Die fünfte Jahreszeit, je nach Region Fasching oder Karneval genannt, endet am Aschermittwoch. Übersetzt für uns BerlinerInnen heißt das: Ab dem 18. Februar geht das Leben noch normaler als normal weiter. Schließlich kommt das, was wir karnevalistisch gut können erst viel, viel später. Wir BerlinerInnen können Karneval der Kulturen und der findet erst am Pfingstwochenende vom 22. Mai bis zum 25. Mai 2015 statt.
Wir Sozis regieren hier in der Stadt - und das ist gut so. Denn ohne uns gäbe es den Mindestlohn nicht, gäbe es diverse Rentenprogramme nicht, gäbe es keine Verpflichtung zur Anerkennung von Tariflöhnen in der Pflege, gäbe es keine rezeptfreie Pille danach. Wir schwingen den Taktstock in der Regierung und geben die Richtung vor. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die künftige Vielfalt und Größe des Orchesters zu bestimmen. Das ist noch eine Herkulesaufgabe. Denn wir wollen ja, dass es weiterhin nach vorne geht.
Davon abgesehen befinden wir uns nach dem chinesischem Horoskop im Jahr des Schafes, Holzschaf oder Holzziege - es ist dasselbe Schriftzeichen: „Yang“. Ich habe die Zukunft nachgelesen: Keine großen Höhen und Tiefen, es wird gemütlich, begleitet von langsamem aber stetigen Wachstum. Nun sagen die einen: Es könnte also schlechter sein. Denn das Schaf liebt die Gerechtigkeit und ist auch ein Friedensbringer. Und da sind wir uns sicher einig: Nichts braucht die Welt gerade mehr! Ja es könnte schlechter sein - aber es kann auch noch viel besser werden, so unsere sozialdemokratische Aufgabe, sagen die anderen.
Für die FDP liefert das Horoskop keine guten Aussichten. Tut mir leid, Christian Lindner. Da hilft auch kein Magenta. Und wie Hamburg zeigt: Wenn überhaupt stützt sowieso nur die von den Liberalen so ungeliebte Frauenquote. Und was soll das denn nun: Aus „Die Liberalen“ werden „Freie Demokraten“? Linke, Grüne, Christdemokraten oder eben Sozis: Ja, da weiß mensch, was im Paket drin ist. Als „Liberale“ hatte die FDP zumindest im Namen noch ein Programm. Jetzt also: „Freie Demokraten“. Ist aber Freiheit nicht sowieso das entscheidende Wesensmerkmal von Demokratie? Doppelt gemoppelt, damit’s besser hält? So wie fröhlicher Glückspilz und deprimierter Trauerkloß?
So kommen wir zur Regierung. Ja, die in Berlin, die große Koalition. Die große Liebe war die Regierungsaufnahme mit CDU/CSU ja nie, machen wir uns nichts vor. Eher eine Zweckehe - geschlossen für ein bestimmtes Ziel. Sich ohne Schwärmerei und Schmus um das kümmern, was wichtig ist. Ohne rosarote Brille, Konzentration auf das, worauf es ankommt. Und unsererseits wurde schon einiges erfüllt: Mindestlohn, Energiewende, bessere Renten und Tariflöhne, die Wirtschaft läuft, ElterngeldPlus, Quote, Mietpreisbremse, Lohngerechtigkeit und, und, und... Manchmal geht es eben richtig ab - selbst, wenn sich überwiegend nur ein Partner für den Veränderungsprozess anstrengt. Beziehungen sind nun aber auch kompliziert, kein Wunder also, dass es jetzt gelegentlich heftig knirscht. So ist das im verflixten siebten Jahr - ich rechne in Hundejahren.
Aber es gibt auch fröhliche Zeiten, selbst in einer Zweckehe - ist ja irgendwie auch Familie. Oft wird gemeinsam herzlich gelacht. Wenn zum Beispiel der Stiefsohn aus Bayern mit MAUT und Entschlossenheit nach Berlin zieht, für sein Land. Die MAUT jedenfalls, sie ist nötig und überfällig - Gruzefix no amoi! Es geht um Gerechtigkeit, sagt die CSU. Sie will wenigstens eines ihrer Wahlversprechen durchkloppen! Ist zwar alles nicht so einfach: die aus Brüssel machen’s da etwas kompliziert. Die in Brüssel jedenfalls sagen, das ist ’ne „Ungleichbehandlung“, wenn wir in Deutschland das mit der Steuer verwurschteln. Aber „Ungleich“ ist doch GERECHT, sagt die CSU. Und wenn auch am Ende kaum was rauskommt – egal. Notfalls zahlen wir halt drauf! Nicht wahr, Alexander?!
Gute Ideen haben auch die CDU-Wirtschaftspolitiker. Dass Menschen für ihre Arbeit guten Lohn bekommen sollten, galt ihnen immer schon als Denkfehler der sozialen Marktwirtschaft. 8,50 Euro – in der Stunde. Herrje! Nicht für jede zweite oder dritte, sondern sogar für jede Stunde! Katastrophe! Ja super, die Union hat die Lösung: Lassen wir das mit den Kontrollen doch einfach! Dann kriegt ja auch keiner mit, ob die Beschäftigten vielleicht für das gleiche Geld doppelt so viel arbeiten wie vertraglich vereinbart. Oder wie wär’s damit, die Arbeitsstunde gleich neu zu definieren? Wer sagt denn, dass das immer 60 Minuten sein müssen? In der Schule ist das ja auch nicht so. Eine Stunde ist gleich 90 - oder noch besser gleich 120 Minuten! Dann würden Arbeitgeber auch liebend gern mehr Teilzeitarbeitsplätze einrichten. Super, dann würde auch Equal Pay nichts mehr im Weg stehen? Liebe Christsozialen und Christdemokraten: Ihr wisst schon, wer für das Wohl des Landes malocht, oder? Und was eine Wohnung kostet. Vielleicht sollte unsere Parteischule dem Koalitionspartner mal ein Seminar zum kleinen Ein-mal-Eins anbieten. Nötig hätten sie’s.
Ein echter Aktivposten ist auch Ursula von der Leyen, Ex-Arbeits-, Ex-Familienministerin. „Aktiv - attraktiv - anders.“ So heißt auch die Imagekampagne für die Bundeswehr. Dafür hat die Ministerin ihren persönlichen Wellness-, Lifestyle und Modeberater ein paar Nachtschichten schieben lassen. Heraus kam die erste Zündstufe: Mit Rollenbildern aus der Zeit der Nierentischchen für mehr Frauen in der Truppe. Junge Frauen beim Schuhe-Shoppen, im Fitness-Studio, vor dem Kleiderschrank. Auf High-Heels gut gepudert zum Morgenappell. Und? Hat die Bombe eingeschlagen? Nee - Blindgänger.
Und dann kam auch noch das Pech dazu. Plötzlich tauchte auf der Kampagnen-Seite „frauen-in-der-bundeswehr.de“ ein Bild von Zewa-Wisch-und-Weg-Tüchern auf. Tatsächlich, kein Witz! Und der Text dazu: „Ihr Leben ist bunt und abwechslungsreich. Ihr neuer Job ist es auch. Machen Sie sich auf den Weg. Entdecken Sie den Arbeitgeber Bundeswehr.“ Mensch, pfiffige Idee. Die Bundeswehr wird bestimmt bald überrannt von Rekrutinnen.
Ich bin mir sicher: Die Probleme liegen tiefer. Mal abgesehen von fehlenden Ersatzteilen und schlechter Ausrüstung im Einsatz wäre in den Kasernen mancher Soldat schon dankbar, eine Dusche zu finden, aus der Wasser kommt. Und mal ehrlich. In Zeiten der Wehrpflicht wäre jede und jeder wegen Unzurechnungsfähigkeit ausgemustert worden, die bzw. der wegen eines Schminktischchens zur Bundeswehr-Truppe gewollt hätte.
Apropos Separatisten: Widerstand hat ja auch in Bayern eine gute Tradition: Die Entmachtung König Ludwigs III. im Jahr 1918, die Münchener Bierrevolution von 1844, das konsequente „NEIN“ zu sportlicher Spannung in der Bundesliga. Ich spreche vom beeindruckenden Widerstand der MünchnerInnen gegen Pegida. Zigtausende sind im Januar für Toleranz auf die Straße gegangen - ein tolles Signal! Und auch in vielen anderen Städten wie Berlin, Köln, ja auch in Dresden, also in ganz Deutschland zeigen die Menschen, dass ihnen die braune Soße nicht schmeckt. Dass wir ein offenes Land sind, dass uns Vielfalt bereichert. Ich sage Euch: So müssen wir weitermachen, müssen zahlreich und gemeinsam den öffentlichen Raum für uns behaupten. Wir wollen keine Rechtspopulisten und keine Rechtsextremen!
Apropos AfD: Die hat es ja auch nicht leicht: Rechtsaußen-Personal zum Beispiel in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern, renitente Landesverbände. Und das ewige Euro-Genörgel trägt auch nicht ewig. Und die Parteispitze? „Stümperhaft“ - sagt jedenfalls Lucke. Und der muss es wissen. Er sitzt ja mittendrin, demnächst auch ganz allein. Das hat er beim Parteitag neulich durchgeboxt. Da gab es zwei Veranstaltungsorte: Einen richtigen und ein Musicaltheater mit Großbildleinwand. „Kasperletheater“ hat ein Delegierter gemotzt, der nach nebenan verwiesen wurde. Vielleicht hat Lucke ja dafür gesorgt, dass der Livestream auf die Leinwand gelegentlich ausfiel, so dass die Delegierten regelmäßig verpassten, wann sie gegen etwas stimmen konnten.
Noch-Vize Alexander Gauland wird weiter mit kruden Ideen Deutschland unterhalten. So wie kürzlich, als er sich über das Thema Zuwanderung Gedanken gemacht hat. Dabei hat er gar nichts dagegen, wenn die Zuwanderung aus Ländern kommt, die uns kulturell sehr ähnlich sind. Syrien zum Beispiel ist da ganz schlecht - Bürgerkrieg hin oder her. Besser wäre wohl Österreich. Asyl für die politisch Verfolgten aus Kärnten! Und wird nicht seit Jahrzehnten schon die deutsche Minderheit in Dänemark unterdrückt? Dumm nur, dass nach Österreich schon so viele Deutsche Arbeitsmigration betreiben. Gleiches gilt für die Schweiz. Dumm nur, dass Herr Gauland dazu gar nichts sagt.
Sinnstiftend ist für die AfD die Euro-Krise. Und Griechenland gibt ihr ein Gesicht. Jetzt haben die Griechen gewählt und die neue Regierung präsentiert erfrischende Ideen, wie sie schnell ihre Schulden los wird: einfach streichen. Ich stelle mir vor, wie Varoufakis und Schäuble zusammensitzen. Der eine erzählt dem anderen von seinem Plan. Kurzes Schweigen, dann lachen sie gemeinsam herzlich. Schäuble sagt, wie er die Sache sieht: „Ne.“ Varoufakis fährt zufrieden nach Hause. „Ne“ heißt auf Griechisch „ja“.
Natürlich geht das nicht so einfach. Das weiß auch Tsipras. Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen bleiben wichtig. Trotzdem ist auch richtig, dass wir mit Kaputtsparen keinen Schritt aus der Krise rauskommen. Jede Unternehmerin weiß, dass sie immer wieder investieren muss, um auch morgen noch Gewinn zu machen. Jeder Einzelhändler, der alles Geld in seiner Kasse zur Bank trägt, um seinen Kredit abzuzahlen, wird morgen ein leeres Schaufenster haben. Das hilft ihm nicht und auch nicht der Bank, wenn im nächsten Monat das Geld ausbleibt. Europa braucht Investitionen und Wachstum. Darum müssen wir uns alle gemeinsam kümmern. Und Griechenland muss endlich auch von seinen Superreichen Steuern kassieren.
Über die Ukraine will ich nicht viel sagen. Das Thema ist einfach zu ernst. Nur so viel, als dass Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel sich völlig einig sind: Waffenlieferungen in das Krisengebiet darf es nicht geben, weil sonst das Pulverfass explodieren würde. Wir müssen im Gespräch bleiben mit Russland - auch wenn uns vieles fassungslos macht. Aber es gibt keine Alternative zur Entspannungspolitik. Wir wissen das nicht erst heute, sondern spätestens, nachdem Willy Brandt damit die entscheidende Wende im Kalten Krieg eingeleitet hat. Und wir lassen uns von einigen amerikanischen Hardlinern auch nicht erzählen, die Linie der Bundesregierung sei „Bullshit“. Obama ist gut beraten, den republikanischen Geist wieder in die Flasche zu stopfen - dicken Korken drauf und tief versenken.
Ja, ich weiß, manch einer wünscht sich eine solche Flasche auch für den christsozialen Geist der CSU. Wie zuletzt in der Debatte um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Natürlich! 4 Millionen Muslime leben in Deutschland, die Hälfte von ihnen hat den deutschen Pass. Trotzdem ist das für einige CSU-KollegInnen schwer zu schlucken. Sie wollen das so nicht stehen lassen. Es gebe kulturelle Unterschiede, Bräuche, Sprache. Stimmt. Den meisten von uns ist aber auch das jährliche Treiben in Wildbad Kreuth fremd. Und trotzdem bekenne ich: Ja, auch die CSU gehört zu Deutschland, und ja, die CSU gehört zur Großen Koalitionsfamilie, irgendwie. Wir müssen mehr für Integration tun, damit sich alle in Deutschland zu Hause fühlen.
Und was heißt das für uns Sozis: Wir regieren weiter gut, weil es einfach besser ist für die Menschen, wenn wir Sozis der Union Beine machen. Morgen, am 19. Februar, startet das chinesische Jahr der Ziege. Dazu gehört das Element „Holz“, das für Teamarbeit und Loyalität steht. Keine schlechten Vorzeichen für die Arbeit im zweiten Jahr der Regierung. So hat eben alles seine Zeit.
Viele wissen nicht, dass 2017 das bestimmende Element „Feuer“ ist. Feuer steht für Wettbewerb und harten Konkurrenzkampf. Ich habe noch mal nachgelesen: „Feuer-Persönlichkeiten sind schon beinahe rastlose Zeitgenossen, die nichts mehr hassen, als den gefühlten Stillstand.“ So steht es im chinesischen Horoskop für 2017. Und daran sollten wir denken und dann entsprechend handeln.
Glück auf!