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Ev. Kirchengemeinde Marienfelde: „Jeder verdient eine Chance menschenwürdig leben zu können“

Sehr gerne bin ich der Einladung der Evangelischen Kirchengemeinde Marienfelde zu einer Podiumsdiskussion mit den DirektkandidatInnen der im Deutschen Bundestag vertretenden Parteien gefolgt. Warum? Mitglieder dieser Gemeinde sind immer da, wenn es darum geht, Gesicht zu zeigen: Gesicht gegen die menschenfeindlichen Haltungen der NPD, Gesicht für eine humane Flüchtlings- und Asylpolitik. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Die Diskussion fand am 28. August 2013 im Dorothee-Sölle-Haus in Marienfelde statt, einem Ortsteil im Südwesten Tempelhof-Schönebergs. Angekündigt und behandelt wurden drei Themenblöcke:

  • Sozialpolitik: „Was wird aus Hartz IV?“
  • Integration - Zusammenleben - Ausländerpolitik
  • Rentenpolitik: Wie geht es mit der Rente weiter?

Jeder Block wurde durch ein fachkundiges Gemeindemitglied eingeführt, dann erst kamen die PolitikerInnen zu Wort. Den Abend moderierten mit striktem Zeitmanagement die Vikarin Viktoria Meyer und Christoph Wolff, Mitglied des Gemeindekirchenrats.

Von der Rente muss Mann und Frau leben können
Der Themenkomplex Rentenpolitik stand als erster zur Diskussion. Frau Dr. Jutta Wagner, Ärztin im Ruhestand, führte in die Thematik ein. Sie erinnerte an die Ursprünge und verschiedenen Phasen der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung, beschrieb das Drei-Säulen-Prinzip der Rente und verwies auf die aktuelle Entwicklung des sinkenden Standard-Netto-Rentenniveaus. Dementsprechend erhalten viele Menschen keine existenzsichernde Rente mehr, wobei Geringverdienende überhaupt keine Möglichkeit der privaten Vorsorge hätten. Sie plädierte für eine breitere Basis der Rentenversicherung.

Damit jede/r im Alter gut leben kann, will die SPD eine große Rentenreform durchführen. Dabei gilt für uns: Wer über Rente, wer über Altersarmut redet, darf über Erwerbsarmut nicht schweigen! Unser Rentensystem kann nicht dauerhaft die während des Arbeitsleben entstandenen sozialen Ungleichheiten am Ende korrigieren.

Wir SozialdemokratInnen wollen deshalb:

  • dass ArbeitnehmerInnen nach 45 Versicherungsjahren abschlagfrei mit 63 Jahren in Rente gehen können,
  • eine Solidarrente für Langzeitversicherte von mindestens 850 Euro,
  • eine attraktive Teilrente ab 60 „oder vergleichbare flexible Übergangsmodelle, bei denen auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen Tarifverträge abgeschlossen werden können“,
  • einen abschlagsfreien Zugang zur Erwerbsminderungsrente und eine Verlängerung der Zurechnungszeit zur Erwerbstätigenversicherung, die mehr Gruppen einbezieht,
  • eine Anhebung des Renteneintrittsalters erst bei einer 50 Prozent-Beschäftigung der 60- bis 64-Jährigen,
  • eine Stärkung der betrieblichen und tarifvertraglich abgesicherten Altersversorgung,
  • die Aufrechterhaltung des gesetzlichen Rentenniveaus bis 2020 und danach eine neue Bewertung,
  • eine Angleichung des Ost-West-Rentenrechts.

Eine breitere Basis bedeutet für uns: Wir müssen die Selbstständigen stärker an der gesetzlichen Rentenversicherung beteiligen. Wir wollen - im Gegensatz zur Union - bis 2020 das Rentenniveau auf dem jetzigen Stand von gut 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns halten. Erst dann wird endgültig entschieden. Wir wollen die Tariflöhne wieder stärken, Schluss damit machen, dass nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Betrieb arbeitet. Tarifflucht der Betriebe darf sich nicht mehr lohnen. Gute Löhne sind eine wesentliche Voraussetzung für gute Renten, auch deshalb wollen wir den gesetzlichen Mindestlohn. Deshalb wollen wir „den gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“. Das nützt vor allem Millionen Frauen und der im Augenblick noch hohen Zahl von LeiharbeiterInnen. Geringverdienende haben kein Geld übrig für Modelle der privaten Vorsorge.

Soziale Gerechtigkeit und Soziales Leben für alle
Uwe Sawitzki, Leiter der Laib und Seele-Ausgabestelle Marienfelde, stellt die soziale Situation in Marienfelde dar und nahm dabei Bezug auf die Wohnraumsituation, beschrieb den „Brennpunkt“ Waldsassener Straße und die Situation von Hartz IV-Empfangenden und der „Aufstockenden“. Zur Ausgabestelle würden ein Drittel Hartz IV EmpfängerInnen, ein Drittel Rentnerinnen und Rentner sowie ein Drittel Menschen mit Migrationsbiographie kommen und Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. Er selbst plädiert für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Die SPD spricht sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Wir sind der Meinung: Geld alleine genügt nicht! Es bedarf sozialstaatlicher Verantwortung für gesellschaftliche Teilhabe und Partizipation für alle. Niemand darf aus sozio-ökonomischen Gründen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die mindestens benötigten 80 Milliarden Euro für das bedingungslose Grundeinkommen haben wir nicht. Ich möchte einen starken Staat, der sich am Leitbild einer inklusiven Gesellschaft orientiert. Deshalb beabsichtigen wir höhere Steuereinnahmen, durch eine UmFairTeilung von oben nach unten.

Analysen in den 34 lebensweltlich orientierten Räumen (LOR) hat ergeben, dass sich die Situation in Marienfelde in den letzten Jahren auch wegen des demographischen Wandels stark verändert hat. So hat der Ortsteil u.a. den größten Anteil an Menschen über 65 in Tempelhof-Schöneberg sowie einen hohen Anteil an Alleinerziehenden oder Bedarfsempfangenden. Wir setzen auf einen aktiven Staat in allen Lebens- und Politikbereichen. Dafür kämpfen wir beispielsweise für bezahlbaren Wohnraum: Wir wollen die Abschaffung des „Mietpreisverschlechterungsgesetzes“, befürworten eine Mietpreisbremse und die Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses. Wir wollen eine „Gute Ordnung“ auf dem Arbeitsmarkt. Wir werden das Programm der „Sozialen Stadt“ wieder einführen. Studien ergeben, dass der Missbrauch der Inanspruchnahme von „Hartz IV“ bei nur drei bis vier Prozent liegen – weit entfernt von gängigen Vorurteilen denjenigen gegenüber, die eine Grundsicherung erhalten.

Miteinander leben - „Integration“ für alle
Ute Sternal, Leiterin der Übergangswohnanlage Marienfelde in Trägerschaft des Internationalen Bundes, wies auf drängende Herausforderungen im Bereich der „Integration“: Es fehlen Kitaplätze in speziellen Kindertagesstätten, die Sprachförderung durchführen. Die Integrationsklassen sind zu groß und die meisten LehrerInnen haben keine speziellen Qualifikation. Es fehlen Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeit für erwachsene Flüchtlinge bzw. AsylbewerberIinnen.

Die SPD stemmt sich aktiv gegen die Vorurteile gegenüber „AusländerInnen“: Wir wollen eine umfassende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, wie z.B. die Abschaffung der Optionspflicht durch eine Doppelpass-Regelung. Wir stehen für ein ganzes Paket an Maßnahmen, um die einzig mögliche Wahrheit ans Licht zu befördern: Deutschland ist ein Einwanderungsland mit einer tatsächlich gelebten Willkommens- und Akzeptanzkultur.

Die Überschrift meines Wahlkampf-Flyers lautet nicht umsonst: „Das Leben ist bunt und vielfältig.“ Damit dieses Motto zum Tragen kommt, muss auch der öffentliche Dienst bunter werden und als Vorbild agieren: beispielsweise mit anonymisierten Bewerbungen oder mit festen Zielvereinbarungen für die Einstellungspraxis. Wir müssen das „Anerkennungsgesetz“ verbessern. Auf bestehende berufliche Qualifikationen können wir nicht verzichten.

Es gilt: Bildung, Bildung, Bildung! Wir brauchen mehr qualifiziertes Sprachpersonal für Kitas, denn hier wird der Grundstein für Sprache und Erziehung und somit Integration gelegt. Wir brauchen mehr gemeinsames BürgerInnen-Engagement, brauchen zahlreiche Programme gegen Rassismus und Diskriminierung für mehr Toleranz und Akzeptanz.

Jeder verdient eine Chance menschenwürdig leben zu können“
Schwarz-Gelb hat dazu geführt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer geworden ist. Damit muss Schluss sein! Denn jeder Mensch hat unabhängig von der Herkunft, dem sozio-ökonomischen Status und der momentanen persönlichen Situation ein Recht auf Chancengleichheit und Teilhabe. Das wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erreichen. Denn nur so ist Deutschland bunt, vielfältig und glücklich.