Viele Menschen haben Angst davor, im Alter und bei Pflegebedürftigkeit ihre Selbstbestimmung zu verlieren. Damit verbunden ist auch die Angst, „nicht mehr gefragt zu sein“, nicht mehr teilhaben zu können. Ein würdevolles Leben und gesellschaftliche Teilhabe hängt aber keineswegs nur vom individuellen Gesundheitszustand ab. Entscheidend sind politische Weichenstellungen für eine Pflegepolitik, die Menschen vor Ort und zu Hause unterstützt, die barrierefreie Sozialräume schafft, die Versorgung, Betreuung und gute Fachpflege sichert. Es geht um Unterstützung für helfende und pflegende Angehörige, für bessere Arbeitsbedingungen für Pflegefachkräfte.
Es kommt auf die politische Weichenstellung an!
Als Mitglied des Gesundheitsausschusses kooperiere ich eng mit Berufsfachkräften, Initiativen pflegender Familienangehöriger und Betroffenenverbänden, aber auch mit VertreterInnen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). In einer sehr agilen Arbeitsgruppe haben wir über die Bedarfe der vielen und zunehmenden Altershaushalte, über haushalts- und personenorientierte Dienstleistungen und Pflege im Quartier, über bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, höhere Löhne für Pflegefachkräfte diskutiert.
Fazit ist: Die vier Jahre dieser schwarz-gelb geführten Legislaturperiode sind verlorene Jahre für eine erfolgreiche und ernstgemeinte Pflegepolitik. Es wurde verabsäumt, Weichenstellungen für mehr Teilhabe und gute Pflege zu stellen. Es wurde verabsäumt, die Interessen älterer und pflegebedürftiger Menschen, die Interessen pflegender Angehöriger und die Interessen von Pflegefachkräften in den Mittelpunkt zu stellen. Eine umfassende Pflegepolitik gehört in die Mitte der Gesellschaft! Zusammen mit über 13,6 Millionen Menschen unterstütze ich deshalb die Forderungen des „Bündnisses für gute Pflege“.
Verlorene Jahre - verpasste Weichenstellungen
Severin Schmidt ist Referent in der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Er fasst die Ergebnisse unserer Arbeitsgruppendiskussionen im aktuellen WISO direkt „Verlorene Jahre. Versäumte Weichenstellungen und zukünftige Eckpfeiler in der Pflegepolitik“ profunde zusammen: „Die deutsche Pflegepolitik setzt gegenwärtig auf ein familienbasiertes System mit informellen Komponenten und einer stark verrichtungsbezogenen „Minutenpflege“. In Zukunft wird es einen Paradigmenwechsel geben müssen: Pflege muss lokal vor Ort organisiert werden, professionelle soziale Dienstleistungen sollten ausgebaut und die Arbeitsverhältnisse im Pflegesektor verbessert werden. Im Mittelpunkt des Systems müssen die Interessen der Pflegebedürftigen, der Pflegenden und der Familienangehörigen stehen.“
Eckpfeiler einer erfolgreichen Pflegepolitik sind
- Das familienbasierte Pflegesystem hat keine Zukunft. Care-Arbeit muss formeller und professioneller werden sowie den Bedarfen der Altershaushalte gerecht werden.
- Pflege wird in Zukunft regional vernetzt und quartiersbezogen stattfinden.
- Pflegearbeit wird durch bessere Ausbildung und Arbeitsbedingungen sowie durch höhere Löhne aufgewertet. Mehr Männer sollten im Care-Sektor arbeiten.
- Die Finanzierung muss gesichert werden und ökonomische Potenziale müssen erkannt werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu das Konzept „Für eine umfassende Pflegereform: Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken“ vorgelegt. Wir stellen uns der Herausforderung und gestalten den notwendigen Paradigmenwechsel.
Die Bundestagswahl am 22. September ist eine Richtungswahl! Entscheiden Sie sich für ein selbstbestimmtes Alter, eine menschenwürdige Pflege, für bessere Bedingungen für Pflegebedürftige, pflegende Angehörige, für Pflegefachkräfte. Entscheiden Sie sich für eine würdige Pflege für alle.