Die Wärmelufthalle „Halle-Lujah“ auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf am Innsbrucker Platz in Berlin-Schöneberg ist der letzte Anlaufpunkt meiner „Nikolaus-Tour“ am 6. Dezember 2014. In dieser Traglufthalle finden bis zu 100 obdachlose Männer im Rahmen der Kältehilfe jeden Tag zwischen 21 bis 8 Uhr morgens eine Unterkunft. Die „Halle-Lujah“ ist eine von drei Notunterkünften, die die Berliner Stadtmission in den Wintermonaten betreibt. Bereitgestellt und finanziert wird die Halle von der Firma Care-Energy. Der Strom kommt über eine Photovoltaikanlage.
Ich danke Anna Singatulina, Leiterin dieser Notunterkunft, für den Einblick in die Funktionsweise einer Wärmelufthalle als Notunterkunft. Ich danke auch den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihr Engagement in der Arbeit mit wohnungslosen Menschen.
Es freut mich, dass wir als „VertreterInnen“ von Nikolaus, dem Bischof von Myra, auch den erwachsenen Männern mit den süßen Nikoläusen eine Freude machen zu können. Die Einrichtung freute sich sehr über meine Spende im Rahmen der Aktion „Weihnachtsspende statt Weihnachtskarten“.
Auch Sie können helfen - entweder mit ehrenamtlichem Arbeitseinsatz oder in Form einer Geldspende (Spendenkonto: Verein für Berliner Stadtmission, Kto.:31 555 00, BLZ: 100 205 00, BIC: BFSWDE33BER, IBAN:DE63 1002 0500 0003 1555 00, Bank für Sozialwirtschaft, Verwendungszweck: Spende für die Halle-Lujah)
Wärmelufthalle „Halle-Lujah“ für Obdachlose
Bei abendlicher nass-kalten Temperatur erreichten mein Nikolaus-Team Ayten, Engin, Orkan, Özlem, Sophie und ich den letzten Anlaufpunkt unserer „Nikolaus-Tour“. Von der futuristisch wirkenden Außeransicht der Wärmelufthalle „Halle-Lujah“ mit ihren grün-weiß leuchtenden Luftkissen waren wir schon sehr beeindruckt. Dennoch wollten wir nur noch schnell ins warme Innere. Sprachloses Staunen trifft den Eindruck beim Betreten der Halle wohl am Besten: Niemand war auf die Größe - 1000 Quadratmeter - der Lufthalle, die mit warmer Luft auf eine Temperatur zwischen 20 und 25 Grad beheizt wird, auf die große Rollrasen-Grünfläche und die bunten Kunstblumen gefasst.
Anna Singatulina, Leiterin dieser Notunterkunft der Berliner Stadtmission, machte mit uns einen Rundgang. Es gibt Schlafbereiche mit Feldbetten, auf denen Matratzen und Wolldecken liegen, es gibt Sanitäranlagen mit Duschgelegenheit - Shampoo und Seife werden gestellt - Platz für die eigene Zahnbürste ist vorhanden. Eine eigene „Kleiderkammer-Boutique“ mit gespendeten Kleidungsstücken ermöglicht auch mal den Wechsel der Kleidung. Unübersehbar ist die Küchenzeile, in der jeden Abend ein warmes Abendessen aus zumeist von der Tafel gespendeten Lebensmittel zubereitet wird. Immer gesucht werden ehrenamtliche HelferInnen, denn abends zur Essenszubereitung und Einlasskontrolle sollten schon mindestens fünf und während der Nacht drei Personen anwesend sein.
Feste Ablaufstrukturen
Security-Personal sorgt für die Ruhe draußen. Ab 21 Uhr kann die Halle betreten werden. Jeder Obdachlose wird auf gefährliche Gegenstände abgetastet, das Gepäck wird separat aufbewahrt, ist aber den Abend über zugänglich. Es erfolgt auch eine Läusekontrolle, ggf. kann sofort in einem separat abgetrennten Hygieneraum für Abhilfe gesorgt werden. Nach dem Einlass gehen die meisten Männer sofort zur Essensausgabe. Hier arbeiten ehrenamtliche Helfer in der Regel ab 18.30 Uhr an der Zubereitung der Mahlzeiten. Um 22 Uhr werden die Schlafplätze geöffnet. Morgens gibt es ab 7 Uhr Kaffee und Frühstück. Tagsüber halten sich keine wohnungslosen Gäste in der Wärmelufthalle auf.
Die Wärmelufthalle für Obdachlose startete auf einem von der Deutschen Bahn gemieteten Gelände im Januar 2014 als Pilotprojekt zwischen dem Hamburger Unternehmen "Care-Energy" und der Berliner Stadtmission. Es geht nun in die zweite Saison. Im vergangenen Jahr habe die Kältehilfe der Berliner Stadtmission rund 2.400 Personen versorgt. Berlinweit biete sie 500 Schlafplätze an. Im Vergleich zu den Obdachlosenzahlen ist das wenig - die Politik muss handeln. Der „fliegende Bau“, wie er in der Landesbauordnung genannt wird, ist mit seinen 100 Schlafplätzen nur temporär.
Eine „neue“ obdachlose Gruppe sind Männer, die in den verschiedensten Bereichen, u.a. auf dem Bau, tätig sind. Viele von ihnen befinden sich in prekären Situationen, werden beispielsweise von ihren Arbeitgebern um den Lohn geprellt, stehen mittellos da. Einige der Erzählungen erinnern mich an das Tagelöhner-Leben im 19. Jahrhundert. Auch für diese spezielle Gruppe besteht Handlungsbedarf.
Warum gibt es die Kältehilfe der Berliner Stadtmission?
Wir von der Berliner Stadtmission wissen, an welchen Plätzen in der Stadt sich Menschen aufhalten, die kein Dach über dem Kopf haben, so Anna Singatulina. In Berlin leben etwa 11.000 Menschen ohne Wohnung. Nicht jedem sieht mensch es auf den ersten Blick an. Der Anblick Schlafender auf einer Parkbank ist in Berlin im Sommer nicht ungewöhnlich. Bei Temperaturen unter Null ist dieses aber ein möglicherweise tödliches Risiko.
Für diejenigen, die im Winter keinen geschützten Platz zum Schlafen haben, bietet die Kältehilfe der Berliner Stadtmission einen unschätzbaren Dienst: Zum einen Notunterkünfte wie beispielsweise die „Halle-Luja“ und zum anderen einen nächtlichen Kältebus, der den von der Kälte Bedrohten anbietet, sie zu einer Notübernachtung zu bringen.
Hintergrund
„Die Wohnung ist nicht alles, aber ohne Wohnung ist alles nichts.“
Dieser Slogan der Wohnungslosenhilfe beschreibt, wie essentiell Wohnen für den Menschen ist. Die wichtigsten Gründe für einen Wohnungsverlust sind - unabhängig von der nationalen Herkunft - strukturelle und wirtschaftliche Benachteiligung sowie Beziehungskonflikte und Gewalt in Familie oder Partnerschaft. Vor allem bei jungen Menschen sind Konflikte mit ihrer Herkunftsfamilie wichtige Auslöser für den Verlust von sozialen Bezügen. Bei Frauen und Mädchen spielen gewaltgeprägte Lebensumstände eine wesentliche Rolle.
Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. vertritt die Interessen der wohnungslosen und sozialausgegrenzten Menschen und der Wohnungslosenhilfe. Sie koordiniert auf Bundesebene die Kommunikation und den fachlichen Austausch über fachübergreifende Probleme mit angrenzenden Hilfesystemen der Sozialarbeit und den Sozialleistungsträgern der Sozial-, Gesundheits-und Wohnungspolitik sowie den Akteuren der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Unter ihrem Dach finden sich öffentliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege ebenso wie Selbsthilfeorganisationen der wohnungslosen Menschen.
Die folgenden Auszüge zum jeweiligen Schwerpunkt der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geben einen guten Überblick über die verschiedensten Bereiche ihrer Arbeit:
Der Gesundheitszustand wohnungsloser Männer und Frauen ist schlecht
Häufiger als die wohnende Bevölkerung leiden sie unter Mehrfacherkrankungen. Es dauert oftmals lange bis ein Kontakt zu dieser PatientInnengruppe gebahnt ist. Die Behandlung erfolgt in der Regel in ihrem Lebensumfeld und unter Voraussetzungen, die immer erwarten lassen müssen, dass es bei einem einzigen Behandlungskontakt bleibt. Von einer erfolgreichen Vermittlung an eine weiterbehandelnde ÄrztIn kann nicht immer ausgegangen werden.
Hilfen für Frauen in Wohnungsnot
Die wohnungslose Frau schien es lange Zeit nicht zu geben - allenfalls als Begleiterin oder Anhängsel eines wohnungslosen Mannes. Zwar sind deutlich weniger Frauen als Männer wohnungslos bzw. leben in einer Wohnungsnotfallsituation, jedoch ist die Zahl der Frauen im Hilfesystem seit Jahren kontinuierlich gestiegen.
Es hat sich gezeigt: Macht die Wohnungslosenhilfe diesen Frauen ein Angebot, das ihrer Lebenslage und ihren Hilfebedarfen entspricht, dann wenden sich Frauen auch an das Hilfesystem und bleiben nicht länger unsichtbar.
Migration und Wohnungsnotfallhilfe
In den letzten Jahren hat das Thema Migration auch in der Wohnungslosenhilfe wieder stärker an Bedeutung gewonnen und spielt sowohl innerhalb des deutschen Hilfesystems als auch auf europäischer Ebene eine zunehmend wichtigere Rolle.
Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund wenden sich an das Hilfesystem der Wohnungslosenhilfe. Soziale Unterstützungsnetze in Familien und Nachbarschaften von
Menschen nichtdeutscher Herkunft sind aus unterschiedlichen Gründen oftmals nicht mehr ausreichend tragfähig. MigrantInnen sind einem erhöhten Risiko von Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung ausgesetzt. Sie befinden sich häufig in Lebenslagen, die als verdeckte Wohnungslosigkeit gelten. Sie sind auf dem Wohnungsmarkt strukturell benachteiligt. So wohnen sie häufig erheblich schlechter als ihre deutschen NachbarInnen. Hinzu kommt, dass für sie die Schwelle zur Inanspruchnahme von Hilfeleistungen wesentlich höher ist als bei sogenannten Einheimischen.
Gewalt gegen wohnungslose Menschen
Gewalt gegen wohnungslose und sozial ausgegrenzte Menschen ist ein alltägliches Phänomen in unserer Gesellschaft. Die Gewalt gegen wohnungslose Menschen reicht dabei von Beleidigung und Nötigung über Diebstahl und Raub bis hin zu Körperverletzungen, Totschlag und Mord. Auch die Vertreibung von wohnungslosen Menschen aus dem öffentlichen Raum oder die Verwehrung der Nutzung öffentlicher Infrastruktur sind Formen von Gewalt.
Vermeidung von Wohnungslosigkeit ist die beste Hilfe!
Leider gibt es laut BAG Wohnungslosenhilfe e.V. aufgrund der schlechten Datenlange nur Schätzungen zur Zahl der wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen. Allerdings prognostiziert sie angesichts der sozialen und politischen Rahmenbedingungen einen Anstieg der Wohnungslosenzahlen auf 380.000 bis zum Jahr 2016.
Im Bereich Wohnen geht es um:
- soziale Wohnungspolitik
- die Folgen von SGB II und SGB XII im Bereich Wohnen, Stichworte: Mietobergrenzen, Sanktionen
- die Integration wohnungsloser Männer und Frauen und um persönliche Hilfen in Wohnraum
- den Zugang zum Wohnungsmarkt für wohnungslose Männer und Frauen
- die Verhinderung von Wohnungsverlusten / Prävention
- die Kooperation mit den anderen Akteuren, insbesondere Kommunen und Wohnungswirtschaft
- ordnungsrechtliche Unterbringung und Notversorgung.
Fünf maßgebliche Faktoren für dramatischen Anstieg der Wohnungslosenzahlen
Nach Meinung der BAG W sind fünf Faktoren maßgeblich für den dramatischen Anstieg der Wohnungslosenzahlen und dessen Fortsetzung in den kommenden Jahren:
- das extreme Anziehen der Mietpreise bei gleichzeitig verstärkter Zunahme der Verarmung der unteren Einkommensgruppen
- ein unzureichendes Angebot an preiswertem Wohnraum in Verbindung mit dem ständig schrumpfenden sozialen Wohnungsbestand, dem nicht durch Neubau und soziale Wohnungspolitik gegengesteuert wurde
- Verarmung der unteren Einkommensgruppen in engem Zusammenhang mit der Dauerkrise am Arbeitsmarkt, die nicht zu einem Absenken der Zahl der Langzeitarbeitslosen geführt hat.
- andauernde schwerwiegende sozialpolitische Fehlentscheidungen bei Hartz IV: Sanktionierung auch bei den Kosten der Unterkunft von jungen Erwachsenen, unzureichende Anhebung des ALG II - Regelsatzes, Zurückfahren der Arbeitsförderungsmaßnahmen
- unzureichender Ausbau von Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten in Kommunen und Landkreisen.