Wer glaubt, Gesundheitspolitik sei eine dröge Materie, kennt die Berliner Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) nicht. Die sehr rührige AG setzt sich intensiv für Verbesserungen im Gesundheits- und Pflegewesen ein.
Am 11. Juni 2014 besuchte die ASG das POLIKUM in Berlin-Friedenau. Dr. med. Stephan Kewenig, Geschäftsführer der POLIKUM Holding GmbH, informierte in seinem Vortrag über „Praktische Erfahrungen - Organisation und Rolle eines Medizinischen Versorgungszentrums in der Versorgungslandschaft“.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist festgehalten: „Künftig werden auch arztgruppengleiche Medizinische Versorgungszentren zugelassen. Außerdem wird es auch Kommunen ermöglicht, Medizinische Versorgungszentren zu gründen; davon unberührt gilt der Vorrang eines ärztlichen Bewerbers (§ 103 Abs. 4c SGB V). Bei Vergütung und Zulassung dürfen die Medizinischen Versorgungszentren im Rahmen des bestehenden Rechts nicht benachteiligt werden.“ Damit sei eine Kehrtwende für die „MVZ´s“ eingeläutet: Die schwarz-gelbe Bundesregierung wollte MVZ nur noch unter ganz bestimmten Bedingungen zulassen.
Novellierungsbedarf bei MVZ´s?
Dr. Kewenig beschrieb als Stärken von ambulanten medizinische Versorgungszentren die Interdisziplinarität, der fachübergreifende Austausch und die Teamarbeit. In seinem Vortrag erhob er folgende Forderungen an die Politik aber auch an die eigene „Standesvertretung“:
- Nachbesetzungsfristen: Die aktuelle Praxis der Einbeziehung nach 3-6 Monaten behindere die Kontinuität der Versorgung insbesondere in unterversorgten Regionen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV), benötige neue Regelungen, unter anderem, dass es auch möglich sein müsse, über KV-Bereiche hinaus zu agieren.
- Prüfrichtlinien und-verfahren: Angestellte ÄrztInnen werden nur noch wöchentliche Prüfzeiten für ärztliche Leistungen von 40h im Gegensatz zu 60h bei selbständig Tätigen angerechnet, obwohl beide volle Versorgungsaufträge haben. Neben diversen weiteren negativen Implikationen verstärke dies die ÄrztInnenknappheit.
- Berücksichtigung von Kooperationen im EBM: In kooperativ arbeitenden Strukturen wird die PatientIn im krassen Gegensatz zur Einzelpraxis nur einmal vergütet, auch wenn er/sie von z.B. drei ÄrztInnen unterschiedlicher Fachrichtungen betreut wird. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), die Gebührenordnung der gesetzlichen Krankenversicherung, müsse dringend aktualisiert werden. Der sogenannte Kooperationszuschlag könne diese Benachrichtigung nur unzureichend ausgleichen, zumal er auf KV-Ebene bundesweit nicht einheitlich geregelt ist.
Das POLIKUM Friedenau
Das POLIKUM Friedenau wurde 2005 gegründet und war das erste ambulante medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der POLIKUM-Gruppe. Unter einem Dach gibt es eine hausärztliche Versorgung und ein breites Angebot fachärztlicher Betreuung. Die gemeinsame Arbeit basiert auf einer elektronischen PatientInnenakte und einer einheitlichen Terminvergabe. In diesem MVZ arbeiten derzeit fachübergreifend rund vierzig ÄrztInnen und mehr als 100 weitere Fachkräfte - u.a. medizinische Fachangestellte, PhysiotherapeutInnen, Verwaltungsangestellte. Die täglichen Öffnungszeiten von 08:00 bis 20:00 sind sowohl für die PatientInnen als auch für die Beschäftigten jeder Berufsgruppe attraktiv. Für die PatientInnen, da eine größere zeitliche Flexibilität gegeben ist, mehrere Fachärzte direkt nacheinander aufgesucht werden können und alle notwendigen Patientendaten zur Verfügung stehen. Für die Angestellten, weil die Dienstpläne soweit als möglich familienfreundlich gestaltet werden.
Medizinische Versorgungszentren sind durch das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht worden. MVZ sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte und Ärztinnen als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Diese verzichten auf eine eigene Selbstständigkeit bzw. Niederlassung.