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Gedenkkonzert für die Überlebenden der „Arbeitsarmee“ (Trudarmee)

Geschichte ist immer präsent. Geschichte lebt vom Gestrigen und speist sich vom heute Gelebten. Das wurde deutlich beim Gedenkkonzert anlässlich des 72. Jahrestages der Deportation der Russlanddeutschen und dem 250. Jahrestag des Erlasses der Zarin Katharina II. zur Siedlungspolitik im großen Saal des Übergangswohnheim Marienfelde. Hier traten am 21. August 2013 wunderbare Künstlerinnen und Künstler aus Russland, darunter auch Aussiedlerinnen und Aussiedler, aber auch Kinder, die schon längst in Berlin geboren sind, auf. Präsentiert wurde deutsch- und russischsprachiger Gesang, Instrumentalmusik und Tanz. Die beglückten Gesichter - ob alt, ob jung - waren eine einzige Freude.

Das Gedenkkonzert war den wenigen noch lebenden Trudarmistinnen und Trudarmisten und ihren Familien gewidmet. Ihr Schicksal darf nicht in Vergessenheit geraten.

Unsere gemeinsame Gegenwart - unsere gemeinsame Zukunft
Die Geschichte der Russlanddeutschen ist Teil unserer gemeinsamen Geschichte. Für das gegenseitige Verstehen und Respektieren ist das Wissen um die Geschichte des Anderen eine wichtige Grundlage. Dafür tragen auch wir Verantwortung. Diese deutschen Staatsbürger repräsentieren einen Teil unserer deutschen Geschichte, sowie sie auch einen Teil russischer Geschichte. Ich nehme diesen Jahrestag zum Anlass, um meine Solidarität und meine Anteilnahme für das erlittene Leid in vielen Familien zum Ausdruck zu bringen. Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind in Deutschland willkommen. Alle sollen die gleichen Chancen haben. Ich begrüße das große Engagement der Deutschen aus Russland in vielen Selbstorganisationen. Ich danke für die vielen sozialen, sprachlichen und auch ökonomischen Fähigkeiten, mit denen Russlanddeutsche unsere Gesellschaft in Deutschland bereichern.

Geschichte ist lebendig
Als mich Larissa Neu vom Integrationszentrum Harmonie e.V. an die häufig leidvolle Geschichte der Russlanddeutschen erinnerte und vom bevorstehenden 72. Jahrestag der Deportation
und dem 250. Jahrestag des Erlasses der Zarin Katharina II. berichtete, war es mir ein besonderes Anliegen, meine Solidarität und Unterstützung für die Gestaltung eines würdigen Gedenkens anzubieten. Ich danke Frau Uta Sternal vom Internationalen Bund e.V., die uns nicht nur den Konzertsaal im Übergangswohnheim Marienfelder Allee zur Verfügung stellte. Ich bin auch dankbar für ihre einleitenden Worte zur Darstellung der Situation der vielen Flüchtlinge, die hier bei uns in Deutschland Schutz suchen. Ich danke dem Tanz- und Gesangensemble „Regenbogen“, dem Duo Faller, der Sängerin Natali Kukshausen und dem Gitarrenspieler Alexey Wagner sowie dem Chor INA für die engagierte Teilnahme an diesem Gedenkkonzert.

Unter den Anwesenden waren zwei „Trudamistinnen“, zwei Frauen, die die Deportation und Zwangsarbeit in Folge des Stalinerlasses am 28. August 1941 überlebt haben und nun mit ihren Familien in Marienfelde leben. Zu sehen, wie sich eine der Frauen mit Kindern aus Flüchtlingsfamilien freundschaftlich unterhielt, ist ein deutliches Zeichen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Deutschland kann und muss Menschen in Not Hilfestellung geben. Ich heiße sie willkommen.

Gemeinsam gegen Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit
Deutsche und russische Geschichte ist vielfach miteinander verwoben. Auch die sogenannten (Spät-) AussiedlerInnen machen das deutlich. Viele von ihren Familien litten unter dem „Stalin-Erlass“ vom 28. August 1941, der unmittelbar nach dem Überfall von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion in Kraft trat.

Zur Erinnerung:
Hunderttausende Deutsche siedelten sich nach einem Erlass der Zarin Katharina II. vom 22. Juli 1763 insbesondere in den Ebenen beiderseits der Wolga an. Dort konnten sie die Traditionen der alten Heimat wahren, waren aber auch offen für die sie umgebende russische regionale Kultur. Die Vielfalt der Orte, an denen sie sich niederließen, ist noch heute erkennbar. Unter den ehemaligen SowjetbürgerInnen deutscher Nationalität wird immer noch unterschieden zwischen Wolgadeutschen, Wolhyniendeutschen, Krimdeutschen, Kaukasiendeutschen, Schwarzmeerdeutschen und Sibiriendeutschen. Alles war friedlich - bis zum 28. August 1941.

Dieses Datum markiert den Anfang einer systematischen repressiven Politik gegen alle Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion. Unmittelbar nach Beginn des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 gab Stalin einen Erlass bekannt, wonach alle Deutschen innerhalb kürzester Zeit deportiert und in die so genannte Trudarmee (Arbeitsarmee) nach Sibirien und Kasachstan verschleppt wurden. Pauschal und haltlos waren die Beschuldigungen, alle Deutschen in der Sowjetunion würden mit Hitlerdeutschland kollaborieren. Ohne ihr eigenes Verschulden nahm Stalin an seinen eigenen StaatsbürgerInnen Rache für den deutschen Angriffskrieg. Kaum einer der Millionen Deutschen wurde verschont. Das Schicksal von über 800.000 Menschen war Enteignung, Schutzhaft, Zwangsarbeit, Rechtlosigkeit und gesellschaftliche Ausgrenzung. Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, Familien auseinander gerissen. Viele, insbesondere Kinder und ältere Menschen, starben durch Hunger, Erschöpfung oder Krankheit. Von den über 350.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern überlebten nur 150.000. Die Deportation hat 15 lange, harte Jahre gedauert. Erst im Jahr 1956 durften die Deutschen ihre Lager verlassen. Viele sind nach Deutschland gekommen.