„WIR SIND DRAN! SELBST.BESTIMMT.SICHER“ - so das Motto und die Forderungen der 18. Ordentlichen Bundesfrauenkonferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Fast zweihundert Frauen aus allen Mitgliedsgewerkschaften und Bezirken, aus Betrieben und Verwaltungen hatten sich am 21. bis 23. November 2013 in Berlin versammelt. Mit ihren Beschlüssen wollen die Gewerkschafterinnen Voraussetzungen für einen Politikwechsel schaffen: für die Weiterentwicklung und zukunftsfähige programmatische Ausrichtung einer erfolgreichen Frauen- und Gleichstellungspolitik im und durch den DGB. Chancengleichheit von Frauen und Männern muss endlich durch entsprechende Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Dazu gehören insbesondere gesetzliche Regelungen zur Quote, ein Entgeltgleichheitsgesetz und die Abschaffung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse. In ihrem sehr profunden und zugleich sehr gut lesbarem Leitantrag „Von der notwendigen Existenzsicherung zur selbstbestimmten Erwerbsbiographie von Frauen und Männern“ werden zahlreiche konkrete Maßnahmenfelder für die Gewerkschaften sowie den Gesetzgeber, für Bund, Länder und Kommunen aufgeführt.
„WIR SIND DRAN! SELBST.BESTIMMT.SICHER.“
Bereits in der Eröffnungsrede forderte Elke Hannack, stellv. DGB-Bundesvorsitzende, den Politikwechsel in der Gleichstellungspolitik - der riesige Applaus auch der zahlreichen DGB-BündnispartnerInnen aus Politik, Wissenschaft, Beratung und Initiativen gab ihr Recht. Hannack griff die Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD auf: Das Wahlergebnis offenbare, dass hier eine Wunsch-Koalition von mehr als zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger - auch der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (die allerdings mehr als die Übrigen für die SPD votiert hätten) - an den Start gehe. Die letzten vier Jahre seien verlorene Jahre für die Frauen- und Gleichstellungspolitik gewesen: „Statt die klugen Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission zum ersten Gleichstellungsbericht auf die eigene Agenda zu setzen, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung gleichstellungspolitische Herausforderungen ignoriert. Nichts hat sie getan gegen die prekäre Beschäftigung von Frauen in unfreiwilliger Teilzeit und im Niedriglohnsektor. Nichts hat sie getan, um Frauen in Führung auf allen Ebenen der Wirtschaft voranzubringen. Im Gegenteil: Mit der Ausweitung der Verdienstgrenze für Mini-Jobs auf 450 Euro und der Einführung des Betreuungsgeldes hat die scheidende Bundesregierung das bestehende System der Fehlanreize noch verstärkt.“
Noch sei eine „Verwirklichung der Geschlechterdemokratie in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik“ nicht erkennbar. Frauen wollen aber „endlich selbst zu bestimmen
„Familienernährerinnen - Perspektiven für die Zukunft schaffen!“
Während der am ersten Tag stattfindenden Fachtagung zum DGB-Projekt „Familienernährerinnen - Perspektiven für die Zukunft schaffen!“ verwies Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe auf die Voraussetzungen, um mit einer selbstbestimmten Erwerbsbiographie ein Leben lang wirtschaftlich unabhängig sein zu können. Sie ist Professorin an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied der Sachverständigenkommission für den 1. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
Gerade die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Familienernährerinnen, von Frauen, die den Löwenanteil der Familieneinkommen erwirtschaften, schärfen den Blick für gleichstellungspolitische Defizite. Sie verdeutlichte, was Frauen an der
gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt hindert und vor welchen Herausforderungen
wir bis zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern noch immer stehen. Die eigenständige Existenzsicherung von Männern und Frauen ist dabei von ganz besonderer Bedeutung.
Es geht insbesondere darum, die Übergänge für Frauen sicher zu machen. Der Leitantrag zeigt die Einflussfaktoren, die die Übergänge mit ihren lebenslangen Folgen beschreiben, auf:
„Leider ist der Fortschritt eine Schnecke!“
Es ist ein Skandal, dass Frauen 22 Prozent im Durchschnitt weniger verdienen. Über den gesamten Lebensverlauf hin betrachtet sind es sogar 58 Prozent. Es ist schrecklich, die rosa Verblödung auch in deutschen Landen wahrzunehmen - ein Rollback der Geschlechterrollen.
Im aktuellen „Global Gender Gap Report“ 2013 des World Economic Forum wird die Gleichstellung der Geschlechter in verschiedenen Nationen in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Politik und Gesundheit analysiert. Deutschland ist seit 2006 von Platz 5 auf Platz 14 in der Gesamtwertung abgerutscht - im Teilbereich der wirtschaftlichen Gleichstellung (Economic Participation and Opportunity) sogar auf Platz 90. Ein riesengroßer Skandal! Nicht nur wegen der Frauendiskriminierung. Fakt ist: Eine homogenisierte männliche Führungsriege steht längst nicht mehr für Erfolg und Kreativität. Deutschland verspielt seinen Standortvorteil im internationalen Wettbewerb.
Dem Leitbild „Frauen und Männer werden gleichermaßen als Erwerbstätige mit Betreuungs- und Fürsorgeaufwand für Kinder und pflegebedürftige Familienangehörige definiert“ muss auf die Sprünge geholfen werden. Hier liegt die große gesellschaftliche Herausforderung. Derzeitig gibt es nach Geschlechtern getrennte Lebenswege. Dabei sind die Grundlagen für beide, u.a. in der Bildung, in der Erwerbs- und Familienarbeit neu zu justieren. Nur so kann dem Modernisierungsrückstand in der Versorgung der Kinder als auch der älteren Menschen wirksam begegnet werden.
Noch immer leisten überwiegend Frauen die Haus- und die Sorgearbeit. Dabei gibt es keine nacheheliche Statussicherung mehr. Ein Ehevertrag für schlechte Zeiten mit Hilfe rechtlicher Beratung ist anzuraten, denn Männer wollten ihre Erwerbsarbeit nicht reduzieren.
Gesellschaftliche Skandale sind auch:
Von der notwendigen Existenzsicherung zur selbstbestimmten Erwerbsbiographie von Frauen und Männern
Minijobs müssen in den Fokus der Öffentlichkeit. Ein Ausbau der haushaltsnahen (und personenorientierten) Dienstleistungen ist unumgänglich. Derzeit würden immer noch 98 Prozent davon in Schwarzarbeit erbracht.
Das Gutachten von Prof. Carsten Wippermann „Frauen im Minijob - Motive und (Fehl-) Anreize für die Aufnahme geringfügiger Beschäftigung im Lebenslauf“ hat eindeutig erwiesen: Minijobs haben keine Brückenfunktion in andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse! Die ernüchternden Erkenntnisse sind:
Die Ehe erzeugt einen Klebeeffekt für Frauen im Minijob. „Wer verheiratet ist, verweilt in der Regel länger in Minijobs bzw. wer lange in Minijobs ist (und nichts anderes bekommt) tendiert zur Heirat.Gerhard Bosch und Claudia Weinkopf zeigten auf, dass atypische und gering bezahlte Beschäftigungsverhältnisse in einigen Branchen des Dienstleistungssektors zum Normalfall geworden sind. Nachzulesen in ihrem Beitrag „Arbeitsverhältnisse im Dienstleistungssektor“ in den WSI-Mitteilungen 9/2011. Um hier gegenzusteuern ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen erforderlich. Neben einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn und allgemeinverbindlichen Tarifverträgen bedarf es auch einer besseren Finanzierung vor allem personenbezogener Dienstleistungen u.a. im Feld der Gesundheit, des Sozialwesens, der Körperpflege. In ihrer Studie „Auf der Highroad - der skandinavische Weg zu einem zeitgemäßen Pflegesystem - Ein Vergleich zwischen fünf nordischen Ländern und Deutschland“ listete Cornelia Heintz von der Friedrich-Ebert-Stiftung eindrucksvoll auf, was die „Singularisierung der Pflege“ für die Frauen hier bedeutet. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Der gesetzliche Mindestlohn muss auch für Minijobberinnen gelten!
Zusammen mit VertreterInnen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien fand am Samstag eine politische Fish-Bowl-Runde statt. Am häufigsten wurde die Forderung erhoben: Der gesetzliche Mindestlohn muss auch für Minijobberinnen gelten! Ich unterstütze diese Forderung vehement! Ich nehme den Auftrag „Vergesst die Frauen nicht!“ gerne mit in die Diskussionen zum Koalitionsvertrag.