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Mechthild Rawert zu Besuch bei der Debeka: „Mit der Bürgerversicherung in eine gute gesundheitliche Zukunft“

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dafür zu sorgen, dass sich alle Menschen auf Hilfe in einem gesundheitlichen Ernstfall verlassen können - und dieses unabhängig vom eigenen Einkommen bzw. der jeweiligen sozialen Lage. Um das zu erreichen, darf die gesundheitliche Versorgung und ihre Finanzierung keine Privatsache sein.

Um das nur in Deutschland existierende duale System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, ging es in der Diskussion mit rund 80 Auszubildenden am 21. August 2013 in den Schulungsräumen der Berliner Landesgeschäftsstelle der Debeka-Gruppe in Schöneberg. Dieser private Anbieter von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen hat sich nach eigenen Angaben vom reinen Krankenversicherer für Beamte zu einer Versicherungsgruppe für alle privaten Haushalte entwickelt. Die Debeka bietet dafür eine Ausbildung als Kauffrau/Kaufmann für Versicherungen und Finanzen an.

Ich habe die Einladung von Karl-Heinz Knüfermann, Landesgeschäftsstellenleiter, gerne angenommen. In meinen BürgerInnensprechstunde suchen mich oftmals privatversicherte Bürgerinnen und Bürger aufsuchen, die ihre drastisch steigenden PKV-Prämien nicht mehr bezahlen können. Dieser Umstand verschlimmert sich besonders mit zunehmendem Alter. Derzeit kann ich ihnen leider nicht helfen. Um dies zu können, will ich für ein einheitliches, solidarisches Versicherungssystem sorgen. Deshalb will ich die solidarische Bürgerversicherung! Allerdings wird das Konzept einer Bürgerversicherung von vielen Lobbygruppen - vorneweg die private Versicherungswirtschaft - massiv durch viele falsche Behauptungen diskreditiert.

Ein solidarisches Gesundheitswesen duldet keine Zwei-Klassen-Medizin

Das SPD-Modell der solidarischen Bürgerversicherung umfasst sowohl die Finanzierungs- als auch die gesundheitliche Versorgungsebene:

Versorgungsebene:
Um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, wollen wir eine gemeinsame Honorarordnung für Ärztinnen und Ärzte einführen, die sich an dem Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ orientiert. Noch herrscht im Wartezimmer eine ungerechte Bevorzugung, da sich die FachärztInnen bei der Terminvergabe nach den Privatversicherten orientieren. Entsprechend der SPD-Bürgerversicherung soll allein die Schwere der Erkrankung über die Art und Schnelligkeit der Behandlung entscheiden.

Die Auszubildenden bei der Debeka stellten sich bei dieser Herausforderung klar auf die Seite der medizinischen LeistungserbringerInnen. Gesetzlich Versicherte könnten keine gewinnbringenden Honorare gewährleisten, um die Praxen der Fachärzte erhalten zu helfen. Als Lösung wurde mir der Vorschlag unterbreitet, die Politik solle doch ein Gesetz für Ärztinnen und Ärzte vorlegen, das eine Bevorzugung von Privatversicherten verbietet.

Faktencheck:
Die Haltung, die gute medizinische Versorgung in Deutschland wird nur aufgrund der Privatversicherten aufrechterhalten, ist falsch.

In erster Linie wird die medizinische Infrastruktur in Deutschland von den 70 Millionen GKV-Versicherten finanziert und somit aufrechterhalten. Der Anteil der PKV wird lediglich von 9 Millionen BeitragszahlerInnen erbracht. So erwirtschaftet heute bereits ein niedergelassener Arzt ohne PKV-PatientInnen im Schnitt ein monatliches Bruttoeinkommen von 8.300 Euro. Zudem leisten die privaten Krankenversicherungsunternehmen so gut wie keinen Beitrag zur Qualitätssicherung in Arztpraxen und Krankenhäusern. Privatversicherte profitieren somit allein von der Infrastruktur, die das System der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen hat. Ein Beispiel dafür ist die Einführung der Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die vom GKV-Spitzenverband finanziert wird. Die PKV ist erst nach 10 Jahren mit in die Finanzierung eingestiegen.

Finanzierungsebene:
Meine Debatte mit den teils ausgelernten und teils angehenden Kauffrauen und -männern für Versicherungen und Finanzen drehte sich des Weiteren um die Finanzierbarkeit der Bürgerversicherung. Dabei ging es um den zukünftigen Status von Beamtinnen und Beamten in der Bürgerversicherung sowie um den Verbleib der Altersrückstellungen. Der Tenor der Debeka-Auszubildenden war die Kritik am Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Bürgerversicherung wurde interpretiert als ein Prinzip, wonach „alle gleich schlecht behandelt werden sollen“ oder sie beschrieben es als „Einheitsbrei mit der Wahl zwischen Pest und Cholera“. Ein Auszubildender zeichnete ein Szenario, in dem die Bürgerversicherung mit ihrer Idee eines einheitlichen Wettbewerbsrahmen für alle Krankenkassen einer Preisabsprache und Kartellbildung Vorschub leisten würde. Dabei wurde die Forderung nach der Einführung einer Beitragssatz-Garantie für die Bürgerversicherung laut.

Faktencheck:
Falsch ist die Behauptung, es würde mit der Bürgerversicherung nur eine einzige „Einheitskasse“ geben und so sei es für den Staat noch einfacher als bisher, medizinische Leistungen zu reduzieren. Exzellente medizinische Versorgung auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand würden dann nur noch Privatarztpraxen und Privatkliniken anbieten können.
Die Wahrheit ist: Nur mit der solidarischen Bürgerversicherung kann die existierende Zwei-Klassen-Medizin abgeschafft werden! Gerade mit der Bürgerversicherung wird die Ungleichbehandlung von Privat- und Gesetzlichversicherten abgeschafft - z.B. beim Zugang zu bestimmten hochspezialisierten Leistungen und bei den Wartezeiten auf einen Facharzttermin.

Behauptet wird auch, die Bürgerversicherung würde die bestehenden GKV-Probleme verschlimmern. Dadurch, dass die ca. 10% privatversicherten BürgerInnen und Bürger zukünftig zwangsverpflichtet seien in die GKV zu wechseln, würden die Probleme der GKV (z.B. zu lange Wartezeiten, steigende Zuzahlungen und Leistungskürzungen) nicht gelöst, sondern verstärkt werden.
Die Wahrheit ist: Die Bürgerversicherung ist krisensicher und zukunftsfähig! Die umlagefinanzierten gesetzlichen Kassen sind weitaus besser durch die bisherigen Finanzkrisen gekommen als das System der PKV, da die meisten privaten Krankenversicherungsunternehmen aufgrund von Spekulationen viel Geld verloren haben. Somit kam es im Bereich der privaten Krankenversicherung teilweise zu dramatischen Prämiensteigerungen von bis zu 40%. Angesichts der hohen Rücklagen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen und im Gesundheitsfonds gebildet werden konnten, würde die Einführung der Bürgerversicherung die existentiellen Probleme vieler privat Versicherter eher lösen als verschlimmern. Denn viele der privaten Krankenversicherungsunternehmen können mit ihrem kapitalgedeckten Geschäftsmodell nicht mal die eigenen Probleme auf Dauer lösen. Im Gegenzug hat die GKV ihre Krisensicherheit und Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen können.

Auch von einer Zwangsverpflichtung kann keine Rede sein. Den jetzt privat Krankenversicherten wird vielmehr das Recht eingeräumt, sich innerhalb eines Jahres zu entscheiden und in einen Bürgerversicherungstarif zu wechseln. Sie sind jedoch keineswegs dazu verpflichtet.

Gesundheitswesen im Wandel - Gesundheitswirtschaft als Arbeitsplatz

Schließlich brachten die jungen Auszubildenden der Debeka bei unserem Gespräch eine von mir sehr ernst genommene Sorge zur Sprache. Es ging um die Frage, ob sie auch nach Einführung der Bürgerversicherung in ihrem Ausbildungsberuf bei der privaten Krankenversicherung eine Arbeitsplatzchance haben. Denn entsprechend dem Konzept der Bürgerversicherung soll es keine Neuverträge bei privaten Krankenkassen mehr geben. Meiner Einschätzung nach ist es der deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Politik bisher immer gelungen, auf neue Herausforderungen mit neuen Ausbildungs- und Arbeitsplatzmöglichkeiten zu (re-)agieren. Darüber hinaus beinhaltet die Ausbildung bei der Debeka ohnehin die Möglichkeit, sich zwischen zwei Fachrichtungen zu entscheiden. Ich nehme diesen Aspekt aber selbstverständlich in die weiteren Beratungen mit.

Faktencheck:
Behauptet wird, die Bürgerversicherung vernichte massiv Arbeitsplätze. Behauptet wird auch: Die private Vollversicherung stelle das Fundament der PKV-Unternehmen dar. Würde diese wegfallen, verschwänden mit ihr über 75.000 Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche und weitere tausend Arbeitsplätze in anderen medizinischen und verwaltenden Bereichen (z. B. Arztpraxen und Krankenhäuser) seien bedroht.
Die Wahrheit ist: Auch die PKV kann die Bürgerversicherung anbieten! Zwar wird nach dem SPD-Modell der solidarischen Bürgerversicherung das Neugeschäft der PKV-Vollversicherung zu einem Stichtag gestoppt. Den Versicherungsunternehmen steht es aber frei, den neuen Bürgerversicherungstarif und weiterhin auch Zusatzversicherungen anzubieten. Für etliche der privaten Krankenversicherungsunternehmen wird die Bürgerversicherung ein willkommenes Ausstiegsszenario sein, um sich geräuschlos und ohne Nachteile für die Versicherten und die eigenen Beschäftigten von einem für sie auf Dauer nicht mehr rentablen Geschäftszweig zu trennen.

Selbst wenn einzelne PKV-Unternehmen entscheiden, nur noch Zusatzversicherungen anzubieten, wären „nur“ die Bereiche Akquisition bzw. Außendienst im Bereich der Krankenversicherung betroffen. Etwa 10.000 bis 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten rund 80.000 Neuverträge für Vollversicherungen und 530.000 Verträge für Zusatzversicherungen pro Jahr. Selbst bei der unternehmerischen Entscheidung, auf das Vollversicherungsgeschäft zu verzichten, wäre nur ein Bruchteil dieser Arbeitsplätze betroffen. Mit der Bürgerversicherung wird auch eine einheitliche Honorarordnung umgesetzt. Diese garantiert, dass die gleiche Menge Geld im Gesundheitssystem verbleibt und an die Ärztinnen und Ärzte sowie die anderen Leistungserbringer verteilt wird. Arbeitsplätze im medizinischen Bereich sind also keinesfalls bedroht.

Das Wohl der Patientinnen und Patienten steht im Mittelpunkt

Die SPD-Bundestagsfraktion will ein solidarisches Gesundheitswesen, in dem alle die bestmögliche medizinische, pflegerische und rehabilitative Versorgung bekommen - dafür stehe ich! Als Mitglied im Gesundheitsausschuss orientiert sich meine parlamentarische Arbeit am Wohl der PatientInnen und der Beschäftigten. Weiterhin zielt meine Arbeit auf die Sicherstellung von mehr Gerechtigkeit und Solidarität in unserer Gesundheitsversorgung ab. Der Bedarf dafür steigt ohnehin angesichts des demografischen Wandels. Ich kämpfe für eine gute Gesundheitsversorgung und eine würdige Pflege für alle.

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