Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass ältere und pflegebedürftige Menschen ihren Alltag in der eigenen Wohnung weitgehend selbstbestimmt bewältigen können sollen. Aus diesem Grunde soll auch die Entwicklung von Angeboten altersgerechter Begleitung und technischer Unterstützungssysteme gefördert werden. Außerdem wird geprüft, welche dieser Systeme in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen werden können.
Inwieweit technische Assistenzsysteme helfen, den Wunsch älterer, alter und hochbetagter Menschen nach einem möglichst langem Verbleib in der häuslichen Umgebung zu realisieren, war Gesprächsgegenstand eines parlamentarischen Frühstücks am 8. Mai 2014. Konkret ging es um die „Initiative Hausnotruf“. Dieser gehören professionelle NotrufspezialistInnen, Hilfsorganisationen sowie Hersteller technischer Geräte an. Auf Initiative von Dr. Albrecht Kloepfer trafen sich Michaela Stevens, Geschäftsführerin der „Initiative Hausnotruf“, Florian Lupfer-Kusenberg und Stefan Göhler, Tunstall GmbH für die Herstellerseite, und Patrick Nieswand vom Arbeiter-Samariter-Bund mit den Berichterstatterinnen für Pflege Erwin Rüddel, CDU, und mir für die SPD-Bundestagsfraktion.
Debattiert wurden die Reichweite des Hausnotrufdienstes und die damit verbundenen Entlastungschancen speziell für Angehörige. Pflegende Angehörige müssten so intensiv wie möglich unterstützt werden, ihre Einsatzbereitschaft dürfe nicht missbraucht werden Einigkeit bestand darin, dass die zunehmenden Möglichkeiten altersgerechter Assistenzsysteme noch bekannter gemacht werden müssen. Unterstützt werde dieses Anliegen von den Hausärzten wie eine jüngst erfolgte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts forsa im Auftrag der Johanniter-Unfall-Hilfe beweise. Hiernach befürworteten mehr als die Hälfte der Hausärzte eine Kostenübernahme für Hausnotrufdienste durch die Pflegekassen - und zwar für alle PatientInnen mit einem entsprechenden Hilfsbedarf, unabhängig von einer Pflegestufe. Der Hausnotruf sei ein sinnvolles Hilfsmittel insbesondere für ältere Menschen. Bislang bekommen jedoch nur Patienten mit einer anerkannten Pflegebedürftigkeit die Basiskosten eines Hausnotrufdienstes von der Pflegekasse ersetzt.
Hausnotruf
Die Teilhabe älterer Menschen an der Gesellschaft zu sichern bedeutet auch, ihnen selbst und ihren Angehörigen soweit wie möglich Sicherheit im Alter zu gewährleisten.
Der Hausnotruf ist ein System, welches aus zwei Geräten besteht: einem kleinen Gerät von der Größe einer Armbanduhr, dem so genannten Funkfinger, und einem Telefon als Hauptgerät. Der Funkfinger lässt sich wie eine Armbanduhr am Handgelenk tragen und hat den Vorteil, dass er im Falle einer Notsituation ohne großen Kraftaufwand betätigt werden kann. Daraufhin wird eine 24 Stunden lang besetzte spezialisierte Hausnotrufzentrale, die mit Fachpersonal besetzt ist, alarmiert. Diese Einsatzzentrale entscheidet über die weitere Vorgehensweise. Dafür hat sie sämtliche relevanten Informationen zur Person vorliegen – Name, Anschrift, Angehörige, behandelnde Ärzte, Krankengeschichte etc. Außerdem kann ein Zweitschlüssel für ungehinderten Zugang zu Haus und Wohnung in der Einsatzzentrale hinterlegt werden.
Die Initiative Hausnotruf gab im Jahr 2009 selber die Wirkungs- und Potenzialanalyse „Länger zu Hause leben…“ zum Hausnotruf in Auftrag. Ergebnis der Studie ist, dass die Ausstattung aller Personen in der ambulanten Pflege mit Hausnotruf dem Gesundheitssystem erhebliche Kosten sparen und bringt zudem einen hohen sozialen Nutzen.
Bundesweit nutzen derzeit rund 400.000 Menschen, überwiegend Selbstzahlerinnen, den Hausnotdienst. Ein Drittel hat dieses niedigschwellige technische Angebot nach Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Leistungen der Pflegeversicherung erhalten.
Technische Assistenzsysteme, Ambient Assisted Living (AAL)
Mit Interesse habe ich die Studie „Unterstützung Pflegebedürftiger durch technische Assistenzsysteme“ des Bundesministerium für Gesundheit zur Kenntnis genommen. Die Studie gibt einen Überblick und eine Nutzeneinschätzung vorhandener und in Entwicklung befindlicher technischer Assistenzsysteme, die die häusliche Versorgung Pflegebedürftiger verbessern, die stationäre Unterbringung vermeiden oder herauszögern und sich für eine Übernahme in den Leistungskatalog der sozialen Pflegeversicherung eignen. In die Nutzenbetrachtung wurden dabei Pflegebedürftige, pflegende Angehörige und professionell Pflegende einbezogen.
Die Autorinnen verwiesen darauf, dass die Studie ganz im Zeichen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs erstellt worden sei.
Spannend ist auch die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Studie „Assistenzsysteme im Dienste des älteren Menschen“. Hier werden ausgewählte Projekte in der BMBF-Fördermaßnahme „Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben - AAL“ vorgestellt.
Pflege als gesamtgesellschaftliche Herausforderungen jetzt gestalten
Der demografische Wandel und die damit verbundene Zunahme von Hilfe- und Pflegesituationen in den kommenden Jahrzehnten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Unter dem Aspekt der Menschenwürde bedeutet dieses: Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass alle Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zu angemessenen Pflegeleistungen haben. Das gilt auch für vulnerable Gruppen, u.a. alleinstehende ältere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Demenz, Menschen mit Behinderungen, arme Menschen, Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, hochaltrige Menschen. Die eigene Selbständigkeit nimmt im Laufe des Lebens zum Teil alters- und zum Teil pflegebedingt schrittweise ab. Auf den Grad der Selbständigkeit bzw. Unselbständigkeit orientiert sich der seit Jahren in der Diskussion stehende neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und leitet hieraus die Pflegebedürftigkeit ab.