95 Jahre ist es her, als mit einem Aufruf des Reichsbund-Bundesvorstandes zur Gründung von Hinterbliebenensektionen am 15. Januar 1919 die Geschichte der engagierten Frauen im Sozialverband Deutschland (SoVD) begann.
Da Frauen im SoVD immer noch sehr engagiert sind, nahm der SoVD dieses Jubiläum zum Anlass für eine Veranstaltung zum Thema "Frauen wehren sich gegen Gewalt". Moderiert wurde die kurzweilige und fachlich gut besetzte und durchdachte Veranstaltung des SoVD am 5. November 2014 von der Sozialwissenschaftlerin Susanne Lörx.
„Wir müssen handeln, zu viele Frauen leiden“
Auf drei Aspekte wurde besonderes Augenmerk gelegt. Nach wie vor sind Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt für betroffene Frauen und deren Kinder nicht immer ausreichend gewährleistet. Als ein dafür verantwortlicher Grund wurden die bestehenden Finanzierungsmängel der Frauenhäuser identifiziert.
Die Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigung in Deutschland“ (2012) belegte erstmals das erhebliche Ausmaß, dem Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt ausgegrenzt sind.Ein weiteres Thema befasste sich mit der Lobby für Gewalt betroffene Frauen und Mädchen in Deutschland. Der bff ist der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotruf in Deutschland und macht sich stark für Frauen und gegen Gewalt.
Adolf Bauer, Präsident des SoVD, machte deutlich, dass das SoVD konkrete Maßnahmen zur Sensibilisierung für das Thema „Gewalt gegen Frauen“ ergreift und unterstützt. In jedem europäischen Land komme Gewalt gegen Frauen vor. Auch in Deutschland sind Frauen von psychischer und physischer Gewalt betroffen. Noch vor Krebs oder Verkehrsunfällen sei häusliche Gewalt eine der Hauptursachen, die den Tod einer Frau herbeiführen. Auch Frauenhandel sei eine traurige Realität in Europa.
Edda Schliepack, Bundesfrauensprecherin und Präsidiumsmitglied des SoVD fasste die Hauptforderungen die sich im Rahmen der Veranstaltung herauskristallisierten mit dem Satz „Wir müssen handeln, zu viele Frauen leiden“ zusammen. Forderungen der SoVD-Frauen sind:
Bundeseinheitliche und unbürokratische Finanzierung von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen als Pflichtaufgabe der Politik
Die Finanzierung von Frauenhäusern ist ein bundesweiter Flickenteppich. Politisches Wollen und Handeln wird gefordert damit eine Finanzierung der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bundeseinheitlich gesichert werden kann. Seit Einführung des SGB II gehen Kommunen verstärkt dazu über, die Finanzierung in Form von Tagessätzen zu praktizieren, die auf der Grundlage individueller Leistungsansprüche der Bewohnerinnen nach SGB II, SGB XII und AsylbLG beruhen. Nicht alle Bewohnerinnen haben jedoch Ansprüche nach diesen Gesetzen und nicht alle Kosten des Frauenhauses sind im Rahmen der Leistungsansprüche realisierbar. Hierdurch ergeben sich vielfach große Finanzierungsschwierigkeiten für die Frauenhäuser. Die Finanzierung der Frauenhäuser muss auf verlässlichen Beinen stehen, um für alle Frauen, die Schutz brauchen, zur Verfügung zu stehen.
Schlecht steht es auch um die finanzielle Situation der Fachberatungsstellen. Es gibt zu wenige und die, die es gibt, haben zu wenige Ressourcen. Auch in Sachen Prävention und Nachsorge sind die finanziellen Mittel zu knapp. Dabei ist es essentiell Menschen für das Thema Gewalt zu sensibilisieren, aufmerksam zu machen.
Unbürokratischen und schnelleren Zugang zu Frauenhäusern sichern
Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder müssen Schutz in Frauenhäusern suchen. Dies muss schnell und unbürokratisch geschehen - tatsächlich aber ist es ein Hürdenlauf für die Frauen und Kinder. Es besteht trotz des großen Bedarfs ein Mangel an Frauenhausplätzen. Hier gilt es die Kapazitäten der Frauenhäuser zu vergrößern, die Vernetzung von Frauenhäusern zu stärken und weiter zu entwickeln, damit ein dicht und gut ausgebautes Netz für von Gewalt betroffenen Frauen zur Verfügung steht. Der Zugang muss durch niedrigschwellige Angebote ermöglicht sein. Ein Problem stellt die Altersbegrenzung der Kinder dar. In vielen Frauenhäusern dürfen Frauen ihre Söhne nur bis zu deren 12. Lebensjahr mitnehmen. Gut geschulte Mitarbeiterinnen sind unerlässlich.
Zugang schaffen für Frauen mit Behinderung
Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigungen sind besonders von Gewalt betroffen. Leben sie in Einrichtungen dann umso mehr. Körperlich behinderte Frauen haben es besonders schwer in Frauenhäusern Zuflucht zu finden, da nur 10% aller Frauenhäuser bundesweit wirklich barrierefrei sind. Es gilt Voraussetzungen zu schaffen, die Frauen mit Behinderung Zugänge zu Frauenhäusern und Frauenfachberatungen ermöglichen.
Frauenbeauftragte in Einrichtungen und Werkstätten etablieren
Ferner sollte in jeder Einrichtung aus den Reihen der Bewohnerinnen eine Frauenbeauftragte etabliert werden. Es müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, damit diese geschult werden, um die eigenen und die Interessen der anderen Frauen zu vertreten.
Besseren Schutz durch Recht
Bei Familiengerichten ist das Umgangsrecht höher bewertet als der Schutz der Frau vor Gewalt. Im Fall von häuslicher Gewalt muss Schutz vor Gewalt vor dem Umgangsrecht stehen. Die Elternebene von der Paar-Ebene zu trennen ist für die Frau, die von Gewalt betroffen ist, schlicht unmöglich. Datenschutz und Schweigepflicht müssen ernst genommen und auch in Behörden eingehalten werden.
Istanbul Konvention ratifizieren!
Özlem Topuz, Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro