Anlässlich des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung habe ich zusammen mit meinem Neuköllner Kollegen Fritz Felgentreu, Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das „Desert Flower Center“ im Krankenhaus Waldfriede besucht.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei Bernd Quoß, Geschäftsführer, bei Dr. med. Cornelia Strunz, ärztliche Koordinatorin der PatientInnen vor und nach der Operation, und bei Dr. med. Roland Scherer, Chefarzt des „Zentrum für Darm- und Beckenbodenchirurgie“ für das sehr aufschlussreiche Gespräch zur Situation von Frauen, die unter den Folgen einer weiblichen Genitalverstümmelung leiden. Als bisher einziges europäisches Krankenhaus findet hier eine ganzheitliche Behandlung und Betreuung von Opfern der „Female Genital Mutilation“ (FGM) statt, können Frauen sich einer Wiederherstellungs-Operation unterziehen.
"Female Genital Mutilation" beschreibt die Verstümmelung im Genitalbereich als Folge sogenannter ritueller Beschneidungen bei Mädchen und jungen Frauen. Weltweit sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 150 Millionen Frauen und Mädchen beschnitten. Jährlich werden drei Millionen weiterer Mädchen Opfer der Verstümmelung. Die weibliche Genitalbeschneidung bzw. -verstümmelung ist nicht nur ein Problem von Frauen „ganz weit weg“: In Europa leben rund 500 000 verstümmelte oder von FGM bedrohte Mädchen und Frauen, davon allein in Deutschland circa 27.000 bis 50.000. Keine kulturelle oder religiöse Tradition rechtfertigt diese Verbrechen.
Solche Praktiken stellen eine Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit mit schlimmsten körperlichen und seelischen Folgen dar. Sie beeinflussen das ganze Leben der Frauen in erheblicher Form: Entzündungen im Genitalbereich, Inkontinenz, Fistelprobleme, gesellschaftliche Isolation oder sogar der Tod sind nicht selten die Konsequenzen. Sexuelles Empfinden ist kaum bis gar nicht möglich. Immer wieder kommt es zu Entzündungen der Harnwege oder der Gebärmutter. Normale Geburten können lebensbedrohlich sein, sind auf jeden Fall sehr schmerzhaft.
"Ich will, dass…sich jede Frau, die das wünscht, gratis rückoperiert und dabei psychologisch betreut wird." (Quelle: Das Waris-Dirie-Manifest)
Der Wunsch nach „Wiederherstellung“ wird für Frauen aus dem In- und Ausland Wirklichkeit: Das „Desert Flower Center“(DFC) im Krankenhaus Waldfriede nimmt sich als Kooperationskrankenhaus der Wiener "Desert Flower Foundation“, die von Waris Dirie, FGM-Betroffene, Model, Autorin und Menschenrechtsaktivistin im Kampf gegen Female Genital Mutilation, gegründet wurde, ganzheitlich der Probleme beschnittener Frauen an.
Seit der Eröffnung des DFC am 11. September 2013 wurden rund 30 FGM-Opfer aus dem In- und Ausland operiert, bzw. befinden sich in Aufklärungsgesprächen über die Operation, werden psycho-sozial betreut. Zumeist sind es jüngere Frauen, die sich „mit der Wiederherstellungs-Operation ihre Identität zurückholen“ wollen, die alleinstehend sind, oder eine Beziehung beendet haben, deren Eltern oder Geschwister noch in Afrika leben. Hier in Europa, in Deutschland wollen sie ein selbstbestimmtes Leben führen. Wie erfahren Frauen von diesen Wiederherstellungs-Operationen? „Das Wichtigste ist die Mund-zu-Mund-Propaganda“, so Dr. Scherer. Aus diesem Grunde bestehe eine enge Zusammenarbeit zum Beispiel mit Projekten wie Mama Afrika e.V. Berlin oder mit GynäkologInnen, die französisch sprechen und viele aus Afrika stammende PatientInnen haben.
Allein medizinische Gründe entscheiden
Allein „harte medizinische Gründe“ wie Vernarbungen, Scheiden-Darm-Fisteln, Scheiden-Blasen-Fisteln, Schließmuskelverletzungen, Harn- und Stuhlinkontinenz, chronische Schmerzen entscheiden darüber, ob mittels Plastischer Wiederherstellungschirurgie wie der Rekonstruktion der Klitoris und des äußeren Genitales es zu einer Operation kommt. "OP-begleitend wird eine psychosoziale Betreuung für die betroffenen Frauen angeboten", so Dr. Scherer. Für den international bekannten Koloproktologen stand schon nach der ersten persönlichen Begegnung mit Waris Dirie fest, dass beim Thema Female Genital Mutilation ärztliches Engagement in einer neuen Dimension gefragt ist.
Krankenkassen zahlen „Wiederherstellungs-Operationen“
Mittlerweile ist sichergestellt, dass die OP-Kosten für in Deutschland versicherte Patientinnen von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen getragen werden. Nach lang andauernden Forderungen durch Frauenverbände und Fraueninitiativen, nach jahrelangen Diskussionen in der Bundesärztekammer oder auch im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages ist die weibliche Genitalverstümmelung vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) als ICD-10-GM (Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification) Version 2014 klassifiziert. Dank dieser Klassifikation können Diagnosen im ambulanten und stationären Bereich nun verschlüsselt werden, ist eine Abrechnung im Rahmen des pauschalierenden Vergütungssystem G-DRG (German Diagnosis Related Groups) nun möglich.
Zusätzlich zu den medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten kommt es aber noch häufig zu weiteren Kosten, die derzeit von keinem Sozialversicherungsträger übernommen wird. Hier besteht noch politischer Handlungsbedarf.
Unterstützen Sie den Kampf gegen FGM durch Ihre Spende
Operiert werden auch Frauen, die aus dem Ausland kommen und auf dringende Hilfe angewiesen sind. Die Kosten hierfür können aber nur durch Spenden gedeckt werden. Unterstützen Sie die Opfer weiblicher Genitalverstümmlung. Sie finden weitere Informationen zum Thema unter:
Förderverein Krankenhaus Waldfriede e.V.
Argentinische Allee 40 | 14163 Berlin-Zehlendorf
Telefon: 030. 81 810-213 oder Mail: foerderverein@waldfriede.de
Für Ihre Spende an das „Desert Flower Center“ im Krankenhaus Waldfriede steht folgende Bankverbindung zur Verfügung:
Förderverein Krankenhaus Waldfriede e.V.
DKB Bank
IBAN: DE24 1203 0000 1020 1450 15
BIC: BYLADEM1001
Stichwort: Desert Flower Center
Nehmen Sie teil:
Benefizkonzert "Wüstenblumen" zugunsten der FGM-Opfer am 4. Mai 2014 um 11:00 Uhr
Unter dem Titel „Wüstenblumen“ veranstaltet der Förderverein Krankenhaus Waldfriede e.V. gemeinsam mit dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr ein Benefizkonzert im Estrel Convention Center Berlin-Neukölln. Ehrengast ist Waris Dirie. Auch dieser Erlös kommt zu 100 Prozent dem "Desert Flower Center" zugute. Informationen zum Konzertprogramm erhalten Sie in Kürze auf www.waldfriede.de.