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SPD-Sommertour: Das Tiele-Winckler-Haus ist mein zu Hause!

Wie jedes Jahr habe ich auch 2013 eine Sommertour durch die Einrichtungen, Projekte und Initiativen von Tempelhof-Schöneberg gemacht. Das Besondere an 2013 ist: Die diesjährige Sommertour „gesund-sozial-queer“ findet in Begleitung von SPD-PolitikerInnen der kommunalen und Berliner Ebene statt - eine schöne Gelegenheit, sich auszutauschen. Dabei durchqueren wir unseren Bezirk vom südlichsten Zipfel in Lichtenrade bis hin zum Schöneberger Norden. Die erste Station am 13. August war das Tiele-Winkler-Haus in der Lichtenrader Mozartstraße, direkt an der Brandenburgischen Grenze. Und wie bei jedem meiner Besuche: Es gibt immer wieder etwas Neues zu erfahren und zu lernen.

Wir wurden von der Einrichtungsleiterin Bettina Wohland und der Regionalleiterin Helena Scherer auf´s Freundlichste begrüßt. In der seit 1991 existierenden Einrichtungen leben 39 Frauen und Männer im Alter von 22 bis 86 Jahren. „Für unsere Bewohnerinnen und Bewohner ist das Tiele-Winckler-Haus ihr zu Hause! Und ja: Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind eigensinnig und sie sollen es auch sein“, entgegnete gleich zu Beginn Helena Scherer zur SPD-BesucherInnengruppe. Hier werde großer Wert auf Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung für die Menschen mit geistigen, häufig auch mehrfachen Beeinträchtigungen gelegt.

Aktuelle Sorgen

Besondere Sorgen macht den beiden Frauen die Umsetzung und die Konsequenzen des vom Land Berlin 2011 aktualisierten „Metzler-Verfahrens“. Dieses nach seinem Entwickler umgangssprachlich benanntes Verfahren ist ein auf Zeitwerten beruhendes Begutachtungsverfahren. Mit diesem H.M.B.-W. Verfahren (Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung-Wohnen) wird der individuelle Grad der Selbstständigkeit beim Wohnen ermittelt. Die Intention aus dem Jahre 2011 war die Schaffung eines neuen Leistungs- und Vergütungssystems für stationäre Hilfen zum selbstbestimmten Wohnen. Der vorhandene Leitfaden schränke die Begutachtenden aber so weit ein, dass dieses Verfahren insbesondere den Menschen mit Mehrfachbehinderung nicht gerecht werde. Die in der Arbeit mit den Betroffenen erreichten Ziele und kleinen Erfolge seien schon ein großer Schritt in die Selbstständigkeit, würden aber durch den geltenden Leitfaden nicht abgebildet.

Ein Beispiel: Ist das Ziel des Waschens die (Wieder-)Herstellung der Fähigkeit, sich in Zukunft selbst zu Waschen, werden dem Vorgang Zeitwerte zugeordnet. Ist absehbar, dass ein Mensch künftig nicht (mehr) in der Lage sein wird, sich selber zu waschen, wird kein Zeitwert angerechnet. „Es soll wohl auch kein Aufwand betrieben, kein gemeinsamer Prozess daraus gemacht werden“, stellt Frau Scherer fest. Für ethische Fragen, wie: „Bis wann und wann nicht, nützt es einem Menschen, Zeit mit ihm zu verbringen oder nicht?“, sei hier kein Platz. Im Tiele-Winckler-Haus würden deshalb tatsächlich einige Menschen mit schweren Mehrfachbeeinträchtigungen unter diesem Verfahren leiden. Problematisch sei es auch, dass nun die Einzelnen, die häufig keine Familie mehr hätten, alleine für ihre Rechte kämpfen müssten. Außerdem könne der Träger nicht flexibel genug handeln.

Das Recht auf Teilhabe und Selbstbestimmung

Am Gespräch und der anschließenden Führung nahm auch Brigitte (72), eine Bewohnerin, teil. Wir kannten uns schon von früheren Besuchen im Tiele-Winckler-Haus, insbesondere von einem Sommerfest, an dem ich nach einer Hut-Modenschau zwei Prachtexemplare erworben habe.

Brigitte zeigte uns ihre Lieblingsorte im Haus, ihr Zimmer, welches sie mit einer Mitbewohnerin teilt - jede aber einen eigenen kleinen Bereich hat, den Aufenthaltsraum auf ihrer Etage. Frau Wohland wies darauf hin, dass Zweibettzimmer hier die Ausnahme, von einigen aber auch gewollt seien. Künftig werde es nur noch Einzelzimmer geben. Helena Scherer griff das Thema des bezahlbaren Wohnens auf: Es sei kaum noch möglich, für kleine Gruppen bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu finden.

Wir wurden auch in den wunderschön angelegten Garten geführt. Und hier wurde ein Thema benannt, welches alle LichtenraderInnen berührt: die Dresdner Bahn. Frau Scherer ist besorgt, dass bei ebenerdiger Bauweise, bis zu 10 Meter von ihrem Garten wegfalle und die Bewohnerinnen und Bewohner unmittelbar neben den Lärmschutzwänden leben müssten. Deshalb auch hier: Der Tunnel muss her!

Der Besuch des Tiele-Winckler-Hauses in Lichtenrade am 13. August 2013 ist Teil der SPD Sommertour „gesund-sozial-queer“. Ziel ist es, mehr Aufmerksamkeit auf die Gesundheits-, Sozial- und Queerprojekte zu lenken und so ihre öffentliche Wahrnehmung und ihren Part in der gesellschaftlichen Anerkennungskultur zu erhöhen. Denn gerade diese Projekte sind vielfach die Garanten für eine selbstbestimmte und selbständige Lebensführung, für Teilhabe und Partizipation. Begleitet wurde ich von den BVV-Mitgliedern Marijke Höppner, Hermann Zeller, Ausschussvorsitzender für Gesundheit, sowie Dr. Jörg Tänzer vom Sozialausschuss und Dr. Rainer Baack vom Gesundheitsausschuss.