, die Familien bewegen. Themen, die Menschen bewegen, die eine Familie gründen möchten.

Gleichgeschlechtliche Pflegefamilien sind in Berlin nicht selten
Immer mehr gleichgeschlechtliche Paare entdecken das Modell Pflegefamilie für sich. Noch sind schwule und lesbische Pflegeeltern alles andere als alltäglich. Das gilt allerdings nicht für Berlin. Hier hat der LSVD Berlin-Brandenburg und die Familien für Kinder gGmbH 2012 mit der Plakatkampagne „Pflegekinder bringen Lebendigkeit in die Familie“ gezielt homosexuelle Paare als Pflegeeltern gewinnen können. Unterstützt wurde die Kampagne von allen 12 Berliner Bezirken, der Diakonie und den freien Trägern der Pflegekinderhilfe. Das ist gut so: Um den individuellen Bedürfnissen der Kinder, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht in ihrer eigenen Familie leben können, gerecht zu werden, brauchen Pflegekinder eine Vielfalt an Pflegefamilien. Pflegekinder brauchen verheiratete und unverheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Paare, Paare mit und ohne leibliche Kinder, alleinstehende und alleinerziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien und Familien mit Migrationshintergrund, die bereit sind, ihr Zuhause für sie zu öffnen.

Politischer Nachbesserungsbedarf bei Adoption und künstlicher Befruchtung gefordert
Ungerecht, vor allem aber für die Familien belastend, ist es, dass bis jetzt  gleichgeschlechtliche Paare Kinder nicht gemeinsam adoptieren dürfen. Dieses ist meiner Meinung nach - trotz erbittertem Widerstand von CDU und CSU - aber nur noch eine Frage der Zeit. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Monaten die "Sukzessivadoption" ab sofort ermöglicht und die Beschränkungen beim Adoptionsrecht homosexueller Lebenspartner für verfassungswidrig erklärt. Sowohl hier als auch bei der Regelung des elterlichen Sorgerechts für Mehrelternfamilien gibt es politischen Handlungsbedarf.

Auch im Bereich des weiten Feldes der Reproduktionsmedizin sieht Constanze Körner politischen Nachbesserungsbedarf - eine rege Diskussion entstand. Diskriminierend ist auf jeden Fall, dass die künstliche Befruchtung bisher nur verheirateten Paaren vorbehalten ist. Damit verbunden sind in Deutschland auch noch zahlreiche weitere ungeklärte Rechts- aber auch Finanzierungsfragen. Meiner Meinung nach ist die künstliche Befruchtung kein ausschließliches gesundheitspolitisches Anliegen und hier liegt das Problem: Bund aber auch die einzelnen Länder müssen Finanzierungsmittel in ihren Familienetats dafür bereitstellen. Die verbal groß verkündigte Kampagne von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ist auf jeden Fall ein Flop. Noch nicht einmal alle CDU-geführten Bundesländer beteiligen sich an ihrem - auf verheiratete Paare - bezogenen Programm. Die künstliche Befruchtung ist zu einem „Wettbewerbsmerkmal“ zwischen den Krankenkassen geworden. Die Reichweite der Erstattung der Eigenanteilskosten differiert stark, einzelne Kassen erstatten mittlerweile bis zu 100 Prozent des Eigenanteils. Aber auch davon profitieren lesbische Beziehungen nicht, da sich die Regelungen auf heterosexuelle Ehepaare beziehen. Auch hier bedarf es eines politischen Neuanfanges!

Das Regenbogenfamilienzentrum
Wir sprachen auch über die Angebote des Regenbogenfamilienzentrums, in dem vom Kinderwunsch über Schwangerschaft bis hin zur Beratung bei Beziehungsproblemen über alles diskutiert wird. Genutzt wird des Zentrum von BürgerInnen aus ganz Berlin. Das Beratungs- und Selbsthilfezentrum für Familien und die, die es werden wollen, ist für viele ein erste Anlaufstelle. Für andere stellt es einen „Schutzraum“ dar, in dem über alles gesprochen werden kann. Mit seinen offenen Familiennachmittagen entwickelt es sich zu einem Treffpunkt für Eltern und Kinder. Der neue Standort in der der Cheruskerstraße 22 in Schöneberg wird sehr gut angenommen, die BesucherInnenzahl hat sich fast verdoppelt. Die starke Annahme ist kein Wunder: tolle Leute, gute Lage - und vor allem dank des Einsatzes der Leiterin Constanze Körner. Herzlichen Dank für dein Engagement.