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"75 Jahre im Namen des Völkerrechts"

Wer von den jungen Menschen kann sich eine staatliche Behörde vorstellen, die zuständig für Auskünfte und Bescheinigungen über Gefallene und vermisste Soldaten ist? Bis zum Film „Unsere Mütter, unsere Väter“, der das Interesse an den Biografien insbesondere der Großväter geweckt hat, wohl kaum jemand. Aber es gibt sie in Berlin, die wenige Tage vor Kriegsausbruch im August 1939 gegründete "Wehrmachtauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene" (WASt). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Name in "Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht" geändert. Die Deutsche Dienststelle (WASt) ist eine Einrichtung gemäß der Genfer Konvention, wird vollständig aus Bundesmitteln finanziert, aber als Dienststelle des Landes Berlin geführt. Denn eine Bundeseinrichtung war vor dem Mauerfall in Berlin (West) nicht erlaubt.

Ansässig ist die WASt in Reinickendorf. Ihre Hauptaufgabe war die Erfassung und Bearbeitung der Verluste der deutschen Wehrmacht. Dazu gehörte die Klärung von Schicksalen Vermisster, Kriegssterbefallanzeigen und Verfahren zur Todeserklärung, Informationen über Kriegsgräber, Erkennungsmarken und Feldpostnummern. Alle Informationen des amtlichen Gräberdienstes, zum Beispiel über Soldatenfriedhöfe, laufen bei der WASt zusammen. Sie gab und gibt Hilfe bei Fragen zu Versorgungs-, Renten- oder Vertriebenengesetzen oder bei Fragen zur Staatsangehörigkeit.

In den WASt-Bürogebäuden werden rund 4.300 t Akten- und Karteimaterial verwaltet. Darunter befinden sich die Zentralkartei mit ca. 18. Millionen Karteikarten über ehemalige Wehrmachtsangehörige und anderer militärischer und militärähnlicher Verbände, 5 Millionen Wehrstammbücher, 150 Verlustmeldungen der Einheiten und Sanitätsformationen, 100 Millionen namentliche Veränderungsmeldungen (Heer, Luftwaffe, in den Erkennungsmarkenzeichnissen, 15 Millionen Meldungen über deutsche Kriegsgefangene, 1,6 Millionen Marinepersonalakten und 4,5 Millionen Gräberkarteikarten etc.). Wer sich an das Archiv wandte, hat(te) oft viele Jahre der Ungewissheit und Suche hinter sich. Mit den Veränderungen in Osteuropa und mit dem Fall der Mauer sind bis dahin nicht zugängliche Archive erstmalig geöffnet - ungeahnte Perspektiven für die Klärung zum Verbleib von Angehörigen. Die WASt wurde über Jahrzehnte „das Archiv der Hoffnung“ genannt. Diese Schicksalsklärung ist eine "zutiefst humanitäre und võlkerverbindende Aufgabe", sagte Markus Meckel in seinem Grußwort anlässlich des 75jährigen Bestehens dieser Einrichtung. Auch für die historische Forschung und die Bildungsarbeit sei die Arbeit der WASt ungemein wichtig.

Die Suche nach dem unbekannten Vater

Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt bildet das Thema der so genannten „Kriegskinder“. Die Wehrmachtssoldaten auf deutscher Seite hatten in den besetzten Gebieten nicht selten „private“ Kontakte zur dortigen Bevölkerung. Für die Frauen häufig auch nicht „freiwillig“. Es wurden Kinder geboren, die ihre Väter nie kennen gelernt haben. Mich bewegt das Schicksal dieser heutigen RentnerInnen sehr. Viele wollen vor ihrem Tode wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. In Frankreich wird von etwa 200.000 „Kriegskindern“ ausgegangen, in den Niederlanden von 16.000, in Dänemark und Norwegen jeweils 12.000. Noch immer liegen keine verlässlichen Angaben zur Zahl in den vielen osteuropäischen Ländern vor. Die WASt hat alleine 2013 einige hundert Anfragen von „Kriegskindern“ auf der Suche nach ihren leiblichen Vätern beantwortet.

Aktuelle Aufgaben

Die Deutsche Dienststelle (WASt) übernimmt heute immer mehr Aufgaben im Bereich historischer Forschungen. Das erhalten gebliebene Original-Wehrmachtschriftgut bildet im Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Kriegsliteratur eine fast unerschöpfliche Quelle des Wissens unter anderem für Militär-HistorikerInnen und GeschichtsschreiberInnen, für Forschungsprojektgruppen an Universitäten, die versuchen geschichtliche Phänomene des Zweiten Weltkrieges aufzuarbeiten.

Festakt zum 75-jährigen Jubiläum

Das 75-jährige Jubiläum der Deutschen Dienststelle (WASt) wurde am 22. Oktober 2014 im Ernst-Reuter-Saal des Rathaus Reinickendorf mit einem Festakt und anschließendem Empfang in der Dienststelle begangen. Ich habe mich gefreut, dort meine langjährigen sozialdemokratischen Berliner MdB-KollegInnen Petra Merkel und Detlef Dzembritzki zu treffen. Ihr Anliegen und ihre Bitte an mich: Sicherstellung der langfristigen Finanzierung durch den Bund. Gut, dass die zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Hiltrud Lotze, auch anwesend war. Wir haben versprochen, dieses Anliegen zu unterstützen.