Hauptmenü

Europarat: Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung in Paris

Gerechte Teilhabe und mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung

Am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen diskutierten wir im Ausschuss für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung genau das passende Thema. Die Resolution und der Bericht „Gleichstellung und Inklusion für Menschen mit Behinderung“ war eines der Schwerpunktthemen der Ausschusssitzung in Paris am 3. Dezember 2014. Die durch Änderungsanträge meinerseits bereicherte und vom Ausschuss nun beschlossene Fassung wird der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Ende Januar 2015 nun zur Abstimmung vorliegen. Unser Ziel: Wir wollen europaweit ein wichtiges Signal für mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen setzen. In der Resolution wird die vollständige Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert. Leider haben noch nicht alle Mitgliedsstaaten des Europarats die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet und ratifiziert. Deswegen werden alle Mitgliedsstaaten aufgefordert, die UN-Behindertenrechtskonvention zu unterzeichnen, ratifizieren und entsprechend umzusetzen.

In der Resolution und dem dazugehörigen Bericht „Equality and inclusion for people with disabilities“ werden Barrierefreiheit, Zugang zu Beschäftigung, rechtliche Selbstbestimmung und Gewalt gegen Menschen mit Behinderung als Schlüsselthemen benannt. Ich danke der Berichterstatterin Carmen Quintanilla aus Spanien für die Erstellung dieser wichtigen Beschlussempfehlung für den Europarat.

In Europa leben mehr als 80 Millionen Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderungen sind konfrontiert mit einer Vielzahl von Herausforderungen im Alltag und einer Vielzahl an Diskriminierungen. Für die Mitgliedsländer des Europarates wird auch folgender Zusammenhang herausgearbeitet: Trotz des rechtlichen Fortschritts durch die UN-Behindertenrechtskonvention wirkt sich auf europäischer Ebene die Wirtschaftskrise negativ auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung aus. Die Austeritätspolitik der letzten Jahre trifft insbesondere Menschen mit Behinderungen stark. Denn die Länder, die unter der Wirtschaftskrise leiden, mussten vielfach Sozialprogramme kürzen, die gerade Menschen mit Behinderung zugutekamen. Dem müssen wir entgegenwirken.

Als Chairwoman des Unterausschusses „Behinderung und Inklusion“ in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats setze ich mich für eine gerechte Teilhabe und mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in allen 47 Mitgliedsstaaten des Europarates ein.

Eine wichtige Grundlage dafür bieten die sogenannten „General Comments“, die in diesem Jahr durch den UN-Fachausschuss verabschiedet wurden. Diese "General Comments" ("Allgemeine Bemerkungen") wurden zu den Artikeln 9 „Zugänglichkeit“ und Artikel 12 „Gleiche Anerkennung vor dem Recht“ verfasst. Sie sind wichtige Auslegungshilfen, wie ein Artikel zu verstehen ist. Diese Allgemeinen Bemerkungen enthalten die autoritativen Auslegungen der Menschenrechte durch die zuständigen UN-Vertragsorgane. Sie sind die Richtschnur für die Umsetzung der Menschenrechtspflichten. Anhand konkreter Beispiele verdeutlichen sie Art und Umfang der menschenrechtlichen Verpflichtungen. Ich danke dem Deutschen Institut für Menschenrechte, dass sie diese General Comments zur Grundlage ihrer Arbeit machen.

Antrags- und Beschlussgremium: Ausschuss für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung

Die in den Pariser Räumlichkeiten des Europarates stattfindende Sitzung bereitete als Antrags- und Beschlussgremium die Parlamentarische Versammlung des Europarats in Straßburg 26. bis zum 30. Januar 2015 vor. Viele Themen standen auf der Tagesordnung, so unter anderem auch Berichte zu den Themen „Kampf gegen Rassismus“, und „Ungleichheit in Zeiten der Krise“ und die Initiative “No Hate Parliamentary Alliance”.

Homosexualität ist keine Krankheit

Ich begrüße die klare Haltung von Dominic Davies, Direktor von Pink Therapy, hinsichtlich eines eingebrachten Antrags, der sich kritisch mit der sogenannten „Konversionstherapie“ beschäftigt. Die „Konversionstherapie“ geht davon aus, dass Homosexualität von Psychotherapeuten „geheilt“ werden könne. Davis war extra als Experte im Ausschuss geladen. Ich teile hierzu die Haltung der Deutschen Gesellschaft für Psychatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenkunde, wonach es sich bei Homosexualität weder um eine pathologische Entwicklung noch um eine Erkrankung handelt, sondern um eine zur Norm gehörende sexuelle Orientierung.

Spannungsfeld Schule und Religion

Kontrovers diskutiert wurden eine Resolution und der dazugehörigen Berichts zur Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung in Europa mit speziellem Fokus auf das Christentum. Die Mitgliedstaaten sollen aufgefordert werden, das Elternrecht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder anzuerkennen. Des Weiteren sind Äußerungen zur Befreiung von der schulischen Sexualerziehung und zum Homeschooling zu finden. Der aus Moldawien stammende Berichterstatter kritisiert unter anderem Deutschland.
Ich halte es abstimmungsmäßig mit der Entscheidung unseres Bundesverfassungsgerichts: Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, der Entstehen und religiös oder weltanschaulich motovierten „Parallelgesellschaften“ entgegenzuwirken und Minderheiten zu integrieren. Es gibt in Deutschland kein eigenständiges Fach Sexualerziehung. Daher ist die Teilnahme an der schulischen Sexualerziehung nicht von der Zustimmung der Eltern abhängig. Die allgemeine Schulpflicht in Deutschland ist eine zivilisatorische Leistung des 19. Jahrhundert. Sie hat Bildung zu einem Menschenrecht gemacht. Neben dem Bildungsauftrag ist Schule auch ein Ort der Erziehung, in dem junge Menschen auf das Leben in der Gemeinschaft vorbereitet werden. Homeschooling trägt nicht dazu bei, gelebte Toleranz gegenüber einem breiten Meinungsspektrum nachhaltig zu fördern.