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Europarat beschließt Resolution für mehr „Gleichstellung und Inklusion für Menschen mit Behinderungen“

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat am 30. Januar 2015 den Bericht und die Resolution „Gleichstellung und Inklusion für Menschen mit Behinderungen“ beschlossen. Als Chairwoman des Sub-Committee on Disability and Inclusion begrüße ich die Inhalte der Resolution und des Berichtes sehr und danke der Berichterstatterin Carmen Quintanilla aus Spanien für ihre Arbeit. Das ist die erste Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Thema Inklusion und sie kann ein wichtiger Meilenstein für eine inklusive Gesellschaft in Europa werden.

In der Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung in Paris am 3. Dezember 2014 konnte ich einige Änderungsvorschläge bei der Erarbeitung der Resolution einbringen. In diesem Zusammenhang danke ich dem Institut für Menschenrechte für die gute und enge Zusammenarbeit. Das Institut für Menschenrechte fungiert als unabhängige Monitoring-Stelle zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland.

Mir war es zum Beispiel wichtig, dass in der Resolution die Rolle der Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, gestärkt werden und festgehalten wird, dass das Monitoring der politischen Maßnahmen durch unabhängige Institute durchgeführt werden sollte.

„Gleichstellung und Inklusion für Menschen mit Behinderungen“

In der Resolution wird festgestellt, dass in Europa mehr als 80 Millionen Menschen mit Behinderungen leben. Gleichberechtigung und Inklusion für Menschen mit Behinderungen werden jedoch selten als Priorität betrachtet. Häufig werden sie von der Gesellschaft ausgeschlossen und sind für den Rest der Bevölkerung nicht sichtbar. Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise sind Menschen mit Behinderungen in besonderem Maße von den Sparmaßnahmen der Mitgliedstaaten betroffen. 

In der Resolution wird gefordert, dass der "Aktionsplan des Europarates zur Förderung der Rechte und vollständigen Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität behinderter Menschen in Europa 2006-2015" als Referenzrahmen dient.

Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert:

  • das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das dazugehörige Fakultativprotokoll zu ratifizieren und die erforderlichen Maßnahmen für ihre Umsetzung zu ergreifen (Finnland, Island, Irland, Liechtenstein, Monaco und die Niederlande haben die UN-Behindertenrechtskonvention noch nicht ratifiziert);
  •  die revidierte Europäische Sozialcharta zu ratifizieren und Artikel 15 über das Recht behinderter Menschen auf Eigenständigkeit, soziale Eingliederung und Teilhabe am Leben der Gemeinschaft in vollem Umfang zu akzeptieren;
  •  sich bei der Entwicklung von Politiken und Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen eng mit den Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, abzustimmen und diese aktiv einzubeziehen (entsprechend dem Motto der UN-Behindertenrechtskonvention „Nichts ohne uns über uns“);
  • Mechanismen für die Evaluierung der nationalen Politiken und Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen einzuführen, insbesondere durch die Schaffung unabhängiger Überwachungsmechanismen, und deren Finanzierung zu gewährleisten (in Deutschland fungiert das Institut für Menschenrechte als unabhängige Monitoring-Stelle zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention);ausreichende Mittel für Politiken und Maßnahmen zur Förderung der umfassenden Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft zuzuweisen, insbesondere im Hinblick auf die behindertengerechte Gestaltung von Räumlichkeiten und Dienstleistungen.

Forderung nach Ratifizierung der Istanbul- und der Lanzarote-Konvention

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats ist besorgt über das Ausmaß des Problems der Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, insbesondere gegen Frauen und Kinder, und empfiehlt den nationalen Parlamenten, dafür zu sorgen, dass bei der Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention - SEV Nr. 210) Behinderungen umfassend berücksichtigt werden. So wird im Bericht die Studie "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" zitiert, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums entstanden ist. In der Studie wurde belegt, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen von Gewalt besonders stark betroffen sind. Neben der direkten personalen Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen sind sie vielfältigen Formen von Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt. 

Daher fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarats die Mitgliedsstaaten auf, das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention - SEV Nr. 201) und das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu ratifizieren. Dabei soll die besondere Lage von Frauen und Kindern mit Behinderungen bei den Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen berücksichtigt werden.

Deutschland hat sowohl die Istanbul-Konvention als auch die Lanzerote-Konvention unterzeichnet, aber beide noch nicht ratifiziert.

Besserer Zugang zur Beschäftigung

Im Hinblick auf den Zugang zu Beschäftigung ruft die Versammlung die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zu entwickeln, die die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen fördern, und insbesondere

  • Maßnahmen für Anreize und für die Sensibilisierung und Unterstützung von Arbeitgebern einzuführen, um Menschen mit Behinderungen zu helfen, eine Beschäftigung zu finden und diese zu behalten;
  • Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung bei der Einstellung und in ihrer beruflichen Laufbahn zu schützen und besondere Bestimmungen in ihrer Gesetzgebung festzulegen, die die behindertengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze und/oder die Eignung der Arbeitsbedingungen sowie geeignete Wohnungen für Behinderte vorsehen.

Schließlich ruft die Versammlung die Mitgliedstaaten auf, Aufklärungskampagnen für die Öffentlichkeit, das Lehrpersonal und die Arbeitgeber durchzuführen und/oder zu fördern, um die Klischees und Vorurteile in Bezug auf Behinderungen zu überwinden.

Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung

Der "Aktionsplan des Europarates zur Förderung der Rechte und vollständigen Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität behinderter Menschen in Europa 2006-2015" hat dazu beigetragen, dass bei der Entwicklung nationaler politischer Maßnahmen, die Rechte von Menschen mit Behinderungen mehr berücksichtigt werden. Der Aktionsplan hat auch geholfen, Behinderungen als eine Frage der Menschenrechte zu behandeln.

Die Versammlung stellt jedoch fest, dass die volle Wahrnehmung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedstaaten des Europarates bisher in keiner Weise erzielt wurde. Die in den internationalen Rechtsinstrumenten dargelegten Grundsätze finden keinen Niederschlag in der tatsächlichen Lage von Menschen mit Behinderungen. Daher sind entschiedene Maßnahmen von Seiten des Europarates und seiner Mitgliedstaaten im Bereich der Menschen mit Behinderungen notwendig.

Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee:

  • die Umsetzung des Aktionsplans für behinderte Menschen 2006-2015 zu evaluieren und die aus der Umsetzung des Aktionsplans in den Mitgliedstaaten während der letzten zehn Jahre gewonnenen Erfahrungen zu nutzen;
  • auf dieser Grundlage in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, einen neuen Fahrplan für den Zeitraum von 2016 bis 2020 festzulegen;
  • diesen neuen Fahrplan auf prioritäre Fragen wie die Rechtsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen und Maßnahmen zur Sicherung ihrer Würde und ihrer umfassenden Integration in die Gesellschaft zu konzentrieren;
  • die Entwicklungsbank des Europarates aufzufordern, die Einhaltung der Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung zu einer Voraussetzung für die Gewährung von Darlehen für Bau- und Renovierungsprojekte zu machen und den Bau großer Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen nicht zu finanzieren;
  • sicherzustellen, dass Behinderungen bei den vom Europarat durchgeführten speziellen Aktivitäten, insbesondere den Aktivitäten und Kampagnen des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt und Volksverhetzung, berücksichtigt werden.

Den Originaltext der beschlossenen Resolution 2039 (2015) Equality and inclusion for people with disabilities finden Sie auf der Seite des Europarates. 

Den Originaltext der beschlossenen Empfehlungen Recommendation 2064 (2015) Provisional version Equality and inclusion for people with disabilities Resolution und Bericht finden Sie auf der Seite des Europarates.